DAKS-Newsletter August 2014 ist erschienen!

Deutschland diskutiert über Waffenexporte in den Irak. An sich ist dieser Zustand zu begrüßen, stellt dies doch die erste breite öffentliche Diskussion über die Legitimität von Rüstungsexporte seit Jahrzehnten dar. Inzwischen gibt es zahlreiche Wortmeldungen. Und neben Politikern haben sich inzwischen auch Rüstungsexportgegner – wie etwa Jürgen Grässlin – zu Wort gemeldet. Was in der bisherigen Debatte kaum zur Sprache kam, ist der Umstand, dass die Intervention im Irak der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr ist, der ohne Beschluss des Bundestages erfolgt. Wer humanitäre Hilfe in einem Kriegsgebiet leistet und dabei Material aus Bundeswehrbeständen verteilt leistet keine humanitäre Hilfe, sondern Militärhilfe. Wer Militärhilfe leistet, der interveniert in den Konflikt und wird zur Kriegspartei. – Und ob den Menschen vor Ort durch diese Intervention geholfen wird oder nicht, steht auf einem völlig anderem Blatt. Mehr dazu im neuen Newsletter.

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Afghanistan, Irak, Libyen, Irak – Etappen auf dem Weg in die neue Anarchie der Staatenwelt

Wie sollen zwischenstaatliche Konflikte beigelegt werden? Aus der Erfahrung von zwei Weltkriegen wurden die Vereinten Nationen gegründet, um die Menschheit von der Geißel des Krieges zu befreien. Mit den Kriegen in Syrien, in der Ukraine und im Irak scheint vom ursprünglichen Friedensprojekt nicht viel mehr übrig geblieben zu sein, als die – Vision – und die darin enthaltene Sehnsucht nach einer besseren Welt. Tatsächlich könnte die Erschütterung, der die internationale Gemeinschaft durch die Kriege der vergangenen Jahre ausgesetzt war, kaum tiefgreifender sein. Zur Disposition stehen heute nämlich nicht nur viele Menschenleben, sondern die Frage, ob Konflikte nach spezifischen allgemein gültigen Regeln bearbeitet werden sollen oder nicht. Ist das Recht des Stärkeren also die einzige Maxime, die Gültigkeit beanspruchen kann, oder soll es daneben auch andere Mechanismen geben, auf die sich die militärisch Schwachen stützen können?

Bereits der Afghanistan-Krieg markiert in diesem Zusammenhang einen Wendepunkt, war es doch der erste Konflikt, in dessen Verlauf die Bestimmungen der Genfer Abkommen über den Schutz von Kriegsgefangenen bewusst und mit Ankündigung nicht eingehalten wurden. Das System Guantanamo ist ein direktes Resultat, deshalb kein Unfall der Politik, sondern eine bewusste Entscheidung das „Recht im Krieg“ (ius in bello) neu zu definieren. Abgeschafft wurde dabei die Kategorie des Kriegsgefangenen. Eingeführt wurde die Kategorie des aller Rechte verlustig gegangenen „unlawful combatant“.

Der Irak-Krieg, geführt von einer „Koalition der Willigen“, führte zu einer Delegitimierung der westlichen Staatenwelt. Es ist nicht so sehr der UN-Sicherheitsrat, ohne dessen Mandatierung der Krieg stattfand, als die Wertegemeinschaft, die „der“ Westen bis zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch darstellte, die unter diesem Krieg litt.

Im Libyen-Krieg schließlich wurde nicht nur ohne eine Mandatierung durch die UN militärische Gewalt angewendet, sondern es wurde eine bestehende Resolution der UN durch die westliche Staatengemeinschaft gebrochen. UN-Resolution 1970 (2011) verhängte ein Waffenembargo gegen Libyen. Und trotz dieses Embargos wurden Aufständische mit Waffen beliefert. Identität, Motive, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Empfänger dieser Waffen konnten dabei so wenig überprüft werden, wie die Frage, ob die so Bewaffneten die Waffen im Einklang mit den Bestimmungen der Genfer Konventionen einsetzten. – Angesichts der derzeitigen Situation in Libyen scheinen Zweifel jedoch berechtigt. Durch dieses Vorgehen dokumentierten die Staaten des Westens nicht nur ihre grundsätzliche Gleichgültigkeit gegenüber gesetzten Normen des internationalen Rechts, sondern auch ihre Indifferenz gegenüber der Anwendung des Kriegsvölkerrechts, wie es in den Genfer Abkommen kodifiziert wurde.

