DAKS-Newsletter Juli 2017 ist erschienen!

Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2016 und für das erste Halbjahr 2017 ist erschienen. Die GKKE hat die damit neu verfügbaren Zahlen ebenso analysiert wie Jan van Aken (MdB Die LINKE). – Mehr dazu im neuen Newsletter.

Ebenfalls neu verfügbar sind eine ganze Reihe von Filmen, die sich mit Fragen von Krieg und Frieden auseinandersetzen. André Maertens gibt eine Übersicht und Anregungen für kommende Sommer-Kino-Abende.

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DAKS-Newsletter Juli 2017

Frieden geht! – Staffellauf 2018 gegen Rüstungsexport

Vom 21. Mai bis 02. Juni 2018 wird ein Staffellauf gegen Rüstungsexporte und für friedliche Konfliktlösungen von Oberndorf bis Berlin stattfinden. Ein Kreis aus verschiedenen Trägerorganisationen plant, dass die Wegstrecke im Gehen und Joggen sowie als Halb- und Marathonläufe zurückgelegt wird. Passiert werden unter anderem Furtwangen, Freiburg, Offenburg, Karlsruhe, Mannheim, Frankfurt, Fulda, Kassel, Eisenach, Erfurt, Jena, Halle, Magdeburg und Potsdam. Laut Umfragen sind viele Menschen in Deutschland mit den Rüstungsexporten nicht einverstanden. Der  Staffellauf  wird deshalb ein unübersehbares Zeichen dagegen setzen.  Die Veranstalter wollen mit dieser großangelegten Aktion nicht nur Menschen aus der Friedensbewegung ansprechen, sondern auch aus viele anderen Gruppierungen (wie z. B. Sportverbände und Kultureinrichtungen) erreichen.

Die Bundesrepublik Deutschland ist weltweit der drittgrößte Rüstungsexporteur von Kleinwaffen (Pistolen und Gewehre) und der fünftgrößte Rüstungsexporteur von Großwaffensystemen (Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und Kampfpanzer). Deutsche Waffen werden an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten exportiert. Mit ihnen werden schwere Menschenrechtsverletzungen verübt und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben oder getötet. Einer Umfrage zufolge sind die Deutschen mehrheitlich der Ansicht, dass es nicht richtig ist, Waffen ins Ausland zu liefern. Deshalb fordern die Initiatoren: Kriegswaffen und Rüstungsgüter dürfen nicht exportiert werden!

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist es, den Export von Kleinwaffen und Munition sowie Kriegswaffen und Rüstungsgütern an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten zu verbieten. Darüber hinaus sollen staatliche Hermesbürgschaften zur Absicherung der Rüstungsexporte und Lizenzvergaben zum Nachbau deutscher Kriegswaffen beendet werden. Die Rüstungsindustrie muss auf eine sinnvolle, nachhaltige und zivile Fertigung umgestellt werden.

Aktuell besteht der Trägerkreis aus dem RüstungsInformationsBüro e.V., Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!, den Bundesverbänden von Attac und der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen), IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.), der Evangelischen Landeskirche in Baden und der GPI (Gesellschaftspolitische Initiative Norbert Vöhringer, Karlsruhe e.V.). Um weitere interessierte Einzelpersonen und Organisationen als Unterstützer oder Träger für die Planung des Events zu gewinnen, fand am Freitag, den 16. Juni, im DGB-Haus Frankfurt eine erste Multiplikatoren-Konferenz statt. Jürgen Grässlin, Sprecher der DFG-VK, des RüstungsInformationsBüro und der Aktion Aufschrei motivierte die Anwesenden mit erschreckenden Zahlen: Deutschlands Waffenexporte sind 2016 gestiegen, allein die Einzelgenehmigungen zur Ausfuhr von Munition von Kleinwaffen wurden von 2015 bis 2016 mehr als verzehnfacht. Sechs der zehn führenden Empfängerstaaten deutscher Kriegswaffen sind in den ersten vier Monaten 2017 weder NATO-Mitglieder, NATO-assoziiert noch EU-Mitglieder – unter ihnen drei kriegsführende Staaten. „Das ist verboten! Diese skrupellose Politik muss beendet werden“, sagte Grässlin.

Das Treffen mit 30 Aktiven aus fünf verschiedenen Bundesländern konnte viele kreative Impulse produzieren, mit denen die Vorbereitung für den Staffellauf und die begleitenden Veranstaltungen an der Strecke nun konkreter werden kann. „Die Tatsache, dass für diesen Lauf bundesweit Friedensbewegte, Läuferinnen und Kulturschaffende auf diese Art zusammenfinden werden, ist einmalig“, bemerkte Gisela Konrad-Vöhringer von der GPI.

Am 14. Oktober findet eine zweite Konferenz statt, zu der auch neue Gesichter gerne eingeladen sind. Potentielle OrganisatorInnen oder LäuferInnen erhalten weitere Informationen unter www.frieden-geht.de.

