DAKS-Newsletter Juli 2015 ist erschienen!

Der neue DAKS-Newsletter steht ganz im Zeichen des kürzliche veröffentlichten Rüstungsexportberichts der Bundesregierung für das Jahr 2014. Mittlerweile haben wir ihn gelesen und so können wir nun eine erste Einschätzung des Zahlenwerks abgeben. Und über die kürzlich bekannt gewordenen Pläne für eine Endverbleibskontrolle im Import-Land hat Otfried Nassauer (BITS) einen Hintergrundbeitrag zur Verfügung gestellt.

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DAKS-Newsletter Juli 2015

Aktion Aufschrei kritisiert Verdoppelung der real erfolgten Kriegswaffenexporte auf 1,8 Milliarden Euro

Berlin / Stuttgart / Freiburg, den 24. Juni 2015

Neuer Negativrekord: Drei Viertel der Ausfuhrgenehmigungen an rechtlich nur in Ausnahmen belieferbare Drittländer

Dank der Strafanzeigen der Aufschrei-Kampagne gegen H&K, SIG SAUER und Carl Walther Kleinwaffenexporte halbiert

Kampagne fordert Transparenz statt geheime Entscheidungen im verfassungswidrigen „Mauschelgremium“ Bundessicherheitsrat

Der heute im Parlament verabschiedete Rüstungsexportbericht 2014 ist der erste, den die CDU/CSU/SPD-geführte Bundesregierung verantwortet.

„Die Gesamtbilanz dieses ersten Jahres der christlich-sozialen Regierungskoalition zeigt keinesfalls die vor der Bundestagswahl versprochene und von uns allen erhoffte Trendwende“, sagt Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne ‚Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!‘ und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). „Im Gegenteil: Die real erfolgten Kriegswaffenexporte wurden von 957 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 1,823 Milliarden Euro 2014 verdoppelt. Unter den Bestimmungsländern finden sich erneut zahlreiche menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten“, so Grässlins scharfe Kritik.

„Unter den Top Ten der Empfängerländer deutscher Kriegswaffen rangieren mit Israel, Singapur, Südkorea, Saudi-Arabien, Algerien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indonesien und Brunei acht sogenannte Drittländer. Diese dürften aus rechtlicher Sicht nur in begründeten Ausnahmefällen mit Kriegswaffen aus Deutschland beliefert werden“, kritisiert Paul Russmann, Sprecher der Aufschrei-Kampagne und von Ohne Rüstung Leben (ORL). „Unter der Ägide von Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel belief sich der Anteil der Ausfuhren in Drittländer auf rund 77 Prozent. Das ist ein neuer Negativrekord! Der Ausnahmefall ist zum Regelfall verkommen“, bewertet Russmann die Rüstungsexportpolitik 2014.

„Auch die genehmigte Lieferung von Schiffen und U-Booten in Staaten wie Saudi-Arabien, Singapur, Korea und Israel ist keinesfalls harmlos, sondern trägt auch künftig nicht unerheblich zu einem weiteren weltweiten konventionellen Rüstungswettlauf bei. Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern bleibt auf einem hohen Niveau. Eine von der Aufschrei-Kampagne geforderte Kehrtwende hin zu einem grundsätzlichen Rüstungsexportverbot ist nicht in Sicht“, bilanziert Christine Hoffmann, pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Aufschrei-Kampagne.

Als Erfolg der Kampagne ‚Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!‘ bewertet der Sprecherkreis der Aufschrei-Kampagne, dass sich der Genehmigungswert für den Export von Kleinwaffen (wie Pistolen, Maschinenpistolen und Gewehre) von 82,6 Millionen Euro auf 47,4 Millionen Euro halbiert hat: „Unsere laufenden Strafanzeigen gegen Heckler & Koch, SIG SAUER und Carl Walther und die damit verbundenen Exportverbote seitens der Kontrollbehörden zeigen eine erste Wirkung.“

„Allerdings befinden sich unter den Empfängerländern weiterhin vielfach Regierungen, die Menschenrechte mit Kleinwaffen massiv verletzen“, so der Vorwurf der Aufschrei-Sprecher.