Und jetzt, heute, im Nord-Irak? Das derzeitige Verhalten insbesondere der Staaten der EU scheint noch schwerer zu wiegen.

  1. Die Luftangriffe der USA auf Stellungen des IS geschehen erneut außerhalb des Rahmens der UN.
  2. Die Waffenlieferungen an die Kurden konterkarieren die Politik der EU gegenüber der Türkei, wie sie die vergangenen Jahrzehnte gegolten hat. Es konterkariert aber in gleicher Weise die Politik der EU gegenüber den syrischen Aufständischen, die bisher von der EU mit Waffen beliefert worden sind und von den USA im Umgang mit diesen Waffen geschult wurden.
  3. Im Fall von Waffenlieferungen an die Kurden wird das bisher bestehende Waffenembargo, wie es durch die UN verhängt (Resolution 1546/2004) und in geltendes EU-Recht (Gemeinsamer Standpunkt 2004/553/GASP vom 19. Juli 2004) übersetzt wurde, gebrochen. Die nationalen Regierungen der EU geben damit unmissverständlich zu verstehen, dass sie die Verfahrenswege der EU in keiner Weise ernst nehmen.
  4. Durch die Unterstützung der Kurden ergreift Deutschland Partei für eine der Konfliktparteien im irakischen Bürgerkrieg. Deutschland beteiligt sich damit an einem Krieg, egal ob nur Medikamente geliefert werden, nur Schutzausrüstung oder auch Waffen. Deutschland beteiligt sich an einem Krieg und entsendet deutsche Flugzeugbesatzungen in den Irak, ohne dass hierfür ein Mandat des Bundestages vorliegt. Die deutsche Regierung delegitimiert durch dieses Vorgehen die Arbeit des Parlaments und drückt ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Grundgesetz aus.
  5. Waffenlieferungen an die Kurden im Irak drohen das Mächtegleichgewicht in der Region endgültig aus dem Lot zu bringen. Wenn nicht die irakische Regierung, dann doch das irakische Militär scheint direkten Waffenlieferungen an die kurdische Regionalregierung im Irak mittlerweile mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Zu Recht, in so fern der Aufbau einer schlagkräftigen Armee unter kurdischer Führung die separatistischen Tendenzen innerhalb der kurdischen Kräfte unterstützen könnte. In einem zweiten und dritten Schritt könnte dann nicht nur der Irak seine territoriale Integrität bedroht sehen, sondern in gleicher Weise auch der Iran und das NATO-Partnerland Türkei. Waffenlieferungen an die Kurden drohen demnach die Region nicht zu stabilisieren, sondern im Gegenteil den Konflikt weiter zu eskalieren.
  6. Wenn Laurent Fabius in seiner Eigenschaft als französischer Außenminister den IS-Kämpfern einerseits zuspricht, in Syrien und im Irak quasi staatliche Strukturen geschaffen zu haben – wie er dies am 8. Juli 2014 in einer Stellungnahme vor der Assemblée Nationale getan hat –, und diese IS-Kämpfer im gleichen Atemzug nicht nur als Terroristen bezeichnet, sondern als Barbaren beschimpft, dann spricht er ihnen damit nicht nur jenen Kombattanten-Status ab, der ihnen als staatlicher Akteur im Sinne der Genfer Abkommen zukommt, sondern er dehumanisiert sie, denn die Barbaren, dass sind jene anderen, mit denen wir nichts zu tun haben. Dabei bleibt unbeachtet, dass sich inzwischen tatsächlich Islamisten aus (West-)Europa dem IS angeschlossen haben. Die IS-Kämpfer als Barbaren zu brandmarken, missdeutet deshalb die tatsächliche Verantwortung, die die europäische Staatengemeinschaft für den Krieg in Syrien und im Irak trägt. Die Massaker, die in Syrien und im Irak stattfinden, werden nicht von Barbaren, sondern von Europäern begangen.
  7. Die Frage, die diskutiert werden muss, ist nicht, ob Waffenlieferungen an die Kurden stattfinden sollen oder nicht. Die Frage, die diskutiert werden muss, ist, wie das Leid der Menschen gelindert und der Frieden in der Region wieder hergestellt werden kann. Waffenlieferungen leisten keinen Beitrag zum Frieden, solange sie nicht in eine große Friedensinitiative eingebunden sind. Jenseits von Waffenlieferungen muss über Gestaltungsmöglichkeiten nachgedacht werden. Solche Gestaltungsversuche setzen die Einbeziehung der Nachbarländer des Irak – allen voran der Türkei, des Irans und Saudi-Arabiens – voraus. Gleichzeitig könnte über eine internationale Friedensmisssion nachgedacht werden, die an Stelle der regionalen Ethnien, aber unter UN-Mandat den Schutz der Bevölkerung garantiert. Außerdem wird Frieden nur möglich sein, wenn den Menschen eine Zukunft gegeben wird. Ohne umfangreiche Hilfen zum Wiederaufbau der zerstörten Länder wird es nicht möglich sein, Frieden zu erreichen. In gleicher Weise wird Frieden aber nur dann möglich werden, wenn die Menschen unterstützt werden, den Hass zu überwinden und Versöhnung zu wagen.