Rüstungsexporte in Konfliktregionen sind Brandbeschleuniger“

Kirchen fordern ein wirksames Rüstungsexportkontrollgesetz

Pressemitteilung der GKKE

Eine nach wie vor problematische Genehmigungspraxis von deutschen Rüstungsexporten konstatiert die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Dem Rüstungsexportbericht 2016 der Bundesregierung ist ein höchst bedenklicher Anstieg bei den Kleinwaffenexportgenehmigungen auf 46,9 Mio. Euro in 2016 zu entnehmen; ein Wert, der rund 15 Mio. Euro über dem von 2015 liegt. Immerhin noch 35 Prozent davon entfallen auf Drittländer außerhalb von NATO und EU. Im ersten Quartal 2017 sind die Genehmigungswerte insgesamt um das Fünffache gegenüber dem Vorjahreszeitraum von ca. 4 Mio. auf 22,1 Mio. Euro gestiegen. „Und dies trotz der Kleinwaffengrundsätze der Bundesregierung von 2015, die zu einem nachhaltigen Rückgang der Genehmigungen führen sollten“, kritisiert Prälat Dr. Karl Jüsten, der katholische Vorsitzende der GKKE den jüngsten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung. Zu beanstanden sei insbesondere, dass im Jahr 2016 erneut Kleinwaffen im Wert von 2,8 Mio. Euro an die kurdische Regionalregierung zur Unterstützung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ geliefert wurden. Damit werde ein semistaatlicher Akteur in einer akuten Konfliktsituation nun schon seit über zwei Jahren anhaltend unterstützt.

Noch immer gingen weit mehr als die Hälfte der Einzelausfuhrgenehmigungen an Drittstaaten, oft in Konfliktregionen oder Länder mit problematischer Menschenrechtslage, betont Prälat Dr. Martin Dutzmann, der evangelische Vorsitzende der GKKE. Bei den tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen, die 2016 mit 2,5 Mrd. Euro um rund eine Milliarde über dem Wert von 2015 lagen, gingen sogar über 90 Prozent (rund 2,3 Mrd. Euro) an Drittstaaten. „Wir hatten aus guten Gründen in 2015 die Panzerlieferungen samt den Genehmigungen nach Katar aufs Schärfste kritisiert und einen Stopp für sämtliche Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien gefordert. Beide Länder stehen im Verdacht, den islamistischen Terror zu finanzieren. Die aktuelle Verstärkung der Spannungen erhöht das Risiko einer regionalen Konflikteskalation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Dies zeigt die große Gefahr, dass Waffenexporte in Konfliktregionen als Brandbeschleuniger wirken.“ Die Bundesregierung genehmigte im vergangenen Jahr Rüstungsgüter im Umfang von 529 Mio. Euro nach Saudi-Arabien und lieferte u. a. 33 Kampfpanzer nach Katar. „Diese Region braucht nicht mehr Waffen, sondern eine politische Initiative zur Friedensförderung“, so Dutzmann.

Die GKKE-Vorsitzenden fordern ein wirksames Rüstungsexportkontrollgesetz. Nur auf diesem Weg könne der dauernde Widerspruch zwischen restriktiven gesetzlichen Grundlagen und politischen Leitlinien einerseits und der laxen Genehmigungspraxis andererseits beendet werden. „Die anhaltend problematische Genehmigungspraxis in der Rüstungsexportpolitik schwächt die Legitimität der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“, erläutert Prälat Jüsten. „Sie konterkariert die friedenspolitischen Leitlinien, die die Bundesregierung am 7. Juni unter der Überschrift ‚Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern‘ veröffentlicht hat und die unter der Federführung des Auswärtigen Amtes erstellt wurden.“

Die GKKE hatte in ihrem Rüstungsexportbericht 2016 bereits Vorschläge für ein neues Gesetz vorgelegt und sich damit auf einen Konsultationsprozess bezogen, den Bundesminister Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister angestoßen hatte. „Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung zügig entsprechende Schritte einleitet und dies auch im Koalitionsvertrag verankert. Denn es geht um die Glaubwürdigkeit deutscher Friedens- und Sicherheitspolitik“, fordert Prälat Dutzmann.

Stichpunkte und Argumente der GKKE zum Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2016 und zum Zwischenbericht für die ersten vier Monate 2017

Die Zahlen:

  • 2016 erteilte die Bundesregierung Einzelgenehmigungen im Wert von 6,85 Mrd. Euro. 2015 lag dieser Wert bei 7,86 Mrd. Euro. Es handelt sich also um einen Rückgang um ca. 13 Prozent der Werte der erteilten Einzelgenehmigungen.
  • Der Wert für die 2016 genehmigten Sammelausfuhren beläuft sich auf 58,7 Mio. Euro und ist damit sehr stark zurückgegangen. 2015 lag er noch bei 4, 96 Mrd. Euro.
  • Insgesamt wurden damit 2016 Rüstungsexporte in Höhe von 6,91 Mrd. Euro genehmigt. Ein Rückgang von ca. 46 Prozent gegenüber 2015 (12,81 Mrd. Euro).
  • Die Einzelgenehmigungen für Kriegswaffen belaufen sich 2016 auf einen Gesamtwert von 1,88 Mrd. Euro (2015: 2,87 Mrd.). 1,39 Mrd. Euro davon entfallen auf Drittländer. Das entspricht einem Anteil von ca. 74 Prozent.
  • Die tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen lagen für 2016 bei einem Wert von 2,5 Mrd. Euro und damit um ca. eine Milliarde über dem Wert von 2015 (1,56 Mrd. Euro). Über 90 Prozent davon (rund 2,3 Mrd. Euro) gingen an Drittstaaten. Dazu zählen u. a. 33 Kampfpanzer und 19 Panzerhaubitzen für Katar.
  • Der Anteil der Exporte an Drittländer bleibt mit einem Genehmigungswert von 3,67 Mrd. Euro auch im Hinblick auf sämtliche Rüstungsgüter weiterhin hoch. Er entspricht ca. 54 Prozent der Einzelausfuhrgenehmigungen (2015: 59 Prozent).
  • Zu den Hauptempfängern unter den Drittstaaten zählen Algerien mit Einzelgenehmigungen im Wert von etwas über 1,4 Mrd. Euro, Saudi-Arabien mit 529 Mio. Euro und Ägypten mit 399 Mio. Euro.
  • Der Genehmigungswert für Kleinwaffen liegt 2016 bei 46,9 Mio. Euro; ein Anstieg um ca. 45 Prozent im Vergleich zu 2015 (32,4 Mio. Euro). Genehmigungen im Wert von 16,4 Mio. Euro entfallen dabei auf Drittländer. Das entspricht einem Anteil von ca. 35 Prozent. 2,8 Mio. Euro davon entfallen auf Lieferungen in den Irak und sind für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) vorgesehen.
  • Im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. April 2017 wurden Einzelausfuhrgenehmigungen in Höhe von 2,42 Mrd. Euro erteilt. Der Anteil der Drittstaaten liegt mit 1,31 Mrd. Euro bei ca. 54 Prozent. Der Gesamtwert der Genehmigungen für Kleinwaffen belief sich in diesem Zeitraum auf 22,1 Mio. Euro.

Bewertung:

  • Die Genehmigungspraxis der Bundesregierung bleibt aus Sicht der GKKE problematisch. Zwar können wir für 2016 einen deutlichen Rückgang bei den Gesamtgenehmigungswerten beobachten. Allerdings ist der Wert für Einzelgenehmigungen 2016 mit 6,85 Mrd. Euro immer noch der zweithöchste Genehmigungswert, seit diese Daten öffentlich verfügbar sind. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr ist also insbesondere dem Rekordwert für 2015 geschuldet.
  • Problematisch erscheint insbesondere der nach wie vor hohe Anteil von Rüstungsexporten an Drittstaaten. Bei den Genehmigungen für Kriegswaffen liegt er für 2016 sogar bei 74 Prozent und bei den tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen sogar bei über 90 Prozent.
  • Die GKKE betont jedoch erneut, dass sich ihre Bewertung der Genehmigungspraxis als „problematisch“ nicht alleine und auch nicht primär aus den Gesamtwerten ableitet. Die GKKE kritisiert vielmehr, dass sich unter den Empfängerländern mehrere Staaten befinden, welche aus friedensethischer Sicht als Empfänger von Rüstungsgütern äußerst problematisch sind.
  • Hervorzuheben sind in dieser Hinsicht vor allem die Fortsetzung der Lieferung von Kriegswaffen und Rüstungsgüter an Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition, die im Jemen Krieg führt. Sowohl auf Saudi-Arabien selbst, wie auch auf Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate entfallen signifikante Genehmigungswerte. Als besonders problematisch bewertet die GKKE die fortgesetzte Erteilung von Genehmigungen für die Lieferung von Teilen von Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern an Saudi-Arabien. Die GKKE hat diese Genehmigungspraxis bereits in den vergangenen Jahren kritisiert und ist nach wie vor der Ansicht, dass solche Genehmigungen nicht einfach mit dem Verweis auf Gemeinschaftsprogramme mit anderen Ländern entschuldigt werden können. Aus Sicht der GKKE verstoßen sie gegen die Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU zur Ausfuhr von Militärgütern und Militärtechnologie. Die Bundesregierung ist deshalb dringend dazu angehalten, zusammen mit den europäischen Partnern, diese Exportpraxis an Saudi-Arabien zu stoppen.

Auswertung Rüstungsexporte Januar bis April 2017

von Jan van Aken (MdB DIE LINKE)

Am 14. Juni 2017 hat dasWirtschaftsministerium einen Rüstungsexport-Zwischenbericht für den Zeitraum Januar bis April 2017 vorgelegt.

Die wichtigsten Fakten

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben im Jahr 2017 bislang – trotz ihres Krieges im Jemen – deutsche Rüstungsgüter im Wert von € 128.249.647 (Saudi-Arabien: 48.205.642, VAE: 80.044.005) beziehen können. Nach Saudi-Arabien wurde der Export von Patrouillenbooten und Teilen für Feuerleiteinrichtungen genehmigt.

54,3 % aller Rüstungsexportgenehmigungen entfielen im Zeitraum Januar bis April auf Drittländer, also Staaten außerhalb der EU und der NATO.

Unter den Top-10-Beziehern deutscher Rüstungsgüter finden sich sechs Drittländer: Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Algerien, Ägypten, Singapur und Südkorea.

Der Export von Kleinwaffen in Drittländer hat sich im Zeitraum Januar bis April 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum vervielfacht: von € 51.597 auf € 7.831.969.

