DAKS-Newsletter April 2011 ist erschienen!

Im neuen DAKS-Newsletter fasst Robert Lindner (Oxfam) die aktuellsten Entwicklungen im Arms Trade Treaty-Prozess zusammen. Seit Fazit durchaus ambivalent, denn: „Ein internationales Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels rückt näher, doch Widerstände bleiben.“ Eine Analyse des derzeitigen Diskussionsstandes findet sich in seinem ausführlichen Beitrag im aktuellen Newsletter.

Jürgen Grässlin (DFG-VK / RIB) gibt einen Überblick über die Geschäftsbeziehungen der deutschen Rüstungsindustrie mit den Diktaturen der arabischen Welt. Seine erschreckende Bilanz deckt sich mit der Einschätzung von Otfried Nassauer (BITS), der in einem Interview zu dem Schluss gekommen ist die Waffenindustrie lebe vom Export. – Auch dazu mehr im Newsletter.

Dr. Peter Lock schließlich stellt in einem Beitrag die Entsorge-Problematik von Überschuß- und Altwaffen dar, für deren Vernichtung durch den Gesetzgeber zu wenig Anreize geschaffen wurden.

Und im Heckler & Koch-Lizenzlexikon diesmal: Die Modelle HK 416/417.

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1. Arms Trade Treaty: UN-Prozess spitzt sich zu

von Robert Lindner (Oxfam Deutschland e.V.)

Ein internationales Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels (Arms Trade Treaty, ATT) rückt näher, doch Widerstände bleiben. Dies ist der vorherrschende Eindruck vom zweiten Treffen des UN-Vorbereitungsausschusses (Preparatory Committee, „PrepCom“ – Gespräche von Regierungsvertretern zur Vorbereitung späterer formeller Verhandlungen) zu einem Arms Trade Treaty, das vom 28.2. bis 4.3.2011 in New York stattfand. Die Erwartungen der Beobachter von Amnesty International, IANSA, Oxfam und anderen Control-Arms-Mitgliedern waren nicht sehr hoch, da die erste Runde dieser Gespräche im vergangenen Jahr ein schwaches Ergebnis erbracht hatte und außerdem die Vertreter der Zivilgesellschaft von den Gesprächen weitgehend ausgeschlossen waren (siehe DAKS-Newsletter 10/2010). Vielleicht hat der damalige heftige Protest geholfen, denn diesmal durften die Campaigner allen Debatten beiwohnen und bekamen auch Gelegenheit, ihre Positionen zu präsentieren.

Am 3. März legte der PrepCom-Vorsitzende Roberto García Moritán ein Arbeitspapier vor, das zwar ausdrücklich inoffiziellen Status besitzt, möglicherweise jedoch in Struktur, Form und Inhalt bereits eine erste Skizze für ein künftiges Waffenhandelsabkommen darstellt. Es scheint, dass sich auch hier die intensive Kampagnenarbeit ausgezahlt hat, denn trotz teils erheblicher Mängel enthält das neue Dokument einige wichtigen NRO-Forderungen und berücksichtigt zum Beispiel die „goldene Regel“ für Genehmigungskriterien (siehe unten).

Bedenkliche Lücken

Es bleibt viel zu tun. Die vorläufige Liste der kontrollpflichtigen Rüstungsgüter ist nach wie vor lückenhaft. Zwar sind darin neben militärischen Großwaffen auch Kleinwaffen und leichte Waffen sowie Munition enthalten, doch es fehlen Dual-use-Güter und speziell im Inneren eingesetzte Sicherheitstechnik. Wie verheerend sich Missbrauch damit auswirken kann, zeigen die aktuellen Vorgänge in Nordafrika und einigen arabischen Ländern. So werden zum Beispiel in Libyen erst vor kurzem gelieferte Schusswaffen aus Belgien und Handystörsender aus Deutschland von den „Sicherheitskräften“ des Gaddafi-Regimes eingesetzt, um die libysche Demokratiebewegung niederzuschlagen.