Zum Weiterlesen: Jürgen Grässlin hat einen Beitrag über die Problematik von Rüstungsexporten an die kurdische Regionalregierung im Irak verfasst, der im Neuen Deutschland erschienen ist.

Welche Kriterien für Rüstungsexport? – Diskussionsrunde im NDR

In der NDR-Radiosendung „Redezeit“ unterhielten sich Anfang August Prof. Dr. Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, der BICC-Mitarbeiter und Rüstungsexperte Jan Grebe sowie Georg Wilhelm Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie über die Äußerungen Sigmar Gabriels zum Rüstungsexport und über Fragen zum Waffenexport. In der ca. einstündigen Sendung (Moderation Burkhard Plemper) werden die „Reiseziele“ der Waffenausfuhren, die ethischen Schwierigkeiten bei diesen Geschäften und die Frage der Arbeitsplätze hierzulande thematisiert, aber auch die Frage, ob die Unterscheidung in verlässliche und unsichere Empfängerstaaten sinnvoll ist. Zuschauer konnten sich in die Sendung telefonisch einschalten. Insgesamt bleibt die Diskussion sehr breit und geht wenig in die Details, auch kann sich G. W. Adamowitsch ungestört profilieren und seine Propaganda verbreiten (als ob er Spielzeug vermarkten würde), aber immerhin gibt es einige Wortmeldungen, die eindringlich einen Stopp von Rüstungsexporten fordern (unter anderem von einem mit Waffenexporten vertrauten Bundeswehrsoldaten).

BITS: Bundesverfassungsgericht und Rüstungsausfuhr

Auch Otfried Nassauer befasst sich aktuell mit der Rüstungsexport-Thematik. Sein Beitrag mit dem Titel „Rüstungsexportgenehmigungen im Bundessicherheitsrat – Eine verfassungswidrige Praxis?“ findet sich auf der Internetseite von BITS (Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit). Nassauer weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht im Herbst über die Geheimhaltung von Exportgenehmigungen entscheidet. Er sieht die Möglichkeit, dass das Gericht sich dann auch zur Frage der Legitimität des Bundessicherheitsrats äußert, was ihm angesichts einer eventuellen Verfassungswidrigkeit der getroffenen Entscheidungen von „großer Tragweite“ erscheint. Sein Kommentar: „Die Bundesregierung muss bangen und zittern.“