Für die Türkei hat die Bundesregierung in der ersten vier Monaten 2017 Rüstungsexportgenehmigungen imWert von € 21.982.636 erteilt.

Heckler & Koch auf dem Balkan: Länderbeispiel Montenegro

Das ehemals zur Republik Jugoslawien gehörende Montenegro ist als 29. Staat in die NATO aufgenommen worden. Damit endet ein langer Verhandlungs- und Aufnahmeprozess. Aus Sicht der russischen Regierung von Wladimir Putin und auch für viele serbische Nachbarn mag dies als negative Entwicklung gelten, überraschend kommt der jetzige Schritt aber natürlich nicht. Und wie immer, wenn Armeen und andere bewaffnete Kräfte sich neu zuordnen oder reformieren, geht es auch um Kriegsmaterial. Im Fall von Montenegro hat die waffentechnische Anpassung an westliche Waffentypen und -firmen schon stattgefunden, wird aber vermutlich noch verstärkt weitergehen. Heckler & Koch ist hierbei im Kleinwaffenbereich der Hauptlieferant. Wie bei den anderen früheren jugoslawischen Teilrepubliken und den meisten vormals dem Warschauer Pakt zugehörigen Staaten geht es bei den neugelieferten Schnellfeuergewehren um Modelle im Kaliber 5,56 x 45 mm NATO, dem Standardkaliber der westlichen Armeen. Beispielsweise haben die Streitkräfte von Kroatien, Albanien, Polen und die baltischen Staaten G36-Gewehre als zusätzliche oder als Standardwaffe importiert bzw. die Firma hat solche Waffen exportiert – Montenegros Militär zieht nun nach. Auch Soldaten aus dem Nachbarland Kosovo, obwohl nicht NATO-Mitglied und nicht von allen NATO-Staaten anerkannt, tragen dieses Gewehr. Wo früher die Modelle aus der Kalaschnikow-„Familie“ vorherrschend waren, sind nun ebenso amerikanische M4-Karabiner und G36-„assault rifles“ im Einsatz.

Und die Bundeswehr hilft in Montenegro beim Training: Offizielle Ausbildungsprogramme finden bereits statt, bei denen die deutschen Soldaten auf die aus der eigenen Armee vertrauten Waffen stoßen, neben dem G36 und dem Anbaugranatwerfer AG36 auch die MP5 und die MP7, plus mancherorts auch Pistolen aus Oberndorf. Einige Eigenentwicklungen der neuen NATO-Staaten sowie die aus westlichen Staaten importierte Waffen haben ebenfalls das Kaliber 5,56 NATO, zum Beispiel das Gewehr FN F2000 aus Belgien, der M4-Karabiner aus den USA und das HK416-Gewehr aus Deutschland. So ist also für die Soldaten dieser neuen NATO-Staaten die Munitionsversorgung für viele „neue“ Waffen kein Problem, denn die Standardpatrone passt fast überall. Natürlich wäre dies ein Argument für die Waffenhersteller (nicht nur für H&K), bei zukünftigen Entwicklungen entweder beim Kaliber 5,56 NATO zu bleiben oder – wie dies die Bundeswehrführung gerade bei der Suche nach einem G36-Nachfolger tut – ein modulares Gewehr zu fordern, bei dem Kaliberunterschiede kein Hemmschuh in der Munitionsplanung sind.

Bleibt die Frage, wie diese Entwicklung im mittleren und südlichen Osten Europas weitergeht. Zum einen ist Neuausrüstung mit Waffen (hier Gewehren und ähnlichen Handfeuerwaffen) immer eine Kostenfrage, wenn man Kaufpreis, Ausbildung und Integration ins gesamte Ausrüstungssystem bedenkt. Zum anderen wird in den letzten Jahren ein Systemwechsel vollzogen. Die Ära Kalaschnikow geht für diese Armeen zu Ende. (Ähnliches gilt sehr wahrscheinlich für andere Markennamen wie Tokarew im Pistolenbereich.)

Und offen bleibt ebenso die Frage, wie diese H&K-Waffen eingesetzt werden (eventuell in zukünftigen Konflikten in der Region, möglicherweise zwischen Serbien und dem Kosovo) und ob aktuelle Exporte anstehen. Die Bundesregierung meldete in ihren Rüstungsexportberichten in den letzten Jahren keine größeren Lieferungen nach Montenegro, der Zwischenbericht 2016 spricht für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2016 von einigen (nicht weiter spezifizierten) Genehmigungen im Wert von ca. 34.000 Euro und der Rüstungsexportbericht 2015 vermerkt Genehmigungen für Munition für Gewehre, Jagdwaffen und Sportwaffen sowie für Zielfernrohre im Gesamtwert von etwas mehr als 9000 Euro. Montenegro ist demnach kein „major recipient“, zumindest, was die in diesen Publikationen verzeichneten Rüstungslieferungen angeht. Nach dem NATO-Beitritt rückt das Land allerdings in eine Kategorie auf und wird sicherlich weiter ausgerüstet werden (wollen). Die Waffenhersteller freut das.

Genauso drängt die Frage, ob versucht wurde, den Verbleib der G36-Exportwaffen im Lande zu sichern – über die unsinnigen „Endverbleibsklauseln“ hinaus! Und wie bei allen Exporten kann man auch hier annehmen, dass die eventuell entstehenden „Überschusswaffen“ wieder nicht sicher entsorgt werden: Wäre es Zeit für eine Anfrage einer der oppositionellen Bundestagsparteien? Passt das in deren Wahlkampf?