Es ist außerdem noch nicht gesichert, dass Kleinwaffen und leichte Waffen am Ende wirklich durch den ATT erfasst werden. Zwar hat sich die Mehrheit der Regierungen dafür ausgesprochen, doch China und einige andere Staaten wollen das Kontrollabkommen lediglich auf die sieben Großwaffen-Kategorien des UN-Registers für konventionelle Waffen beschränken.

Schwieriger Unterstützer USA

Die USA spielen weiterhin eine problematische Rolle. Trotz seiner grundsätzlichen ATT-Unterstützung lehnt der weltgrößte Waffenexporteur strikt die Einbeziehung von Munition für Kleinwaffen ab und begründet dies mit angeblichen Problemen bei Markierung und Nachverfolgung. Eigenartig ist dabei, dass die USA selbst die Ausfuhr von Munition durchaus kontrollieren. Vermutungen über den Grund für diesen Widerspruch reichen von einem Einknicken der US-Regierung gegenüber der einheimischen Waffenlobby bis zu ihrem Unwillen, über Munitionsexporte offen zu berichten. Die deutsche Delegation signalisierte in New York, gegebenenfalls eine entsprechende Ausnahme bei der Berichtspflicht zu akzeptieren, um Munition im ATT und die USA weiter an Bord zu behalten. Ob ein solches Entgegenkommen besonders hilfreich wäre, darf jedoch bezweifelt werden, da erstens Transparenz eine zentrale Rolle bei Rüstungstransferkontrolle spielt und zweitens eine Reihe weiterer Differenzen zwischen den USA und der ATT-freundlichen Staatenmehrheit besteht. So wurde in New York die besonders strittige Frage, ob ein ATT am Ende im Konsens (Position u.a. der USA) oder mit Mehrheit (gemäß Geschäftsordnung der UN-Generalversammlung) beschlossen werden soll, einstweilen vertagt. Ein weiteres Problemfeld ist die Einbeziehung von Forschung und Technologie. Die USA haben (ebenso wie Kanada) dagegen votiert, da sonst ein Tor zur Kontrolle von Dual-use-Gütern geöffnet würde.

Tauziehen um Menschenrechte

Erfreulicherweise enthält das aktuelle Diskussionspapier im Vergleich zum ersten Entwurf, den Moritán im Vorfeld des Treffens vorgelegt hatte, sehr restriktive Formulierungen zu den Genehmigungskriterien. Hieß es zuvor noch: „States should take into consideration following criteria“, steht darin jetzt: „… shall apply the following criteria“ und „… shall not authorize a transfer if there is a substantial risk…“. Diese Gebots- bzw. Verbotssprache bewegt sich ganz auf der Linie der von Control Arms seit langem geforderten „goldenen Regel“, wonach Staaten keine Genehmigungen für den Transfer von Rüstungstransfers erteilen dürfen, wenn damit das Humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte oder die nachhaltige Entwicklung bedroht würden.

Zum ersten Mal überhaupt akzeptierte sogar China die Aufnahme der Menschenrechte als Genehmigungskriterium, entwertete diesen scheinbaren Sinneswandel jedoch mit dem Vorbehalt, dies solle nur für jene Staaten gelten, die entsprechende völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen seien. Geradezu zynisch war die Haltung von Bahrain, dessen Regierung zur selben Zeit im eigenen Land auf friedlich protestierende Bürger schießen ließ. In New York erklärte die Delegation nämlich, nichts gegen Menschenrechte als ATT-Kriterium zu haben, nur dürften diese nicht „politisiert“ werden. Wie gewohnt sprachen sich Algerien, Russland, Pakistan ganz offen gegen ein Menschenrechtskriterium aus.