Small Arms Survey: Produzenten von Kleinen und Leichten Waffen

In der „Research Note“ Nr. 43, die im Juli 2014 erschien, werden die Herstellerfirmen von Kleinen und Leichten Waffen sowie der dazugehörigen Munition besprochen. Aus Deutschland werden die Firmen J.G. Anschütz GmbH & Co KG, Diehl Stiftung GmbH, Heckler & Koch GmbH, L & O Holding, PW Group und Rheinmetall AG aufgeführt. Insgesamt befindet sich die BRD hier unter den „Top-Exporteuren“, die zwischen 2001 und 2011 mindestens fünfmal Güter im Wert von mehr als 100 Millionen US-Dollar ausgeführt waren, zusammen mit USA, Italien, Brasilien, Österreich, Belgien und der Schweiz. Deutschland gehört auch zu den Staaten,die zwischen 1947 und 2007 MANPADS (also tragbare Luftabwehrsysteme) und ATGW (anti-tank guided weapons) oder Teile derselben hergestellt haben. Der Autor N.R. Jenzen-Jones weist darauf hin, dass viele große Firmen in mehreren Ländern produzieren lassen, Rheinmetall etwa nicht nur in Deutschland, sondern unter anderem auch in Kanada, Südafrika, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. Interessant ist auch die Information, dass 530.000 bis 580.000 militärische Schusswaffen pro Jahr unter Lizenz hergestellt werden, was die Bedeutung dieser Nachbauten-Verträge unterstreicht (wobei allerdings unklar bleibt, so dieses Papier, wie viele Waffen insgesamt weltweit produziert wurden und werden). Für das G3-Gewehr wird die Gesamt-Produktionszahl (also deutsche Produktion und Auslandsfertigungen) von 7 Millionen genannt.

Japans Friedensverfassung auf dem Prüfstand

Artikel 9 der japanischen Verfassung ächtet Krieg als Mittel der internationalen Konfliktlösung. Japan ist es demnach nicht erlaubt, andere Staaten mit militärischen Mitteln abzuschrecken. Die Androhung von Gewalt ist genauso untersagt wie präventives militärisches Handeln. Nur in dem Fall, dass das japanische Staatsgebiet aktuell angegriffen wird, ist es den japanischen „Selbstverteidigungskräften“ erlaubt, militärisch aktiv zu werden, aber nur solange bis der Angriff abgewehrt wurde. Eine militärische Intervention in anderen Ländern ist nicht erlaubt. Bereits in den vergangenen Jahren wurden von der japanischen Regierung verschiedene Versuche unternommen, diesen Artikel 9 zu re-interpretieren. Abe Shinzo, dem derzeitige Japanische Premierminister, ist es nun gelungen, diese Neuinterpretation durchzusetzen. Bereits am 1. Juli 2014 hat das japanische Kabinett einen Beschluss verabschiedet, der die Kriterien erläutert, an Hand derer Artikel 9 der Verfassung künftig gedeutet werden soll. Ausgangspunkt der Darstellung ist die veränderte Sicherheitslage bzw. das veränderte politische Gesamtgefüge im Ostasiatischen Raum. Diese veränderten Rahmenbedingungen würden eine Neuinterpretation des Verfassungsartikels nötig machen, da andernfalls angemessene Reaktionen auf politische Herausforderungen nicht möglich wären (vgl. Kapitel 3, Ziffer 1). Der Kabinetts-Beschluss erläutert im Folgenden, dass auch künftig an der grundlegenden Logik von Artikel 9 festgehalten werden soll, laut dem nur im Ausnahmefall die Anwendung einer minimalen militärischen Gewalt erlaubt sein soll (vgl. Kapitel 3, Ziffer 2). Die veränderte Sicherheitslage mache es heute jedoch erforderlich, den Ausnahmefall in dem militärische Gewalt erlaubt sein soll, neu zu bestimmen. Künftig soll ein militärisches Handeln auch dann erlaubt sein, wenn Japan nicht direkt angegriffen wird, sondern verbündete Länder (vgl. Kapitel 3, Ziffer 3). In welcher Weise der Kabinetts-Beschluss in geltendes Recht umgesetzt werden wird, ist derzeit noch nicht klar, da die entsprechenden japanischen Gesetze erst noch entwickelt, vom Parlament beraten und schließlich verabschiedet werden müssen. Erste Konsequenzen dieser neuen Interpretation von Artikel 9 der japanischen Verfassung können jedoch schon jetzt beobachtet werden. So hat Japan das bisher auf Grundlage von Artikel 9 der Verfassung geltende grundsätzliche Waffen-Exportverbot gelockert. Bereits in der im Dezember 2013 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsdoktrin Japans wird erklärt, dass unter den Bedingungen eines „proaktiven Pazifismus“ und angesichts der international heute üblichen Gepflogenheiten künftig Rüstungskooperationsprojekte unter japanischer Beteiligung erlaubt werden sollen (vgl. Kapitel 1, Ziffer 8). Dies wird nur möglich sein, wenn Japan Liefergarantien ausspricht, die die Versorgung der beteiligten Kooperationspartner mit den in Japan produzierten Waffenteilen garantiert. Im Juli 2014 wurde in diesem Zusammenhang dann erstmals der Export von Waffenteilen in die USA und nach Großbritannien erlaubt, wie die Japan Times berichtete. Im Falle des Exports nach Großbritanniens wird dabei eine Rüstungskooperation im Bereich des Meteor-Raketenprogramms angestrebt. Laut Japan Times wird hier ein Abkommen angestrebt, das Japan eine technologische Beteiligung an dieser Luft-Luft-Rakete erlaubt. Japan würde dadurch nicht nur Rüstungskooperationspartner Großbritanniens, sondern auch Frankreichs, Italiens, Schwedens und Deutschlands, jener Länder also, die in den vergangenen Jahren das Meteor-Raketenprogramm getragen haben.