Heckler & Koch in den USA: Keine Aussicht auf einen Vergleich?

Noch immer sieht sich Heckler & Koch in den USA mit einer Schadenersatzklage konfrontiert (siehe DAKS-Newsletter 02/2017). Orbital ATK, in dessen Auftrag HK in der Vergangenheit das Abschussgerät für das XM25-Granatsystem entwickelt hatte, verklagte den deutschen Kleinwaffen-Hersteller auf Schadenersatz in Höhe von 27 Millionen Dollar, weil zusätzliche 20 Prototypen des Granatwerfers nicht geliefert worden seien.

Heckler & Koch bemühte sich um einen außergerichtlichen Vergleich, der jedoch von Orbital ATK abgelehnt worden ist. Wie es mit dem Verfahren nun weiter geht und ob HK den Schadenersatz leisten muss, ist derzeit genau so unklar wie die Frage, wie es mit dem XM25-Granatsystem weitergehen wird.

Informationsstelle Militarisierung berichtet über Einrichtung von EU-Rüstungshaushalt

Unter der Überschrift „EUropas Rüstungshaushalt. Kommission legt detaillierten Fahrplan vor“ informiert Jürgen Wagner über die Pläne, unter dem Namen „Verteidigungsfonds“einen EU-Rüstungshaushalt einzurichten. Es soll dabei, so Wagner, einen Rüstungsforschungshaushalt und einen Beschaffungshaushalt geben, für beide zusammen seien etwa 5,5 Mrd. Euro vorgesehen. Ignoriert werde dabei, dass es nach EU-Vertrag eigentlich verboten ist, dass EU-Haushaltsgelder für den Rüstungssektor verwandt werden. 2021 soll es schon losgehen, bis dahin sollen die Mitgliedsländer etwa 4 Mrd. Euro für den geplanten Beschaffungshaushalt zusammentragen, doch das sei erst der Anfang viel größerer Summen. Zu Recht schreibt Wagner deshalb: „Bei der Rüstungsindustrie dürften angesichts dieser Summe die Korken knallen!“ Er weist darauf hin, dass bereits in den Jahren 2019 und 2020 ein „European Defence Industrial Development Programme“ beginnen soll. Das Ganze stehe in einem direkten und eine düstere Zukunft versprechenden Zusammenhang mit dem EU-Plan für Militarisierungsszenarien, durch den „faktisch eine Art Zweit-NATO“ entstehen würde, wie Wagner ausführt. Von Seiten des Europaparlaments sieht er kaum Hoffnung auf Widerspruch gegen den Rüstungshaushalt, doch bei der Schaffung eben jener EU-weiten „Verteidigungsunion“ kann er sich „starke Vorbehalte bei vielen Mitgliedsländern“ vorstellen, da dies bedeuten würde, dass „große Teile der nationalen Militärpolitik an Brüssel abgetreten“ werden müssten.

Genauere Informationen und Zahlen zu diesem Thema (und weitere Links und Texte zu der gesamten Thematik) gibt es in dem betreffenden IMI-Standpunkt 2017/15.

Rechts um? – Über eine fatale Entwicklung der Bundeswehr

Ein Kommentar von André Maertens

Wie bereits im DAKS-Newsletter Juni 2017 diskutiert wurde, ist die Frage bisher ungelöst, wie mit den deutlich erkennbaren rechtsnationalen und neonazistischen Strömungen in der Bundeswehr umgegangen werden soll bzw. mit der für solche kriminellen Personen ganz offensichtlich anfälligen Organisation als Ganzes. Bundesmilitärministerin von der Leyen sieht weg, macht gern medien- und wahlkampftaugliche Sprüche und verschuldet damit eine Entwicklung, die am Ende fatal enden könnte, wie eben nicht nur der Fall Franco A. (der ja noch nicht abgeschlossen ist) zeigt. Das ARD-Magazin Kontraste berichtete am 22. Juni über strukturelle neonazistische Probleme im deutschen Militär, die von dem angeblich so radikalen Vorgehen der Ministerin unberührt bleiben. Caroline Walter und Christoph Rosenthal decken in ihrer Reportage mit dem Titel „Hat die Verteidigungsministerin versagt?“ bereits lange bestehende und äußerst aktive Wehrmachstraditionen in der Bundeswehr auf (etwa bei Fallschirmjägereinheiten) und sie zeigen, wie weitverbreitet das Verschweigen von rechtsextremen Vorfällen in Bundeswehrkasernen und Regierungsberichten ist. Interviewt werden sehr aufschlussreich die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die mit anderen zusammen auch Anfragen zum Thema stellte, und der Militärhistoriker Detlef Bald, der ein Versagen der „oberen und obersten Führung, der Vorgesetzten“ erkennt. Besonders drastisch ist ein Fall in Neuburg an der Donau: Das dort ansässige Taktische Luftwaffengeschwader 74 trug viele Jahre den Namen des NS-Kriegsverbrechers Werner Mölders, 2005 wurde dieser Name aus der offiziellen Bezeichnung des Geschwaders getilgt. Doch noch heute wird Mölders dort mit einer auf dem Kasernengelände Veranstaltungen abhaltenden Gesellschaft, einer Zeitschrift und mit einem Gedenkstein „geehrt“, was die Ministerin auf Anfrage von Kontraste wider besseres Wissen verneinte!