Vorentscheidendes Juli-Treffen

Angesichts des Ausmaßes der verbleibenden Differenzen erscheint es heute nur schwer vorstellbar, dass sich die Staaten beim dritten und letzten Treffen des Vorbereitungsausschusses vom 11. bis 15. Juli auf eine konsensfähige Grundlage für ein umfassendes und restriktives Abkommen einigen werden, das dann ein Jahr später, im Sommer 2012, in New York bei einer Verhandlungskonferenz zur Unterschriftsreife gebracht werden könnte. Doch wie Daniel Mack von der brasilianischen NRO Instituto Sou da Paz nach der Konferenz in seinem Blog schrieb: „Niemand hat behauptet, es würde einfach werden!“

Mehr Informationen im Internet:

Kampagnenbündnis „Control Arms“: www.controlarms.org

Dokumentation PrepCom und ATT-Blog –„Arms Trade Treaty Monitor“: http://attmonitor.posterous.com/

Kommentare PrepCom –„Reaching Critical Will“: http://www.reachingcriticalwill.org/legal/att/prepcom2/monitor.html

Visualisierung von ATT-Positionen –„Mapping The Arms Trade Treaty“ www.armstreaty.org

Dictators’ best friend Deutsche Waffenhilfe für die Diktatoren in Ägypten, Libyen und Saudi-Arabien

von Jürgen Grässlin (DFG-VK / RIB)

Im Folgenden geben wir Auszüge aus einem Hintergrundartikel von Jürgen Grässlin wieder, der in Heft 1/2011 der Zivilcourage (Verbandszeitschrift der DFG-VK) auf S. 15-17 erschienen ist. Der vollständige Text, mit Erläuterungen zur Menschenrechtssituation in den betreffenden Ländern und zu weiteren Waffenfirmen, findet sich auf der Internetseite der Zivilcourage.

Tatort Ägypten

Ägyptens Hauptwaffenlieferant waren und sind die USA. Zudem verfügten Mubaraks Sicherheitskräfte über ein reichhaltiges Waffenarsenal – auch aus deutschen Landen. Innerhalb eines Jahres wurde der Genehmigungswert für den Export von Waffen und Rüstungsgütern seitens der Bundesregierung von 33,6 Millionen Euro (2008) auf 77,5 Millionen Euro (2009) mehr als verdoppelt. Geliefert wurden militärische Landfahrzeuge, gepanzerte Fahrzeuge, Teile für Panzer und Kommunikationsausrüstung. Paul Russmann, Sprecher der Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL), wies Ende Januar darauf hin, dass „Ägypten mittlerweile sogar das bedeutendste Empfängerland in der Liste der aus Deutschland belieferten Entwicklungsländer“ ist.

Aufgrund der hohen Opferzahlen sind gerade Einzelgenehmigungen für so genannte „Kleinwaffen“ besonders folgenschwer. Zu ihnen zählen laut Definition der Vereinten Nationen Waffen, die von einer oder zwei Personen getragen werden, beispielsweise Maschinenpistolen, Schnellfeuer- und Maschinengewehre oder Mörser geringeren Kalibers. Dank deutscher Waffentransfers an das diktatorische Regime Mubarak verfügte die für ihre rücksichtslose Vorgehensweise bekannte ägyptische Polizei über Maschinenpistolen des Typs MP5, entwickelt von Heckler & Koch in Oberndorf. Allein im Jahr 2009 hat die Bundesregierung den Export weiterer 884 Maschinenpistolen und Bestandteile im Wert von 866.037 Euro an die Machthaber in Kairo genehmigt, wie sich aus dem entsprechenden Regierungsbericht ergibt.

Tatort Libyen

Libyens Hauptwaffenlieferant war und ist Russland. Allerdings zählte auch Deutschland zu den Geschäftspartnern des diktatorischen Gaddafi–Regimes.

Bereits im Jahr nach der Aufhebung des Waffenembargos von 2004 genehmigte der Bund den Export militärischer Geländewagen. In den Jahren danach erteilte die jeweilige Bundesregierung die Genehmigungen zum Transfer von Hubschraubern und Hubschrauberteilen, Kommunikationsausrüstung, Splitterschutzanzügen und Störsendern nach Libyen. Leider sind diese Störsender optimal dazu geeignet, die Kommunikation der Widerstandsbewegung per Handy, Twitter oder Facebook zu unterbinden und sind damit äußerst effizient in den Händen des Regimes.

