pünktlich zum neuen Jahr wurden eine Reihe von Rüstungsverträgen geschlossen, von denen insbesondere auch Heckler & Koch profitieren wird. – Mehr dazu im neuen Newsletter! Außerdem veranstaltet das RüstungsInformationsBüro Freiburg seine jährliche offene Mitglieder-Versammlung, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind. Bei dieser Veranstaltung wird es einigen Grund zu feiern geben, haben doch die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD zu einem vorläufigen Waffenembargo gegen die am Jemen-Krieg beteiligten Staaten geführt. Und: die Aktion „Abrüsten statt Aufrüsten!“ hat ihre ersten 20.000 Unterschriften gesammelt. – Auch dazu mehr im neuen Newsletter.
Zum Weiterempfehlen: Wenn Sie den Kleinwaffen-Newsletter abonnieren wollen
(als kostenlose E-Mail), senden Sie uns einfach eine Mail mit dem Stichwort
„Kleinwaffen-Newsletter“.
DAKS-Newsletter Januar 2018
Stoppt den Waffenhandel! – Presseerklärung von pax christi
Harald Hellstern (pax christi / Kommission Rüstungsexport) an die Sondierenden für die Außenpolitik
Die pax christi-Kommission Rüstungsexport forderte die Beteiligten in den Sondierungsgesprächen, die sich mit der Außenpolitik befassen, sowie die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU auf, sich für eine neue Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Deutschland und Europa einzusetzen. Das alte Denken sei weltweit gescheitert: Mit militärischen Mitteln und durch Rüstungsexporte in Drittstaaten ließen sich keine Konflikte lösen und keine Stabilität erreichen. In dem Brief an die Sondierenden heißt es weiter: „Mit der bisherigen ‚Ertüchtigungsstrategie‘ hat Deutschland insbesondere in Afrika und im Nahen Osten immer wieder autoritäre und korrupte Regime gestützt und damit neue Fluchtursachen geschaffen. Dies stärkt den internationalen Terrorismus und verschlechtert die Sicherheitslage auch in Europa.“ Konkret setzt die Kommission Rüstungsexport sich in ihren Schreiben für ein Rüstungsexportkontrollgesetz ein, das transparente Begründungen für Waffenexporte einfordert und die Rahmenbedingungen für ein Exportverbot für Kleinwaffen und Munition schafft.
Sondierungsgespräche führen zu Waffenembargo gegen Saudi-Arabien
Zivil-gesellschaftliches Engagement hat Erfolg – und das manchmal schneller als erwartet: pax christi hatte den Brief an die Beteiligten der Sondierungsgespräche kaum verschickt, da wurde bekannt, dass das Thema Rüstungsexport in den Gesprächen zwischen CDU/CSU und SPD durchaus eine Rolle gespielt hat. Die „Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD“ erklären im Abschnitt über Rüstungsexporte (ebd. S. 27, Ziffern 1229-1236):
„Wir schränken die Rüstungsexporte weiter ein, schärfen die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten. Ergänzend zu den Kleinwaffen-Grundsätzen vom Mai 2015 streben wir weitere Restriktionen an. Auf dieser Basis streben wir eine gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik an und wollen den gemeinsamen Standpunkt der EU fortentwickeln. Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind.“
Indem die Erklärung zunächst auf die unter der rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder verabschiedeten Politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000 verweist, benennt das Papier die Partei, die die Passage maßgeblich geprägt hat. Diese rechtlich unverbindlichen Grundsätze werden dann auf die gleichfalls rechtlich unverbindlichen Grundsätze über die Ausfuhrgenehmigungspolitik der Bundesregierung für Kleine und Leichte Waffen aus dem Jahr 2015 bezogen, also auf ein Papier, das unter der Regierung von Angela Merkel von einer Großen Koalition beschlossen wurde. Nachdem damit die bisherige Arbeit der Regierung am Thema Rüstungsexport zusammengefasst ist und die gemeinsame Basis benannt wurde, wenden sich die Beteiligten der Zukunft zu und benennen zwei Bereiche: Zum einen äußern die Gesprächsteilnehmer die Absicht, auf EU-Ebene Initiativen zur Vereinheitlichung der Regelungen zum Rüstungsexport zu lancieren. Bis zu diesem Punkt versprechen die Ergebnisse wenig Konkretes, denn der Blick zurück, der die ersten Sätze prägt, wird nicht durch Vorhaben ergänzt, die in der Gesetzgebungskompetenz des Bundestages liegen. So bleibt der Abschnitt über Rüstungsexporte jedoch schwach, da keine Vision entwickelt wird, wie der eigene Gestaltungs- und Handlungsspielraum