„Besonders brisante Rüstungsexportentscheidungen wurden auch 2014 im Bundessicherheitsrat getroffen. In seinem – ansonsten sehr schlechten – Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am 21. Oktober 2014 eindeutig geklärt, dass Exportentscheidungen durch den Bundessicherheitsrat verfassungswidrig sind“, betont Rechtsanwalt Holger Rothbauer, der die Aufschrei-Kampagne in juristischen Fragen vertritt: „Ein solches Mauschelgremium hat mit Transparenz und demokratischem Rechtsstaat nichts zu tun! Bei Waffenlieferungen geht es schließlich um Tod und Leben von Tausenden von Menschen!“

Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2014

Obwohl die Zahlen des neuen, zeitnah veröffentlichten Rüstungsexportberichts der Bundesregierung erfreulich sind, lassen sie doch keine rechte Freude aufkommen. Es ist erfreulich, dass der Gesamtwert der genehmigten Einzelgenehmigungen von 5,846 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 3,974 Milliarden Euro im Jahr 2014 zurückgegangen ist. Doch wie ist diese an sich erfreuliche Zahl zu deuten? Der Rüstungexportbericht selbst gibt eine Empfehlung, wenn es dort heißt:

Grundsätzlich gilt, dass die Summe der Genehmigungswerte eines Berichtszeitraums allein kein tauglicher Gradmesser für eine bestimmte Rüstungsexportpolitik ist. Vielmehr sind – gerade auch bei Exporten in Drittländer – insbesondere das jeweilige Empfängerland, die Art der Güter und der jeweilige Verwendungszweck bei der Bewertung zu berück­sichtigen.“ (Rüstungsexportbericht 2014, S. 6)

Diese Einschätzung ist sicherlich richtig und bestätigt sich noch einmal, wenn man die Zahlen des Berichts näher analysiert. Problematisch ist etwa, dass sich der Trend der vergangenen Jahren verstetigt hat, dass die Mehrzahl der deutschen Rüstungsexporte nicht an befreundete Staaten aus EU oder NATO gerichtet ist, sondern an Drittländer, ob diese nun zu den Entwicklungsländern zählen oder nicht. Dieser Trend trägt der Entwicklung Rechnung, dass die Verteidigungshaushalte der westlichen Bündnisse seit Jahren Sparzwängen unterliegen und die Rüstungsindustrie folglich auf andere Abnehmer angewiesen ist, um ihr wirtschaftliches Auskommen zu sichern.

Verteilung der deutschen Rüstungsexporte nach Ländergruppen in Prozent in den Jahren 2008-2014

JahrEntwicklungs-länderDritt-länderSummeNATO-/NATO-gleichgestellte LänderEU-LänderSumme
20145 %55 %60 %19 %21 %40 %
201310 %52 %62 %18 %20 %38 %
20127 %48 %55 %24 %21 %45 %
20119 %33 %42 %21 %37 %58 %
20108,00 %21,00%29 %22 %49 %71 %
20098,00 %41,00%49 %22 %29 %51 %
20085 %50 %55 %14 %31 %45 %

An sich ist diese Entwicklung schon besorgniserregend, da Deutschland ja grundsätzlich für sich in Anspruch nimmt, ein restriktives Rüstungsexportkontrollregime zu praktizieren, dass eben nicht von wirtschaftlichen Interessen bestimmt, sondern ethischen Standards verpflichtet ist. Wenn man jedoch nicht allein auf die prozentuale Verteilung der Exporte achtet, sondern tatsächlich – wie vom Rüstungsexportbericht empfohlen – nachzuvollziehen versucht, an welche Länder konkret Rüstungsexporte aus Deutschland genehmigt wurden, so wird das Unwohlsein dadurch eher befördert als gelindert.