In Tripolis, der Hauptstadt Libyens, unterhält die EADS eigens eine Repräsentanz (erreichbar über Tel.: +218 21 335-1026, Fax: -1275). Bereits im August 2007 bestätigte die EADS auf ihrer Homepage, dass Verhandlungen für einen Vertrag über die Lieferung des Panzerabwehrsystems Milan durch MBDA „heute nach 18-monatiger Diskussions- und Verhandlungsdauer abgeschlossen“ worden seien. Bei der MBDA handelt es sich um ein Rüstungsunternehmen, bei dem die EADS und BAE Systems mit je 37,5% die führenden Anteilseigner stellen. Damals stand nach Firmenangaben auch der „Vertrag über die Lieferung eines sicheren Tetra-Kommunikationssystems […] kurz vor dem Abschluss“.

Um eine imageschädigende Diskussion in Deutschland zu vermeiden, sollte der Export der Panzerabwehrraketen Milan – geschätzter Wert dieses Waffendeals: 168 Millionen Euro – seitens der EADS-Tochter MBDA über Frankreich erfolgen. Desgleichen sollte der Deal der EADS-Kommunikationssysteme für 128 Millionen Euro über den Vertragspartner Frankreich abgewickelt werden. Geschickt gemacht, denn das vermeintliche Saubermann-Image konnte die EADS hierzulande wahren.

Von 2008 auf 2009 verdreizehnfachte die Bundesregierung das Genehmigungsvolumen deutscher Waffentransfers auf 53 Millionen Euro. Wenn die Demokratiebewegung vor allem in Tripolis und anderen Städten unterdrückt wird und Menschen zu Abertausenden aus Libyen fliehen müssen, dann trifft auch die Verantwortlichen in Berlin Mitschuld.

Die Frage, inwiefern von Deutschland aus auch illegal Waffen an das Regime Gaddafi geliefert worden sind, ist offen. Anfang März 2011 tauchte ein erster Kurzfilm auf der Internet-Plattform YouTube auf, der augenscheinlich den Einsatz von G36-Gewehren in den Händen der Familie Gaddafi belegt. Die Sturmgewehre, entwickelt von Europas „tödlichstem“ Unternehmen Heckler & Koch, zählen zu den treffsichersten Waffen weltweit. Ihre Fertigung erfolgt in Oberndorf und in Santa Bárbara Sistemas (Spanien) – und alsbald auch in Saudi-Arabien.

Die Bundesregierung muss klarstellen, ob sie der Heckler & Koch GmbH oder dem Lizenznehmer Santa Bárbara Sistemas eine G36-Ausfuhrgenehmigung für Libyen erteilt hat. Falls nicht, muss sie der Öffentlichkeit mitteilen, über welche widerrechtlichen Kanäle die Sturmgewehre in die Konfliktregion Libyen gelangt sind und welche strafrechtlichen Schritte sie gegen den oder die Verantwortlichen eingeleitet hat.

Auch an die Adresse der Münchener Staatsanwaltschaft sind Fragen zu richten: Aus welchem Grund wurde das Verfahren gegen Saif Gaddafi, zweitältester Sohn des Diktators, trotz offensichtlichen Waffenhandels Anfang 2011 eingestellt? Handelt es sich bei dem in dem YouTube-Video gezeigten G36-Gewehr um die Waffe, die nach Paris und dann möglicherweise nach Libyen geschmuggelt wurde?

Tatort Saudi-Arabien

Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung listet bei Einzelgenehmigungen in Drittländer auf, welche Kleinwaffenexporte genehmigt worden sind: Demnach durften im Jahr 2007 ganz legal 5.135 Gewehre im Wert von 7,3 Millionen Euro nach Saudi-Arabien exportiert werden. Insgesamt betrug die Summe der Ausfuhren kommerzieller Kriegswaffen nach Riad allein im Jahr 2007 10,1 Millionen Euro.