Dies ergibt tatsächlich eine neue Situation. Der Kabinetts-Beschluss wie auch die Entscheidung zum Rüstungsexport wurden entsprechend kritisch kommentiert. Exemplarisch hierfür steht eine Presseerklärung von Pax Christi International.

Afghanistan als Comic?

Arne Jysch (Geburtsjahr 1973) hat einen graphischen Roman oder „graphic novel“ geschrieben und gezeichnet, erschienen ist der knapp 200 Seiten zählende Band 2012 im Carlsen Verlag. Thema ist der Krieg der Bundeswehr in Afghanistan und ist es nicht. Zeichnerische Umsetzungen seriöser Themen sind ja mittlerweile grundlegend akzeptiert, wenn sie auch bei vielen Leuten immer noch auf Skepsis stoßen. Dass man mit dieser skeptischen Haltung richtig liegen kann, zeigt das Buch von Jysch.

Der Titel „Wave and Smile“ bezieht sich auf eine frühere Verhaltensregel der deutschen Soldaten bei Patrouillenfahrten durch bewohnte Gebiete. Doch die Handlung wartet mit ganz anderen Überraschungen auf als friedliches Winken. Jyschs Geschichte ist eine Abenteuererzählung nach Western-Art: Starke Typen, schneidige Mädels und eiskalte Schießereien. Eben das, was ein guter Actionfilm oder -comic so braucht. Könnte man sagen. Man könnte aber auch sagen, dass ein Krieg (und hier speziell der von deutschen und anderen Truppen gegen die „Taliban“) keine abenteuerliche Gestaltung verträgt, weil es um ernsthafte Themen und Aspekte gehen muss.