besser genutzt werden könnte, sondern stattdessen auf eine höhere Ebene verwiesen wird, die stattdessen die politische Gestaltung tragen soll. So bleibt allein der letzte Satz im Gedächtnis und dieser enthält tatsächlich einigen Sprengstoff, da er nicht als ein Grundsatz formuliert ist, sondern als eine Feststellung, die mit sofortiger Wirkung in Kraft tritt und damit nicht etwa in einer fernen, möglichen Zukunft gelten könnte, sondern ab sofort die Gegenwart prägt. Die derzeit noch im Amt befindliche Interimsregierung von CDU/CSU und SPD wird durch diese Erklärung gebunden und verpflichtet, wodurch „ab sofort“ ein faktisches Waffenembargo gegen Saudi-Arabien verhängt worden ist. Das ist eine großartige Nachricht und eine sehr positive Entwicklung – bedauerlich ist allein die Form: Da es sich nicht um eine formal getroffene Vorschrift handelt, ist die Bundesregierung durch diesen Satz nicht rechtlich gebunden. Aus dieser Perspektive wäre es zu begrüßen, wenn die Koalitionsverhandlungen möglichst lange dauern, da anzunehmen ist, dass sich die Verhandlungspartner mindestens in dieser Zeit an die in den Sondierungsgesprächen vereinbarten Grundsätze halten werden.
Mitgliederversammlung des RüstungsInformationsBüros Freiburg
Das RüstungsInformationsBüro Freiburg veranstaltet am Samstag, den 3. Februar 2018 seine Jahreshauptversammlung. Im Rahmen dieses Ereignisses, das im Kommunalen Kino Freiburg (Urachstr. 40) stattfinden wird, werden in diesem Jahr nicht nur Formalien verhandelt, sondern auch Erfolge gefeiert. Deshalb sind alle Interessierten, die sich dem RIB verbunden fühlen, eingeladen, an der Feier- und Informationsveranstaltung teilzunehmen. Das Kommen lohnt sich, wird es doch möglich sein, einem historischen Ereignis beizuwohnen: der Gründung der „Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch“!
Programm:
16:15 bis 16:30 Uhr: Jürgen Grässlin, RIB-Vorsitzender: Begrüßung, Einführung und Moderation / „Wege des erfolgreichen Widerstands gegen Heckler & Koch (H&K) – Deutschlands tödlichstes Unternehmen!“
16:30 bis 17:00 Uhr: Wolfgang Landgraeber zeigt ausgewählte Sequenzen aus seinem Dokumentarfilm „Vom Töten leben“ zur Waffenstadt Oberndorf und H&K
Nachfragen an und Diskussion mit dem Münchener Filmemacher
17:00 bis 17:15 Uhr: Charlotte Kehne, Referentin für Rüstungsexportkontrolle bei ORL / Ohne Rüstung Leben: „Das deutsche G36 in Mexiko. Der Einfluss gesellschaftlicher Akteure auf die deutsche Exportpolitik von Kleinwaffen“
Nachfragen zu den Analysen einer bedeutenden Studienarbeit
17:15 bis 17:30 Uhr: Magdalena Friedl, RIB-Vorstand und Direktorin RIB Österreich: „Warum die H&K-Geschäftsführung kritische Aktionär*innen fürchtet – 110 brisante Fragen und erhellende Einsichten zu den Defiziten der Grünen-Länder-Strategie von Heckler & Koch“ / Aussprache zum erfolgreichen Widerstand bei der H&K-Hauptversammlung 2017
17:30 bis 17:45 Uhr: Stephan Möhrle, RIB-Vorstand und Büroleiter: Livescreen zu „Praktische Tipps zum Kauf einer H&K-Aktie an der Euronext-Börse in Paris und zum Mitmachen bei den Kritischen Aktionär*innen H&K“ / Nachfragen zum Erwerb von Heckler & Koch-Aktie(n)
17:45 bis 18:00 Uhr: Gründung der Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch (KA H&K) / Gemeinsame Aktion im Kommunalen Kino
Abrüsten statt Aufrüsten sammelt 20.000 Unterschriften
Die Ankündigung der NATO, dass die Mitgliedsstaaten zur Einhaltung des Zieles mindestens 2 % ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Rüstungsausgaben zur Verfügung stellen sollen, würde in Deutschland zu einer annähernden Verdoppelung des Verteidigungshaushalts führen. Aus Unmut über diese Situation gründete sich Anfang November 2017 die Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ – denn Abrüsten ist das Gebot der Stunde! Ziel der Initiative ist es, durch das Sammeln von Unterschriften möglichst viel Unterstützung für den Aufruf zu generieren und den EntscheidungsträgerInnen im Deutschen Bundestag dadurch zu zeigen, dass eine solche Politik von breiten Teilen der Gesellschaft nicht unterstützt wird und insofern nicht mehrheitsfähig ist. In den knapp drei Monaten des Bestehens der Initiative wurden bereits über 20.000 Unterschriften gesammelt. Also knapp 7000 pro Monat und über 200 Unterschriften pro Tag. Selbst an Weihnachten. Dieser Erfolg ist schon jetzt beeindruckend und die Arbeit wird fortgesetzt.
