Tödliche Gesetzeslücke!?

Nach unserer Strafanzeige im Jahr 2010 endete vor dem BGH nun ein langer Prozess mit einem Paukenschlag. Nachdem das LG Stuttgart zwischen 2018 und 2019 den Fall illegaler Waffenexporte von H&K verhandelt hat, in welchem es zum Urteil gelangte, dass die Genehmigung für den Export von rund 4.500 Sturmgewehren nach Mexiko mit bewusst falschen Endverbleibserklärungen (EVE) erschlichen worden war. Doch Schritt für Schritt: Im Jahr 2015 erhob nach fünfjähriger Ermittlungszeit die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf unsere Strafanzeige hin Anklage wegen des Exports von Sturmgewehren in die mexikanischen Bundestaaten Chiapas, Chihuahua, Jalisco und Guerrero. Damit hätte H&K gegen das Außenwirtschaftsgesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Es wurden im Rahmen des Verfahrens auch Führungspersonen von H&K angeklagt. Verurteilt wurde aber am Ende ausschließlich allein eine Sekretärin und ein Vertriebsleiter, jeweils zu Haftstrafen auf Bewährung (LG Stuttgart, Urteil. vom 21.02.2019, Az. 13 KLs 143). Bemerkenswert ist insbesondere, dass der Frage nachzugehen, warum nur die zweite Riege verurteilt wurde einem nicht einfach Gemacht wird.