Dass auf Internetseiten und in Unterorganisationen der Bundeswehr offen mit Nazis und Kriegsverbrechern sympathisiert wird und dass viele SoldatInnen damit keinerlei Problem haben (wie im Kontraste-Bericht gut zu erkennen), ist soweit nichts Neues, doch neu ist, dass eine Ministerin vorgibt, „hart“ durchzugreifen, und in Wirklichkeit die Neonazis weitermachen lässt. Warum verschweigt von der Leyen die bestehenden Probleme? Muss erst ein Mensch zu Tode kommen? Oder sollte eine Demokratie nicht vorher entscheiden, dass für sie (d. h. für das Leben aller Menschen in diesem Land, und anderswo!) gefährliche Organisationen nicht weiter existieren sollten? Wer von „Einzelfällen“ spricht, verschließt absichtlich die Augen! Wer weiterhin Neonazis an Waffen ausbildet, wie diese Bundesregierung es aktuell tut, muss später juristisch belangt werden können. Die politische Verantwortung zu übernehmen alleine reicht da nicht, das hat man bei dem CDU-Politiker Helmut Kohl schon gesehen, der einfach so davon kam, trotz Korruption bei Waffenlieferungen. Im Fall der BundeswehrsoldatInnen geht es sehr konkret um die Gefahr von Körperverletzung, Totschlag und sogar Mord und um die Verantwortung der Regierungsmitglieder. Zeit zu handeln, liebe Wahlbevölkerung, nicht nur an der Wahlurne! Drängen Sie Ihre Abgeordneten jetzt dazu, aktiv zu werden, bevor es zu spät ist. Aufklärung und Gefahrenvorbeugung tun not.

Neue Spielfilme zu den Themen Krieg und Kampf

Der Deutsch-Dänische Krieg 1864 ist das Thema der achtteiligen Fernsehserie „1864 – Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges“ (im dänischen Original als „1864“ betitelt) von Ole Bornedal. Als Grundlage für diese Produktion von 2014 diente die 2011 auf Deutsch erschienene Studie „Schlachtbank Düppel, 18. April 1864. Die Geschichte einer Schlacht“ des dänischen Historikers Tom Buk-Swienty. Jene strategisch wichtige dänische Verteidigungsanlage bei den Düppeler Schanzen in Südjütland (im Dänischen „Dybbøl skanser“) ist in den Filmen der Schauplatz einer Belagerungsschlacht, bei der es zu einer Vorentscheidung über den Ausgang des Kriegs zugunsten von Preußen und Österreich kam. Die Serie zeigt Hintergründe und Szenen dieser Kriegsphase, wird aber leider von relativ kitschigen, bisweilen sogar pathetischen Geschichten umrahmt, etwa einer Erzählung über zwei Brüder, die sich in die gleiche Frau verlieben und einander auf dem Schlachtfeld wiedertreffen. Wenn es auch Kritik gab, weil nicht alle historischen Vorgänge und Personen korrekt dargestellt und bezeichnet wurden, sind die Kampfszenen (neben anderen mit dem deutschen Schauspieler Ludwig Trepte) jedoch größtenteils realistisch und angemessen grausam dargestellt. Soldaten zeigen neben Mut auch Angst und Verzweiflung, es gibt keinerlei Figuren mit Heldencharakter oder übernatürlichen Kampffähigkeiten.

In diesem Krieg war die Ausrüstung der preußischen Truppen mit dem Zündnadelgewehr, das Johann Nikolaus von Dreyse ab 1827 im thüringischen Sömmerda entwickelt hatte, einer der entscheidenden Vorteile, weil die deutschen Soldaten so im Liegen und (durch die Einführung der Einheitspatrone, die Geschoss, Treibladung und Zündmittel umfasst) schneller laden konnten, während die dänischen Soldaten noch im Stehen nachladen mussten und so leichter zu treffen waren. Der Einsatz des neuartigen Zündnadelgewehrs in diesem Krieg und auch im folgenden „Deutschen Krieg“, hier besonders bei der „Schlacht bei Königgrätz“, überzeugten (neben modernisierter Taktik auf dem Schlachtfeld) nach und nach viele andere Armeen, die bisherigen Vorderlader abzuschaffen und auf Dreyses Entwicklung umzusatteln bzw. diese weiterzuentwickeln (in Frankreich etwa mit dem verbesserten Chassepot-Gewehr). Abgelöst wurde die Waffe erst von dem von den Brüdern Mauser entwickelten „Modell 71“, für das keine Papierpatrone mehr verwendet wurde, sondern eine Patrone aus Metall.