Waffenaufträge für Heckler & Koch
Das neue Jahr hat begonnen und damit stehen den Behörden im In- und Ausland neue Haushaltsmittel zur Verfügung, um Waffen zu kaufen. Nachdem die entsprechenden Geschäfte in den vergangenen Wochen und Monaten verhandelt wurden, standen nun die Entscheidungen an – und sie sind zugunsten von Heckler & Koch gefallen.
Neue Dienstwaffe für Polizei in Bayern
Bereits am 29. Dezember 2017 kündigte das bayrische Innenministerium an, die Ausgaben für die Polizei im kommenden Jahr auf 384 Millionen Euro zu erhöhen. Die Mittel werden im Rahmen des Konzepts „Sicherheit durch Stärke“ vergeben. Sie sollen einerseits die Schaffung zusätzlicher Planstellen ermöglichen, sodass allein im Jahr 2018 bereits 575 Polizeianwärter’innen in den Polizeidienst aufgenommen werden sollen. Andererseits stehen die Mittel zur Anschaffung neuen Materials zur Verfügung. Geplant ist die Einsatzerprobung von Aufklärungsdrohnen, von den umstrittenen Distanz-Elektroschockgeräten „Taser“ und die Beschaffung neuer Dienstwaffen, die ab Herbst 2018 ausgeliefert werden sollen. Am 12. Januar 2018 wurde nun bekanntgegeben, dass mit der SFP9 eine halbautomatische Pistole von Heckler & Koch beschafft werden soll. Geplant ist die Beschaffung von 40.000 Waffen, die Gesamtkosten der Umrüstung sollen sich auf rund 30 Millionen Euro summieren. Die Umrüstung soll bis Ende 2019 abgeschlossen sein. Aussagen darüber, was mit den alten Dienstwaffen geschehen soll, liegen noch nicht vor. Möglich ist einerseits eine Verschrottung – die zu begrüßen wäre – oder ein Verkauf, sei es in den privaten Waffenmarkt oder im Rahmen einer Ausrüstungshilfe an befreundete Polizeien im Ausland.
Neue Waffe für das US-Marine Corps
Bereits seit dem 11. August 2017 verhandelt Heckler & Koch USA mit dem US Marine Corps über die Lieferung von 50.814 Schnellfeuergewehren M27. Eine Waffe im Kaliber 5,56 NATO, die auf dem HK416 aufbaut und für die Anforderungen des Marine Corps modifiziert wurde. Ende Dezember 2017 tauchten Fotos von Einsatzerprobungen des M27 mit einer neuen Visier-Optik des US-Herstellers Leupold & Stevens auf. Seit Anfang Januar wird nun kolportiert, die Kaufvereinbarungen seien getroffen worden, sodass mit einer Beschaffung der Waffen begonnen werden könne. Sollten sich diese Nachrichten bestätigen, würde dies einen neuen Großauftrag für Heckler & Koch USA darstellen. Da die Waffen am neuen Produktionsstandort in den USA produziert werden sollen, werden deutsche Behörden zu keinem Zeitpunkt in die Verhandlungen einbezogen.