Dies sei im Folgenden an zwei Beispielen veranschaulicht. Zum einen sei auf den ostasiatischen Raum verwiesen, wo ungelöste Territorialkonflikte zwischen den Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres immer wieder zu politischen Spannungen führen, die dann auch mit einer militärischen Drohkulisse untermalt werden. SIPRI hat verschiedentlich auf die Gefahren dieser schwelenden Konflikte hingewiesen und im Rahmen des Kapitels „East Asian Security“ des SIPRI Yearbook 2015 darauf hingewiesen, dass die Spannungen ein bleibend hohes Konfliktpotential besitzen und generell die Tendenz eines Wettrüstens festgestellt werden muss. Wohl aus Solidarität mit Japan, das den Status eines NATO-gleichgestellten Landes genießt, hat die Bundesregierung auch im Jahr 2014 wieder Rüstungsexporte in einem Gesamtwert von 22,586 Millionen Euro dorthin genehmigt. Diese Zahl erscheint jedoch äußerst bescheiden, wenn man sie mit den Exporten nach Singapur (328 Millionen Euro), Südkorea (253 Millionen Euro), Indonesien (108 Millionen Euro) und Brunei (104 Millionen Euro) vergleicht. All diese Länder sind zwar nicht NATO-gleichgestellt, gehörten im vergangenen Jahr jedoch zu den wichtigsten Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte. Auf der entsprechenden Rangliste gelangte Singapur auf Platz 3, Korea auf Platz 4, Indonesien auf Platz 9 und Brunei auf Platz 10. Damit nicht genug, hat sich die Bundesregierung jedoch nicht damit begnügt, diese Länder mit Waffen zu beliefern und dadurch ihre jeweilige militärische Position im ostasiatischen Raum zu stärken, denn tatsächlich wurden im Jahr 2014 Rüstungsexporte an durchweg alle Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres genehmigt. Die einzige Ausnahme bildete Nordkorea, da gegen dieses Land ein UN-Waffenembargo besteht.

Deutsche Rüstungsexporte an die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres im Jahr 2014

LandExportgenehmigungen in EuroAbgelehnte AnträgeAL-Positionen der abgelehnten AnträgeWert der abgelehnten Anträge
Brunei104.890.812
China4.337.7094A0006 A0009 A0013 A001554.490
Indonesien108.445.8621A0018904.280
Japan22.586.251
Korea (Süd)253.778.423
Korea (Nord)Waffenembargo
Malaysia37.415.8744A0001 A000321.096
Philippinen308.0162A0001 A0002 A0005 A0015
Singapur328.976.340
Taiwan7.179.9833A0009 A0010 A001326.679
Vietnam3.904.8591A0009757.200
Gesamt871.824.129

Welches Kalkül dieser Politik zu Grunde liegt, ist nicht bekannt. Ob es jedoch wirklich als ethisch gerechtfertigt gelten kann, wenn alle Parteien eines potentiellen Konflikts mit Waffen beliefert werden, darf bezweifelt werden. Weit eher scheint es, als würde die Bundesregierung der deutschen Rüstungsindustrie ermöglichen, zum Rüstungswettlauf im ostasiatischen Raum beizutragen. Prozentual betrachtet entfielen im Jahr 2014 rund 22% aller Exporte auf den ostasiatischen Raum.

Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die deutschen Rüstungsexporte in den Raum des erweiterten Nahen Ostens betrachtet. Aus der besonderen Verantwortung gegenüber Israel wurde im vergangenen Jahr der Export von Waffen im Wert von 684 Millionen Euro genehmigt. Israel war damit, noch vor den USA, der wichtigste Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. In ähnlicher Weise durfte auch das NATO-Mitgliedsland Türkei im vergangenen Jahr Waffen im Wert von 72 Millionen Euro in Deutschland erwerben. Damit gelangte es immerhin auf Rang 18 der Liste der wichtigsten Empfängerländer. Nun könnte man versuchen, diese Exporte als eine realpolitische Notwendigkeit zu verstehen. Was dabei dann jedoch nicht mehr erklärt werden kann, ist, warum erneut durchweg alle Länder des erweiterten Nahen Ostens ebenfalls Waffen in Deutschland erwerben durften. Die einzige Ausnahme bildete in diesem Fall der Iran, da gegen dieses Land auch ein UN-Waffenembargo verhängt ist.