Ebenfalls um Dänemark und Deutschland (sowie Österreich), allerdings 80 Jahre später, geht es in dem Spielfilm „Unter dem Sand – Das Versprechen der Freiheit“ (Originaltitel „Under sandet“) von Martin Zandvliet. Dieser Film aus dem Jahr 2015 wurde 2017 in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film für einen Oscar nominiert und erhielt zahlreiche andere Preise. Zur Geschichte: Im Mai 1945 erhält der dänische Feldwebel Carl Rasmussen zehn deutsche kriegsgefangene Jungen (meist aus dem „Volkssturm“) zugeteilt, die einen kleinen Teil der zwei Millionen (!) Minen räumen sollen, die deutsche Truppen als Teil des „Atlantikwalls“ an dänischen Küsten und Stränden gelegt hatten. Nachdem Rasmussen die Jungen zuerst mit Hass und Härte behandelt, baut er schließlich eine von Sorge und Mitgefühl geprägte Beziehung zu ihnen auf. Der Film spielt zwar nach den Kampfhandlungen, macht aber sehr gut deutlich, wie gewaltsam Krieg und Kriegsmaterial ist, denn die vorangegangenen Kriegshandlungen der deutschen Soldaten und auch die Minen im Boden lassen kaum Frieden zwischen den Menschen zu.

Außerdem macht der Film auf das meist unbekannte Ausmaß der „Verseuchung“ mit Antipersonenminen und weiteren Minenarten aufmerksam, die von Deutschen im Zweiten Weltkrieg begangen wurde. Akzeptabel ist, dass Deutsche hier als Opfer von Gewalt gezeigt werden, weil es sich um relativ junge Männer handelt. Damit wird auch die Problematik von Kindersoldaten angesprochen, hier solche im Dienst des Nationalsozialismus. (Ein ähnliches Thema ist die „Entsorgung“ von Munition und giftigen Kampfstoffen in der Ostsee, die heute noch für Gefahren sorgt, aber von Behördenseite ignoriert wird.)

In der Welt von Superman, Batman und anderen „Superhelden“: Kann eine starke, smarte, selbstbewusste Frau einen Wechsel bringen? Gibt es einen Unterschied zwischen Wonder Woman und ihren männlichen Kollegen? Ist es im von Kampf, Ehre, Destruktion und „Männlichkeits“-Gehabe erfüllten Superhelden-Universum möglich, wirklich andere Geschichten zu erzählen? – Wonder Woman gibt es bereits seit gut 75 Jahren, viele Wechsel in der Darstellung und Interpretation dieser Figur haben seitdem stattgefunden, in Comics, Filmen, Animationen, Fernsehserien und anderen Medien. Nun gibt es zum ersten Mal einen Film (Regisseurin: Patty Jenkins), dessen Protagonistin diese Superheldin ist, und ein genauerer Blick darauf lohnt sich. Denn die Figur der Wonder Woman (gespielt von Gal Gadot) hat Witz und Selbstironie und sie zeigt Menschlichkeit. Und dass durch die Rollenumkehr die angebliche Sekretärin ihren männlichen Vorgesetzten vor Kugeln und anderen Angriffen rettet, hat durchaus etwas für sich, wie auch die positive Zeichnung ihrer Herkunftslandes, einem Amazonenreich.

Doch am Ende mündet der emanzipatorische Ansatz in die altbekannte „Helden“-Schlacht und ein apokalyptisches Untergangsgemetzel ohne Sinn und Zweck. Und was für eine krude Story: Der General Ludendorff soll in Wirklichkeit der griechische Kriegsgott Ares sein, der den Ersten Weltkrieg auslöst, noch dazu wurde die ursprünglich im Zweiten Weltkrieg spielende Geschichte der Wonder Woman in den Ersten Weltkrieg verlagert, sodass Wonder Woman nun nicht gegen Wehrmachtssoldaten, sondern gegen solche des Kaisers kämpft, aber was soll´s… Zudem empört das Szenario des Films: Denn einer Fantasiewelt entsprungene Kampfszenen mögen ja noch angehen – gerne auch mit echt aussehenden deutschen Soldaten als Schurken und als Kanonen- bzw. Schwertfutter –, aber die Art, wie Wonder Woman im Ersten Weltkrieg in Belgien über das Niemandsland der Front „spaziert“, ohne von den Maschinengewehren zerrissen und von den Explosionen zerfetzt zu werden, hat dann auch nichts mehr mit der möglicherweise sinnvollen Beschäftigung mit (Allmachts-)Fantasien oder berechtigter Lust der ZuschauerInnen am Abenteuer zu tun, sondern ist schlicht Geschichtsfälschung. Und als solche sollte diese Kriegsverharmlosung vom Publikum entsprechend honoriert werden: mit negativer Kritik. Automatische Schusswaffen töten, da kommt ein Superman, ein Spiderman, ein Iron Man und auch eine Wonder Woman nicht drumherum – wie (nur als ein Beispiel) eben auch die Soldaten des Stellungs- und Grabenkriegs nicht.

Wer mehr über die subversive Kraft der Idee einer „Wonder Woman“, über die Diskussionen über ihr Weißsein und ihre Adelsherkunft und über den durch verschiedene ZeichnerInnen und SkriptschreiberInnen bedingten Rollenwandel der Wonder Woman erfahren möchte (von der Heilerin zur Kriegerin?) und wen die Debatten um Sexualisierung bzw. Hypersexualisierung dieser Figur in verschiedenen Jahrzehnten interessieren, kann die umfassend recherchierte Studie „Superwomen. Gender, Power, and Representation“ von Carolyn Cocca lesen (2016 bei Bloomsbury Academic, New York/London erschienen, vor allem das Kapitel „‚The Sexier the Outfit, the Fewer Questions Asked‘: Wonder Woman“) – oder einfach den Film ansehen. Denn so oft kommen SuperheldINNEN im Kino nicht vor. Fragt sich nur, wie diese gestaltet sein sollten.