Neue Waffen für Lettland
Am 11. Januar 2018 gab das lettische Verteidigungsministerium bekannt, weitere Waffen des Typs G36 beschaffen zu wollen. Das G36 wird bereits seit 2006 von den lettischen Streitkräften verwendet. Der jetzt erfolgte Auftrag stellt also eine Nachbestellung dar, um die Bewaffnung von Streitkräften, Nationalgarde und Grenztruppen zu vereinheitlichen. Der Vertragswert soll sich auf rund 13 Millionen Euro belaufen.
Prozess wegen mutmaßlich illegaler Waffenexporte nach Mexiko verzögert sich weiter
Heckler & Koch wird vorgeworfen, von 2006 bis 2009 in 16 Lieferungen Schnellfeuergewehre des Typs G36 nach Mexiko geliefert zu haben, ohne das hierfür eine Exportgenehmigung von Seiten der Bundesregierung vorlag. Diese Waffen – so der Vorwurf weiter – verschwanden nicht einfach in irgendwelchen Depots, sondern wurden eingesetzt und führten zum Tod von Menschen. Seit dem 16. April 2010, also seit fast 8 Jahren, liegt der Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Anzeige vor, die diesen Verdacht benennt. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf sechs Personen, von denen vier im Rahmen umfangreicher Aussagen (Teil-)Geständnisse abgelegt haben. Auf dieser Grundlage wurde bereits im Jahr 2015 das Hauptverfahren zugelassen und obwohl damit die Möglichkeit besteht, die Ermittlungen abzuschließen und den Prozess zu eröffnen, an dessen Ende Recht gesprochen und ein Urteil gefällt wird, ist seitdem nichts passiert. Unabhängig von den möglichen Gründen, die zu dieser Verzögerung geführt haben, ist die Situation als solche sehr unbefriedigend. Wenn nun in der Neuen Rottweiler Zeitung und in der Schwäbischen Zeitung darüber gemutmaßt wird, dass für den 15. Mai 2018 der Prozessauftakt ins Auge gefasst würde, so gibt das Hoffnung, dass sich an dieser Situation bald etwas ändert.
Bundeswehr: Minderjährige als Zielgruppe für die Rekrutierung
Das Bündnis Kindersoldaten beendete am 14. September 2017 seine Kampagne „Unter 18 Nie“ durch die Übergabe von 30.000 Unterschriften an die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie verliehen damit der Forderung Nachdruck, dass künftig keine Minderjährigen mehr bei der Bundeswehr ausgebildet werden sollen. Die Kampagne ist damit beendet, doch gewandelt hat sich die Bundeswehr dadurch noch nicht. Wie aus einer Frage an die Bundesregierung von Evrim Sommer (MdB, Die Linke) hervorgeht, wurden im vergangenen Jahr (Stichtag 31. Dezember 2017) 2128 minderjährige Soldat*innen in die Bundeswehr aufgenommen. Die Zahl der minderjährigen Rekrut*innen stieg damit seit dem Jahr 2011 kontinuierlich an. Und das gilt sowohl in absoluten Zahlen, wie auch prozentual im Verhältnis zur Gesamtzahl der Rekrutierten. Entsprechende Zahlen sind einer Kleinen Anfrage zu entnehmen, die bereits im Jahr 2016 von der Linken eingebracht wurde.
Jahr | Rekrut*innen insgesamt | Minderjährige | Prozentsatz |
2011 | 14668 | 689 | 4,7 |
2012 | 21042 | 1202 | 5,7 |
2013 | 19555 | 1152 | 5,9 |
2014 | 22061 | 1463 | 6,6 |
2015 | 21092 | 1515 | 7,2 |
Die so rekrutierten Soldat*innen erhalten eine militärische Ausbildung, die den Umgang mit Kriegswaffen einschließt. Unter diesen Umständen wäre es sehr zu begrüßen, wenn die Kampagne „Unter 18 Nie“ eine Fortsetzung erführe, um der Forderung nach einem Politikwechsel nochmals Nachdruck zu verleihen.
„Endland“: ein dystopischer Roman über die nahe Zukunft Deutschlands?