Zurzeit wird in Saudi-Arabien in Lizenz von Heckler & Koch ein Produktionswerk für das Sturmgewehr G36 errichtet. Laut Aussagen von Insidern, soll die Oberndorfer Waffenschmiede allein durch dieses Projekt einen Umsatz 220 Millionen Euro verbuchen können – fast soviel wie der Jahresumsatz 2009 der gesamten Heckler & Koch GmbH, der bei 235 Millionen Euro gelegen hat. Mit Blick auf erfolgreich verlaufende Waffengeschäfte meldete das Unternehmen Ende Februar 2011, man erwarte für das zurückliegende Geschäftsjahr eine „deutliche Umsatz- und Ergebnissteigerung“.

Seit 2008 wird Saudi-Arabien sogar in den Top Ten der Empfängerländer deutscher Waffen geführt – Tendenz weiter steigend. Die Bundesregierung unter der Führung von Angela Merkel befürwortete in den Jahren den Export all der „Geräte“, deren Besitz das Herz eines Diktators und seiner Schergen höher schlagen lässt. 2009 genehmigte der Bund unter anderem den Export von Teilen für Feuerleiteinrichtungen, Bodenüberwachungsradar, Teile für Tank- und Kampfflugzeuge, Tankflugzeuge, Teile für Raketen, Granaten, elektronische Kampfführung und Grenzsicherungssysteme.

Der Transfer von Waffen und Rüstungsgütern für Saudi-Arabien umfasste 2009 den Genehmigungswert von 167,9 Millionen Euro – das ist rund das zweieinhalbfache Volumen für Ägypten (77,5 Mio.) und sogar mehr als das dreifache für Libyen (53,1 Mio). Damit rangiert das diktatorische Königshaus in Saudi-Arabien offiziell auf Platz 6 der deutschen Empfängerländer. Das Vereinigte Königreich rangiert gar auf Platz 3 der wichtigsten Bestimmungsländer deutscher Waffenexporte.

Mit Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter/Typhoon lassen sich Kritiker innerhalb und außerhalb des Landes abschrecken und kriegerische Auseinandersetzungen gewinnen. Mit aus Deutschland gelieferten oder in Eigenproduktion gefertigten G36-Sturmgewehren von Heckler & Koch lässt sich die kritische Opposition unterdrücken. Mit dem EADS-Grenzsicherungsprogramm lassen sich zukünftig Fluchtversuche aus dem Land überwachen und gegebenenfalls unterbinden. Würde die Demokratiebewegung in Saudi-Arabien wagen, sich – wie in Tunesien oder Ägypten – zu formieren und auf die Straße zu gehen, müssten die Menschen mit dem Schlimmsten rechnen: Demonstrationen könnten auch mit deutschen Rüstungsgütern und Waffen blutig niedergeschlagen werden.

Links zum Thema:

Rüstungsexportberichte der Bundesregierung, der GKKE und SIPRI sowie weitere Informationen über Rüstungsexporte siehe www.dfg-vk.de und www.rib-ev.de

Rüstungsexporte nach Ägypten siehe

http://www.bicc.de/ruestungsexport/pdf/countries/2010_aegypten.pdf

Rüstungsexporte nach Libyen siehe

www.bicc.de/ruestungsexport/laenderportraets.html

Die Titelgeschichte der nächsten Ausgabe der Zivilcourage wird die neue Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ vorstellen.