Mel Gibson hat sich seit langer Zeit mit antisemitischen, homophoben und xenophoben Äußerungen hervorgetan und wurde zeitweise von „Hollywood“ sozusagen ausgeschlossen. Nun ist er 2016 (nach „We Were Soldiers“ von 2002, im Deutschen als „Wir waren Helden“ betitelt) als Regisseur einer Kriegsgeschichte ins Kino zurückgekehrt, mit „Hacksaw Ridge“ (deutscher Titel: „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“). Erzählt wird die wahre Geschichte des einfachen US-Soldaten Desmond Thomas Doss (1919-2006), wie bereits in der 2004 erschienenen Dokumentation von Terry Benedict (der auch einer der sieben Produzenten von „Hacksaw Ridge“ ist). Natürlich wird bei Gibson Doss` Geschichte variiert, um aus ihr einen „sehenswerten“ Film zu machen: Doss wird als Patriot dargestellt, dem es nach familiären Problemen durch seinen Glauben nicht gestattet ist, eine (Schuss-)Waffe zu tragen, und nach einigen Schwierigkeiten innerhalb der Truppe darf er schließlich als unbewaffneter Sanitäter in die Schlacht um Okinawa ziehen. Dort rettet er unter eigener Todesgefahr Dutzenden Verwundeten das Leben, wofür er von Präsident Truman ausgezeichnet wird, obwohl er sich geweigert hat, eine Waffe zu benutzen.

Wie schon in Gibsons Vietnam-Film gibt es auch hier keinen Zweifel am Krieg und am Dienst des Mannes in der Armee und der Rolle der Frau als treusorgende Ehefrau und Krankenschwester. Sowohl die Hauptfigur als auch seine Ehefrau Dorothy Schutte werden hollywood-typisch romantisiert dargestellt (gespielt von den ihren historischen Figuren zumindest äußerlich sehr unähnlichen Andrew Garfield und Teresa Palmer). Viele Szenen tropfen geradezu vor Kitsch und Pathos, etwa die Szene, wenn der verletzte Doss am Ende von den Klippen abgeseilt wird, als ob er in den Himmel auffährt (oder von dort herabsteigt?). Auch gibt es keinerlei Fragen nach Ursachen, Hintergründen oder dem Verlauf und den Kampfweisen des Krieges gegen die hier anonym bleibenden Soldaten, die für Japan kämpfen (und unter denen auch Freiwillige aus Ländern des Kaiserlichen / Faschistischen Imperiums waren). Fraglich ist ebenso, warum im Film keine schwarzen US-Soldaten zu sehen sind.

Wodurch der Film aber auffällt und in einigen Szenen sogar besticht, ist die enorme Kraft eines Battle-Splatter-Movies modernster Art. Die Tricktechnik hat hier ein Level erreicht, dass das Grauen des Kriegs deutlich werden lässt, wenn Körper zerstückelt und Menschen vernichtet werden. Wie immer aber: Wenn Frontkampf gezeigt wird, besteht die Gefahr einer Glorifizierung von militärischem Kampf („Seht her, so sehr haben sie gelitten und doch weiter gekämpft!“), durch welche die eigentliche Absicht, das Grauen realistisch bzw. objektiv abzubilden, verfälscht wird und eben keine pazifistische Aussage gemacht wird. So auch bei „Hacksaw Ridge“, denn manche Szenen sind dann doch wieder nach Western-Manier gedreht und geben einen fatalen Abenteuereindruck, etwa wenn Doss/Garfield zwei Granaten im Sprung wegtritt und wegschlägt oder wenn die typischen „männlich harten“ Dialoge der ach so kumpelhaften „Frontschweine“ vorgeführt werden. Zusätzlich geben die patriotische Gesamtstimmung und die intensiv dazwischenfunkende Liebesgeschichte dem Film einen romantischen und harmonisierenden Touch, der das Kriegsthema zu sehr abmildert.

Trotz alledem ist das Fazit, dass zumindest einige Szenen „Hacksaw Ridge“ (hier quasi als Klippe oder Hochplateau zu übersetzen, hinter der oder auf dem eine Metallsäge „wartet“ oder „herrscht“) zu einem bedrückenden oder aufwühlenden Film machen. Spielberg, Hanks und Rodat sind wahrscheinlich neidisch, denn ihre wenigen Minuten „harten“ Kriegsfilms werden von der bei Gibson zu findenden Filmtechnik um ihren historischen Rang gebracht, der „Saving Private Ryan“ oft nachgesagt wurde (zu Unrecht, denn auch dieser Film über US-Soldaten im Kugelhagel kippt bereits im Verlauf der Strandszene in die erträglichere bzw. attraktive Western- und Abenteuersorte um) und auch ihre Mini-Serien „Band of Brothers“ oder „The Pacific“ können da nicht mithalten. Ob Gibson dafür Dank verdient?

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