Eine Buchkritik von André Maertens
Mit seinem zweiten Roman, der den Titel „Endland“ trägt, hat Martin Schäuble eine Geschichte vorgelegt, die aktueller kaum sein könnte – Themen sind die im Parteiprogramm der AfD zu findenden „Forderungen“ zur Umgestaltung der Gesellschaft und Politik. Es geht aber auch um die katastrophalen Lebenssituationen in vielen Ländern, aus denen Menschen auswandern bzw. fliehen, weil Armut, Hunger und die Folgen des Klimawandels ihnen keinen anderen Ausweg lassen. Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft, in einem Deutschland, das von einer rechtsnationalistischen Partei mit dem Namen „Nationale Alternative“ regiert wird. ProtagonistInnen des Romans sind drei junge Leute, zum einen Anton und Noah aus Deutschland, die im Rahmen ihres (wieder eingeführten) Wehrdienstes als „Grenzschützer“ eingesetzt werden, zum anderen Fana, eine junge Frau aus Äthiopien, die nicht in ihrer Heimat bleiben kann, wenn sie ihre Familie ernähren bzw. überleben will. Wie diese drei Figuren zueinander finden und wie diese gar nicht so fiktive Geschichte verläuft, soll hier nicht verraten werden, doch es ist nicht zu viel gesagt, dass der Roman genauestens recherchiert ist und so ein erschreckend realistisches Bild der drohenden Zukunft nicht nur Deutschlands zeichnet.
Martin Schäuble, 1978 geboren, ist Politologe und Journalist und von daher ist die exakte Schilderung vieler Situationen und Hintergründe nicht überraschend. Durch Reisen in Krisengebiete, beispielsweise Israel/Palästina, und die Erforschung von Biografien radikaler Menschen – etwa in seiner Doktorarbeit über islamistische Selbstmordattentäter – bringt er eine Sichtweise auf Konflikte und menschliches Leiden mit, die dem Roman eine ganz eigene Atmosphäre gibt. Wie schon in seinem vorangegangenen Roman „Die Scanner“, der eine Zukunftsgesellschaft des allumfassenden Konsums und der Gedankenmanipulation durch Medienkonzerne beschreibt, will Schäuble durch seine Erzählung dazu anregen, über soziale und politische Entwicklungen nachzudenken, er mahnt zum wachen und kritischen Denken. So verbindet er seine spannend erzählte Geschichte mit einem Appell, sich über die aktuellen gefährlichen Entwicklungen zu informieren und selbst aktiv zu werden – engagierte Literatur heutiger Zeit.
Den Roman machen Szenen aus, die Menschlichkeit bzw. die unwürdige Behandlung von Menschen zeigen – wenn zum Beispiel im achten Kapitel beschrieben wird, unter welchen krassen Bedingungen sich Flüchtlinge bis zur deutschen Staatsgrenze durchschlagen und sich lieber in Todesgefahr begeben als von der Polizei entdeckt zu werden. Schilderungen der inhumanen Zustände in überfüllten und von der örtlichen Bevölkerung angefeindeten Flüchtlingslagern (wohlgemerkt in Deutschland!) spiegeln das Elend der MigrantInnen und Flüchtlinge wider. Die Beschreibung des Lebensgefühls der beiden jungen Männer, die zu Beginn mit ihren G36-Gewehren im Wald patrouillieren, um die nach Regierungs-Neusprech als „Invasoren“ bezeichneten Flüchtlinge „abzuwehren“, lässt deutlich werden, dass die im Buch dargestellte Wirklichkeit von der jetzigen gar nicht so weit entfernt ist. Dystopien sind meist düstere Bilder von Gesellschaften, die sich bereits in einem völlig andersartigen Entwicklungsstadium befinden, bei Martin Schäuble kommen diese Bilder unserer Zeit bedrückend nahe.
Ein Beispiel dafür ist auch der Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als Flüchtling ausgegeben hatte und dem vorgeworfen wird, Anschläge geplant zu haben. In „Endland“ findet sich eine äußerst ähnliche Erzählsituation, was den Autor im Interview zu dem Schluss kommen lässt, dass sein Roman in diesem Fall schon von der Realität eingeholt worden sei.
Bleibt zu hoffen, dass die Geschichte von „Endland“ Fiktion bleibt. In diesem Sinne sind diesem Buch besonders viele LeserInnen zu wünschen.
Der 216 Seiten starke Roman ist im Hanser Verlag erschienen (ISBN 978-3-446-25702-3) und kostet im deutschen Buchhandel 15,00 Euro, in Österreich 15,50 Euro. Mehr Informationen zum Roman und zu Martin Schäuble gibt es beim Hanser Verlag (hier findet sich auch das erwähnte Interview zu „Endland“), auf der Website des Autors (hier mit weiteren Rezensionen) und in der Wikipedia. Einen interessanten Bericht zum Buch hat der Deutschlandfunk gesendet.