Deutsche Rüstungsexporte an die Länder des erweiterten Nahen Ostens im Jahr 2014

LandExportgenehmigungen in EuroAbgelehnte Anträge auf endgültige AusfuhrAL-Positionen der abgelehnten AnträgeWert der abgelehnten Anträge
Ägypten22.735.4283A0001 A0002 A0005 A0006
Bahrain3.182.9992A0006 A00108.896
IranWaffenembargo
Irak86.102.146
Israel684.563.0881A0003171.000
Jemen783.041
Jordanien1.386.5732A0001 A00034.935
Katar15.439.245
Kuwait4.021.0541A0003750
Libanon4.447.220
Oman12.554.378
Saudi-Arabien208.966.5671A0018156.025
Syrien (UN-Mission)1.120.656
Türkei72.445.4321A00132.994
Vereinigte Arabische Emirate121.219.5301A0018
Gesamt1.238.967.35731 %

Dabei gelangten dann nicht nur Israel und die Türkei auf die Liste der wichtigsten Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte, sondern gleichfalls auch Saudi-Arabien (Platz 6 mit 208 Millionen Euro), die Vereinigten Arabischen Emirate (Platz 8 mit 121 Millionen Euro) und der Irak (Platz 14 mit 86 Millionen Euro). Erneut scheint es, dass das dieser Politik eventuell zu Grunde liegende Kalkül keine ethische Legitimation für sich in Anspruch nehmen kann, da erneut alle Parteien eines potentiellen Konflikts mit Waffen beliefert werden und die vorhandenen Tendenzen eines Wettrüstens durch die deutschen Rüstungsexporte gefördert werden. Prozentual betrachtet entfielen im Jahr 2014 rund 31% aller Exporte auf den Raum des erweiterten Nahen Ostens.

Unter dieser Perspektive erscheinen die Bemühungen der Bundesregierung, die Rüstunsexportpolitik restriktiv zu gestalten, als fast schon wahnwitzig. Tatsächlich kam es im vergangenen Jahr immer wieder vor, dass Exportanträge abgelehnt wurden. Dies betraf sinnigerweise alle Länder unabhängig von ihrer politischen Stellung zu Deutschland. So wurde etwa ein Antrag auf den Export von Munition (A0003) nach Israel abgelehnt. Eine Erfahrung, die auch Ägypten, Jordanien und Kuwait machen mussten. Diese Entscheidung ist sicherlich zu begrüßen, sie wurde jedoch dadurch konterkarriert, dass Israel, genauso wie Jordanien und Kuwait grundsätzlich natürlich Munition in Deutschland erwerben durften, weshalb entsprechende Exportanträge nicht nur abgelehnt, sondern auch genehmigt wurden. Diese Detailentscheidungen könnten als ein Beispiel für eine differenzierte Rüstungsexportkontrollpolitik gedeutet werden – weit eher scheint es jedoch, als müssten diese Einzelentscheidungen als Indiz für eine technizistische, realitätsblinde, an formaljuristischen Abläufen geschulte Kontrollpolitik gedeutet werden. Im Jahr 2014 genehmigte die Bundesregierung den Export von Waffen an die kurdische Regionalregierung im Nordirak. Wo diese Waffen heute sind, vermag niemand zu sagen. Fest steht allein, dass der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK gerade wieder aufflammt. Ob die deutschen Exporte in Kombination mit der deutschen Ausbildungshilfe dazu beigetragen haben, dass dieser Konflikt sich wieder verschärft hat, darf offen bleiben. Fest steht jedoch, dass heute niemand garantieren kann, ob die deutschen Waffen und die von deutschen Soldaten trainierten Peschmerga-Kämpfer heute nicht gegen die Türkei ins Feld geführt werden.

Ende gut, alles gut? – Neue Endverbleibskontrollen für deutsche Rüstungsexporte

von Otfried Nassauer

Ist gut gemeint auch gut gemacht? Diese Frage stellt sich des Öfteren, wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel versucht, eine der vielen gravierenden Lücken im deutschen Rüstungsexportkontrollrecht zu schließen. In der ersten Juli-Woche war es wieder so weit. Gabriel kündigte an „ein Instrument zur Durchführung selektiver Post-Shipment-Kontrollen für zukünftige Lieferungen von Kriegswaffen (…) in Drittländer“ einzuführen. Worum geht es dabei?