Das LG Stuttgart ist offensichtlich besorgt um die Persönlichkeitsrechte der Freigesprochenen und gab auf Anfrage zunächst nur eine Urteilsversion heraus, bei der die komplette Begründung für die Freisprüche geschwärzt worden war. Erst auf einen Hinweis auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch hin kommt ein vollständigeres Urteil. Aus diesem ergibt sich dann, dass nach Ansicht des Gerichts den Geschäftsführern und Ausfuhrverantwortlichen bei H&K keine Kenntnis der falschen Endverbleibserklärungen nachgewiesen werden könne. Brisant ist aber, dass ein Geschäftsführer laut den Akten des LKA in einem internen Gespräch davon gesprochen haben soll, die Waffenmenge solle „plausibel“ auf die genehmigungsfähigen Bundesstaaten verteilt werden. Warum hiervon im Urteil nun nichts mehr nichts zu lesen ist, bleibt unklar. Auch das agieren der Staatsanwaltschaft lädt zu Fragen ein. Gegen die Freisprüche im Verfahren wurde seitens der Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt. Allerdings wollte die Staatsanwaltschaft eine härtere Bestrafung der ehemaligen Sekretärin und des ehemaligen Vertriebsleiters von H&K erstreiten. Beide wurden in Stuttgart wegen Erschleichung einer Genehmigung nach §§ 18 Abs. 2, Abs. 9 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Angeklagten hätten nach Ansicht des Gerichts, jeweils Kenntnis davon gehabt, dass die deutschen Behörden die Genehmigung des Exports nach Mexiko nicht erteilt hätten, wenn sie von falschen Endverbleibserklärungen gewusst hätten. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wollte aber neben der Verurteilung nach AWG auch zusätzlich eine Verurteilung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) erreichen. Doch dieses Gesetz kennt den Tatbestand der Erschleichung einer Genehmigung nicht, sondern denjenigen der Lieferung ohne Genehmigung in § 3 Abs. 2 KrWaffKontrG. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft führen die falschen Endverbleibserklärungen zum Wegfall der darauf aufbauenden Genehmigung und in der Konsequenz zur Lieferung ohne Genehmigung. Das LG Stuttgart kam bei der Auslegung des Verwaltungsakts der Genehmigung zu einem anderen Ergebnis. Es stellte bei der Auslegung zentral darauf ab, dass es in den erteilten Genehmigung für H&K wortwörtlich ausschließlich hieß „für den Endverbleib in Mexiko“. Die einzelnen Bundesstaaten aus den gefälschten Endverbleibserklärungen wurden in der Genehmigung nicht nochmal separat erwähnt. Daher ergebe sich auch keine Beschränkung der Genehmigung auf diese Staaten, führte das LG Stuttgart aus. Im Ergebnis steht der Grundsatz der Verwaltungsakzessorietät einer Strafbarkeit entgegen. Verwaltungsrechtlich sei nach Ansicht des LG Stuttgart zwischen Genehmigungsvoraussetzung und Inhalt der Genehmigung zu unterscheiden. Das Strafrecht müsse dies entsprechend beachten. Die falschen Endverbleibserklärungen welche H&K den Behörden vorlegten seien auch weder eine Auflage noch eine Inhaltsbestimmung und ihnen sei auch keine auflösende Bedingung zu entnehmen. Es fehlen nach Auffassung des Stuttgarter Gerichts auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die damit betrauten Behördenmitarbeiter der Entscheidungsbehörden die Beschränkung auf einzelne Bundestaaten in irgendeiner Weise zum Bestandteil der Genehmigung gemacht hätten, oder dies intendiert gewesen sei. „Wir sind überzeugt“ so der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsverkündung, „dass weder eine Endverbleibserklärungen als solche noch der tatsächliche Endverbleib verwaltungsrechtlich zum Bestandteil einer Genehmigung gemacht werden kann“. Das sieht der ehemalige Präsident des Bundesausfuhramtes Dr. Arnold Wallraff anders. Dieser stellte klar: „Verwaltungsrechtlich ist völlig klar, das gehört dazu. Strafjuristen, die sich damit nicht so oft beschäftigen, wenn ich das mal so vorsichtig formuliere, mögen das anders sehen, und so war das wohl in dem in Stuttgart entschiedenen Fall.“ Das Gericht argumentiert schlussendlich damit, es müsse hinnehmen, dass der Gesetzgeber im Kriegswaffenkontrollgesetz – im Gegensatz zum Außenwirtschaftsgesetz – das Erschleichen der Genehmigung nicht als strafbare Handlung bewertet. Gegen diese Argumentation des Gerichts wandte sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Jochen Weingarten, der Vertreter der Bundesanwaltschaft argumentierte in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH Mitte Februar 2021: Die Genehmigung müsse so ausgelegt werden, dass diese sich nur auf die in der Endverbleibserklärungen angegebenen Orte beziehe, denn die Endverbleibserklärungen sei schließlich Teil des Genehmigungsantrags. Ähnlich hatte auch das Landgericht Kiel nach unserer Strafanzeige gegen SigSauer in einer Entscheidung aus 2019 argumentiert. Ihr lag eine Waffenlieferung in die USA durch den Hersteller Sig Sauer zugrunde, die tatsächlich über eine Schwesterfirma aus den USA weiter nach Kolumbien versandt wurde. Das LG Kiel wertete die Endverbleibserklärungen als verwaltungsrechtliche Bedingung. Der weitere Export nach Kolumbien verstoße entsprechend gegen die Bedingung der Genehmigung, sodass die ursprünglich genehmigten Ausfuhren (rückwirkend) ohne Genehmigung erfolgt seien (LG Kiel, Urt. v. 03.04.2019, Az. 3 KLs 3/18). Damit folgt das LG Kiel auch der Einschätzung von Dr. Arnold Wallraff. Allerdings ist bei der anderen Auslegungen durch das LG Stuttgart und den BGH eine planwidrige Regelungslücke im Kriegswaffenkontrollgesetz nicht zu übersehen. Der naheliegendste Gedanke, dass die Behörde statt dem Zentrallager in „Mexiko“ einfach die zulässigen Bundesstaaten in der Genehmigung hätte angegeben können, womit dann alles eindeutig gewesen wäre, erweist sich bei näherer Betrachtung als rechtlich kaum umsetzbar. Verglichen mit Deutschland könnte man sonst Waren nach Baden-Württemberg Verkaufen, nicht aber nach Bayern. Das würde bedeuten, bei einem Verkauf von Waffen an die Deutsche Bundespolizei müsste seitens des Waffenhändlers sichergestellt werden das diese dann nur in den entsprechenden Bundesländern eingesetzt werden würden. Das würde aber auch bedeuten das in diesem Fall, dem Waffenhändler das handeln eines Dritten zugerechnet werden würde. Dies ist Verwaltungsrechtlich jedoch unzulässig. Das Landgericht führt dazu richtigerweise aus, dass die Frage der tatsächlichen Rechtmäßigkeit eines Waffenexports darf sich nicht im Nachhinein durch ein für den Exportantragsteller ungewisses und von ihm nicht zu beeinflussendes Ereignis – in diesem Fall dem tatsächlichen Endverbleib – bestimmen lassen darf. Dies führt im Ergebnis dazu, dass wenn das Waffenunternehmen selbst vom angegeben Ort Waffen weiter exportiert, liegt eine dem Exportantragsteller zurechenbare Umgehung vor. Wenn aber der Waffenhersteller wie im Fall H&K nur weiß, dass der Exporteur selbst sich nicht an die Endverbleibserklärungen halten wird, scheidet nun eine Strafbarkeit nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz damit aus. „Bislang wird von Seiten der Bundesregierung argumentiert, Endverbleibserklärungen seien Teil einer Rüstungsexportgenehmigung und könnten sicherstellen, dass aus Deutschland exportierte Waffen nicht an unerwünschte Empfänger weitergegeben würden,” führt unser Anwalt Holger Rothbauer aus. „Mit dem Urteil, dass die Stuttgarter Einschätzung bestätigt, Endverbleibserklärungen seien kein Bestandteil der Exportgenehmigung, wird ein bisheriges Kernstück der deutschen Rüstungsexportkontrolle ad absurdum geführt. Damit wird bestätigt, was wir bereits seit Jahren kritisieren. Endverbleibserklärungen sind nicht das Papier wert, auf dem sie stehen und werden vielmehr als Feigenblatt für heikle Geschäfte genutzt“, so Rothbauer weiter. Da die Endverbleibserklärungen das Herzstück der deutschen Kriegswaffenexportkontrolle sind, besteht nun eiliger Handlungsbedarf des Gesetzgebers diese planwidrige Regelungslücke zu Schließen. Kurzer Exkurs für Interessierte, was macht eigentlich die H&K-Revision? Auch H&K hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Das Landgericht Stuttgart zog bei H&K die rechtswidrig erzielten Umsätze wegen der erschlichenen Genehmigungen in Höhe von 3,7 Millionen Euro ein. H&K machte in der Revision unter anderem Verjährung geltend. Doch es sah von anfang an schlecht für die Revision aus: Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass die strafrechtliche Vermögensabschöpfung bei verjährten Erwerbstaten mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Beschl. v. 10.02.2021, 2 BvL 8/19). So wurde ein großteil dieser Summe vom BGH bestätigt, ausschließlich für ca. 600.000€ wird nun eine weitere Beurteilung durch das Bundesverfassungsgericht in einem ähnlichen Fall abgewartet.

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