Sicherlich, Jysch zeichnet das Bild vom Krieg nicht malerisch. Die Soldaten leiden unter den Bedingungen ihres Einsatzes. Sie fühlen sich missverstanden, ungefragt und können nicht begreifen, dass ihr Engagement bei vielen auf so wenig Entgegenkommen stößt, sogar auf krasse Ablehnung. Auch die Trennung von Familie und Lebenspartnern ist ein Thema. Doch am Ende wird alles aufgelöst in ein Helden-Szenario: Der harte Kerl beißt sich durch, frustiert an den oberen Mächten, die ihn verraten, und fügt sich in die Fatalität seines Daseins. Er muss es eben allein stemmen oder im besten Fall mit Hilfe seiner tapferen Kameraden, die sich für ihn aufopfern. Das ist Wild West, Rambo und nah am Landser-Heft. All die vielseitigen, wichtigen, komplizierten Fragen, die sich zum Thema Afghanistan-Krieg stellen, bleiben ungestellt, stattdessen ist es der einfache Soldat, der wieder einmal als der Naive und Dumme präsentiert wird, obwohl er glaubt, doch nur pflichtgemäß seinen Job zu machen. Politik ist kein Thema. Da hilft es auch nicht, wenn am Ende angemerkt wird, dass „militärische Vorgehensweisen und Ausstattung […] aus künstlerischen und dramaturgischen Gründen teilweise verändert dargestellt“ wurden. Das ist nicht der Punkt. Die Abenteuergeschichte als Erzählweise wird dem Kriegsthema nicht gerecht. Spannend und wichtig ist an diesem Krieg nicht der Kampf der Soldaten, sondern wie die Ursachen des Krieges, die Vorgehensweise der jeweiligen Akteure und die Zukunftsvisionen dieses Landes angesprochen werden können. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:

Welche Firmen und Regierungen (nicht nur die der ISAF-Staaten) verdienen am Krieg, der immerhin bereits seit 2001 läuft? Welche Interessen verfolgen die am Krieg beteiligten Armeen, etwa die Bundeswehr, die in den letzten Jahren einen enormen Wandel zur Kriegsarmee durchgemacht hat? Warum kümmert sich etwa die deutsche Öffentlichkeit nicht stärker um diesen Wertewandel zur kriegsführenden und kriegstreibenden Nation? Wer wird die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen gerichtlich belangen und wer wird für die Kriegsgeschädigten und anderen Kriegsbenachteiligten sorgen? Welche Maßnahmen können von lokalen und von internationalen Kräften unternommen werden, um Frieden in Afghanistan herzustellen, mögen sie auch schwierig oder unorthodox erscheinen?

Von all dem findet sich nichts in dem vorliegenden Band. Jyschs Buch ist und bleibt ein Comic und kann sich mit den zum Teil sehr tiefsinnigen und hintergründigen „graphic novels“ nicht messen. Aber die entsprechenden Leser mag das nicht stören… Ärgerlich ist es trotzdem, Carlsen Verlag!

Wer mehr über Arne Jysch (unter anderem über seine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr) erfahren will, kann zum Beispiel ein Interview im Deutschlandradio lesen. Oder einen seltsam argumentierenden Kommentar von Tim Neshitov in der Süddeutschen Zeitung, der von einer „kulturgeschichtlichen Analyse“ spricht.

Jysch verweist selbst auf Quellen seiner Recherche, darunter sind „A Million Bullets – The Real Story of the British Army in Afghanistan“ von James Fergusson und die Arbeiten der Journalistin Julia Weigelt. Vielleicht ist das aufschlussreich für die weitere Analyse von Jyschs Text?

Schießsport und Allgemeinwohl? – IPSC-Schießen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums

Vereine haben es nicht immer leicht in Deutschland. Vor allem dann, wenn das Finanzamt auf sie aufmerksam wird. Schließlich gelten Mitgliedsbeiträge als Einnahmen und Einnahmen müssen versteuert werden. Dem entkommt der durchschnittliche e.V. nur dann, wenn seine Gemeinnützigkeit offiziell anerkannt worden ist. Dies geschieht dann, wenn die Tätigkeit des Vereins – aus Sicht des Finanzamtes – „darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ (so §52 Ziff.1 der Abgabenordnung)

Sportvereine sind unter diesen Voraussetzungen natürlich als gemeinnützig anzusehen, trägt eine Teilnahme am Vereinsleben doch zur körperlichen Ertüchtigung der Vereinsmitglieder bei (materielles Gebiet), von den positiven psychischen Effekten (geistiges Gebiet), die Bewegung an der frischen Luft mit sich bringt, einmal ganz abgesehen, und wenn dann noch die Regeln des „fair play“ eingehalten werden, dann können Sportvereine sogar eine Förderung der Allgemeinheit auf sittlichem Gebiet bewirken. Unter diesen Voraussetzungen fragt man sich jedoch – ist Schießsport ein Sport, der dem Gemeinwohl dient?