Noch in diesem Jahr soll in der Außenwirtschaftsverordnung die Möglichkeit geschaffen werden, vor Ort zu überprüfen, ob deutsche Waffen auch dort geblieben sind, wohin sie mit Genehmigung der Bundesregierung geliefert werden durften. Der Endverbleib deutscher Kriegswaffen soll künftig auch im Nachhinein überprüft werden. Das Kabinett hat dem Vorhaben zugestimmt und Eckpunkte dafür verabschiedet.

Im Kern ein ebenso löblicher wie überfälliger Schritt. Kunden deutscher Waffenschmieden haben sich keineswegs immer an die Endverbleibserklärungen halten, die sie abgeben müssen, um überhaupt eine Exportgenehmigung zu bekommen. Die Erklärungen besagen, dass die Kriegswaffen im Empfängerland bleiben werden und dass im Falle eines geplanten, künftigen Weiterverkaufs Deutschland zuvor die Möglichkeit haben wird, gegebenenfalls ein Veto einzulegen. Ob sich der Empfänger an diese Zusage dann auch tatsächlich hält, wird bislang nicht überprüft.

In den vergangenen Jahren haben sich Fälle gehäuft, in denen deutsche Waffen in Krisen- und Kriegsgebieten entdeckt wurden, wo sie eigentlich nicht hätten sein dürfen. Käufer deutscher Waffen hatten sie weitergegeben, ohne Deutschland zu informieren. Entdeckungen, die für die Bundesregierung meist peinlich waren. In Georgien tauchten 2008 Sturmgewehre des Typs G36 auf, die nie aus Deutschland dorthin geliefert worden waren. Wer sie Georgien gab, war angeblich nicht mehr festzustellen. In Libyen wurden 2011 G36-Gewehre entdeckt, die das Gaddafi-Regime nicht in Deutschland gekauft hatte. Sie kamen nach Erkenntnissen des Herstellers, Heckler & Koch, aus Ägypten. Kairo hatte geliefert, ohne Berlin zu fragen. Auch in Mexiko gab es Probleme: Mexiko hatte G36-Gewehre für die Polizeien einiger Bundesstaaten bestellt. Die Lieferung wurde genehmigt, weil vier besonders problematische Bundesstaaten in der mexikanischen Endverbleibserklärung nicht genannt wurden. Genau dort aber fand sich anschließend fast die Hälfte der Lieferung von mehr als 10.000 Gewehren wieder. Die mexikanische Endverbleibserklärung hatte die Absicht, die Gewehre auch in den vier problematischen Bundesstaaten an die Polizei zu verteilen, schlicht verschwiegen. Auch im Jemen tauchten jüngst G3-Gewehre auf, die Saudi-Arabien in Lizenz produziert und ohne Zustimmung der Bundesregierung weitergegeben hatte. Einzelfall nach Einzelfall. Zum wiederholten Verdruss der Bundesregierung wurden sie öffentlich. Deutlich wurde: Die Endverbleibsregelungen für deutsche Rüstungsexporte gleichen bisher dem sprichwörtlichen Schweizer Käse: Es gibt mehr Löcher als Käse. Dass das so ist, liegt auch daran, dass die Bundesregierung den Endverbleib bislang nie kontrollieren wollte.

Jetzt will das Wirtschaftsministerium endlich handeln und die Lücke schließen. Wenn künftig Kriegswaffen und – richtigerweise – bestimmte militärisch nutzbare Schusswaffen wie Pistolen, Revolver oder Scharfschützengewehre exportiert werden sollen, dann muss der staatliche Käufer Deutschland das Recht einräumen, später vor Ort nachzuschauen, ob die Waffen noch da sind. Mitarbeiter des Bundesausfuhramtes und der deutschen Botschaft sollen künftig Stichproben bei den Empfängern vornehmen. So weit, so gut und so löblich. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Problematisch ist, dass dies nur „grundsätzlich“ gelten soll. Mit anderen Worten: Es soll auch Ausnahmen geben. Die wesentlichen zeichnen sich bereits in den Eckpunkten ab, die das Kabinett beschlossen hat: Die neue Regelung soll nur für Drittländer gelten. Nicht betroffen ist also die große Gruppe der EU-Staaten, der NATO-Staaten und der diesen exportrechtlich gleichgestellten Staaten, also zum Beispiel Japan, Australien oder die Schweiz. In diesen Ländern soll es auch weiterhin keine Kontrollen geben. Sie müssen auch nicht unterschreiben, dass sie deutsche Kontrollen zulassen würden. Hier gilt weiter: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist nicht nötig.