Der Gesetzgeber wäre wohl nicht der Gesetzgeber, wenn er auf diese Frage nicht ein ganz deutliches „Jein“ formuliert hätte. Dies wird im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (kurz: AEAO) dargelegt. Dort wird einerseits festgestellt, dass die Tätigkeit von Schützenvereinen selbstverständlich als gemeinnützig anerkannt werden kann. Dass andererseits aber weder Paintball noch IPSC-Schießen als Sport „i.S.d. Gemeinnützigkeitsrechts“ bezeichnet werden kann (vgl. AEAO zu §52 Ziff.6 – S.32). Vereine, die ausschließlich in diesem Bereich tätig sind, werden dementsprechend nicht länger steuerlich begünstigt.

Was hat es mit dem IPSC-Schießen auf sich? IPSC orientiert sich am Regelwerk der „International Practical Shooting Confederation“ (IPSC) und gilt, wie der Name schon sagt, als „praktisches“ Schießen. Anders als „kampfmäßiges Schießen“, das im Schießsport nicht zulässig ist (vgl. §15a Ziff.1 Waffengesetz), ist IPSC-Schießen in Deutschland erlaubt. Das Bundesverwaltungsamt, das die Sportordnungen von Schießsportvereinen und -Verbänden genehmigen muss (vgl. §15a Ziff.2 Waffengesetz), hat die vom „Bund Deutscher Sportschützen“ entwickelten Sportordnungen für das IPSC-Schießen in den Kategorien Kurzwaffe, Langwaffe Flinte und Langwaffe Büchse bereits im Jahr 2004 genehmigt. Durch diese Entscheidung ist IPSC-Schießen als Sportart anerkannt worden. Die Ausübung dieses Sportes ist in Deutschland legal und steht im Einklang mit dem Waffengesetz.

Nicht alles was erlaubt ist, ist auch gut. Und diesem Grundsatz liegt die Entscheidung des Bundesfinanzministeriums zu Grunde, die den Sportcharakter im Sinne der Gemeinnützigkeit von IPSC-Schießen bestreitet. Soll heißen, Vereine die in diesem Bereich tätig sind, fördern die Allgemeinheit weder auf materiellem noch auf geistigem noch auf sittlichem Gebiet.

Die Entscheidung des Bundesfinanzministeriums stieß insbesondere im „Bund Deutscher Sportschützen“ auf Kritik (vgl. dort den Beitrag „IPSC & Steuerrecht“). Was in dieser Kritik nicht thematisiert wurde, ist der Umstand, dass der Sportcharakter des IPSC-Schießens durch das Bundesfinanzministerium keineswegs bestritten worden ist. Es ist allein der Aspekt der Gemeinnützigkeit, der von Seite des Ministeriums angefragt wird. IPSC-Schießen steht damit auf einer Stufe mit dem Skat-, Bridge- und Tipp-Kick-Spiel. Auch dies alles Spiele bzw. Sportarten, die vom Bundesfinanzministerium nicht als Sportart „ i.S.d. Gemeinnützigkeitsrechts“ anerkannt wurden. (vgl. die schon erwähnte Passage in AEAO zu §52 Ziff.6 – S.32) Die Entscheidung wirkt zutiefst bürokratisch. Dennoch ist sie interessant. Und es ist zu hoffen, dass auch das Bundesverwaltungsamt die Anerkennung der Sportordnungen für das IPSC-Schießen noch einmal überdenkt, wodurch dann tatsächlich der Sportcharakter des IPSC-Schießens neu verhandelt werden müsste. Genauso ist aber zu hoffen, dass das Steuer-Recht eine Überarbeitung erfährt. Und zwar schnell!

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