Zwei Beispiele zeigen, warum das problematisch ist: Das deutsche Unternehmen Sig Sauer hat vor einigen Jahren Zehntausende von Pistolen in die USA ausgeführt. Deklarierter Endverbleib: die USA. Dort wurden die Schusswaffen an eine amerikanische Heeresbehörde weiterverkauft. Diese wiederum lieferte sie dann an Kolumbien, ein Land, für das es in Deutschland keine Ausfuhrgenehmigung gegeben hätte. Dem Hersteller war der Endabnehmer bekannt. Heute beschäftigt der Fall die Kieler Justiz und Sig Sauer verlegt seine Produktion in die USA.

Das zweite Beispiel stammt aus Europa: Als die Armee der DDR aufgelöst wurde, bekam die Türkei unter anderem mehr als 300.000 Kalaschnikow-Gewehre sowie riesige Mengen passender Munition. Den Verbleib dieser Gewehre musste die Türkei nie nachweisen. Die Bundesregierung hat sich nie um ihn geschert. Deutschland fragte nicht nach, obwohl die Türkei an etliche Krisengebiete des Nahen und Mittleren Ostens grenzt und häufig Anlass gesehen haben könnte, bewaffnete Akteure in den Nachbarstaaten mit Waffen zu unterstützen. Beide, die USA und die Türkei, sind NATO-Länder. Der Endverbleib deutscher Waffen wird deshalb auch künftig nicht kontrolliert werden. Es bleiben also relevante Schlupflöcher beim Endverbleib bestehen.

Das zweite Problem zeigt sich, wenn man nach den Gütern fragt, deren Endverbleib künftig in Drittländern überprüft werden soll. Die Antwort lautet „Kriegswaffen und bestimmte Schusswaffen“. Diese Formulierung besagt zugleich, bei welchen Gütern es keine Endverbleibskontrollen geben soll: Bei „sonstigen Rüstungsgütern“ und „doppelt verwendbaren Gütern“ zum Beispiel. Und auch bei den Kriegswaffen wird noch einmal eingeschränkt. Ausgenommen werden auch „solche Komponenten und Baugruppen“, „die im Ausland in Waffensysteme eingebaut werden sollen“. Also in Indien, Israel oder Südkorea zum Beispiel, Staaten, in denen Panzer mit deutschen Komponenten hergestellt werden. Die Ausnahmen gelten also für einen Großteil der der deutschen Rüstungsexporte, denn Komponenten „Made in Germany“ sind begehrt und stellen einen großen Anteil der deutschen Rüstungsexporte dar.

Die Geschäfte deutscher Firmen mit Antriebssystemen für Panzer oder Kriegsschiffe werden also genauso wenig betroffen sein wie jene mit Feuerleit- oder Radarsystemen, die in den Kriegswaffen anderer Staaten verbaut werden. Die Begründung dafür, dass die neuen nachträglichen Kontrollmöglichkeiten nur für einige wenige und besonders gut nachweisbare Waffenlieferungen gelten sollen, lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. In den vom Kabinett verabschiedeten Eckpunkten heißt es: „Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und die Rüstungszusammenarbeit mit Drittländern dürfen durch das System der Post-Shipment-Kontrollen nicht gefährdet werden.“

Das klärt die Prioritäten. Der wirtschaftliche Erfolg geht vor. In diesem Satz fehlt sogar das kleine Wörtchen „grundsätzlich“ und damit der Hinweis darauf, dass es auch Ausnahmen geben könnte. Absehbar ist also, dass die Kontrollen äußerst „selektiv“ und wohl auch sehr begrenzt ausfallen werden.

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