3. Die deutsche Libyen-Politik – ein Scherbenhaufen

Deutschland hat sich enthalten. Die UN-Resolution 1973 wurde am 17.3.2011 dennoch verabschiedet und seitdem ringen die politischen Verantwortlichen um Schadensbegrenzung und Außenminister Westerwelle zeigte sich äußerst eloquent, als es darum ging, Erklärungen für das deutsche Abstimmungsverhalten zu formulieren. In der Süddeutschen Zeitung vom 24.3. veröffentlichte er einen Artikel, indem er ausführte, die Bundesregierung habe sich grundsätzlich entschieden, „dass sie keine deutschen Soldaten in den Kampfeinsatz in Libyen schickt. […] Unser Stimmverhalten im Sicherheitsrat war die logische Konsequenz unserer gründlich erwogenen Abwägungsentscheidung.“ Abgewogen wurden, so der Außenminister, die möglichen Folgen eines Militärschlags. „Abgesehen von den zivilen Opfern, mit denen gerechnet werden musste: Was ist, wenn das Eingreifen mit Luftschlägen den Bürgerkrieg nicht beendet? Gehen dann doch noch Bodentruppen rein? Ist das Risiko der Eskalation beherrschbar? Ist die Unterstützung aus der arabischen Welt wirklich so eindeutig, wie behauptet? Die Resolution der Arabischen Liga war es jedenfalls nicht, die Stellungnahmen aus der arabischen Welt nach Beginn der Luftschläge sind es auch nicht. Wie sieht die angekündigte Beteiligung der arabischen Welt an dem Einsatz heute denn tatsächlich aus? Besteht dann am Ende nicht doch die Gefahr des Eindrucks einer Intervention des Westens? Was heißt das für die weitere Entwicklung in der arabischen Welt, was für die Freiheitsbewegungen und Reformbestrebungen in den anderen Ländern Nordafrikas?“

Zwei Dimensionen gäbe es demnach zu bedenken: 1.) die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs von Militärschlägen, verbunden mit dem Problem möglicher ‚Kollateralschäden‘ und einer möglichen Eskalation des Konflikts. Und 2.) die möglichen Reaktionen der arabischen Welt auf einen UN-mandatierten Militäreinsatz westlicher Armeen in Libyen. Es ist auffallend, dass diesem zweiten Aspekt wesentlich mehr Raum eingeräumt wird, während die Situation der libyschen Zivilbevölkerung keine Rolle spielt. Beziehungsweise nur, insofern ‚Kollateralschäden‘ nicht akzeptabel wären. Dieses auffallende Schweigen tritt auch dann auf, wenn Westerwelle die Situation in Libyen analysiert. Er kommt zu dem Schluss: „Die Menschenrechtsverletzungen des Gaddafi-Regimes sind ein großes Unrecht und lassen niemanden kalt. Der Diktator muss gehen und für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Für uns ist die Alternative zum militärischen Eingreifen nicht Tatenlosigkeit. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der Internationale Strafgerichtshof befasst wird. Wir haben auf scharfe Sanktionen gedrängt. Wir leisten humanitäre Hilfe. Wir wollen ein Ölembargo und ein Zahlungsmoratorium, damit Gaddafi und seine Leute nicht an frisches Geld herankommen können.“

Völlig offen bleibt an dieser Stelle, auf welche Menschenrechtsverletzungen Gaddafis sich Westerwelle bezieht. Diejenigen der letzten 30 Jahre, in denen Gaddafi Libyen beherrscht? Diejenigen seit Mitte Februar? Solche gegen libysche Staatsbürger? Oder solche, die aus seiner Unterstützung des internationalen Terrorismus resultieren? Völlig offen ist auch, welchen kurzfristigen Effekt ein Zahlungsmoratorium und ein Abbruch der Handelsbeziehungen haben soll bzw. wie dadurch der Bürgerkrieg beendet werden soll. Völlig offen ist, wem humanitäre Hilfe gewährt werden soll: Nur den Zivilisten, die in den von den Rebellen beherrschten Gebieten leben, oder allen Libyern, die auf Grund des Krieges Hilfe nötig haben? Wirklich zu begrüßen ist lediglich die Offenheit mit der Westerwelle bereits am 24.3. bekannt gegeben hat, dass der Sturz Gaddafis und ein damit verbundener Regime-Wechsel das erklärte Ziel – vielleicht nicht der UN, aber Deutschlands – ist.

Aus einer friedensethischen Perspektive sind all diese Auslassungen vollkommen inakzeptabel. Genauso wie die politischen Positionen, die damit faktisch eingenommen werden.

Wer unter den gegenwärtigen Bedingungen, in denen in fast allen Ländern der arabischen Welt politische Reformen gefordert werden, eine Politik der Nichteinmischung proklamiert, richtet sich damit ausschließlich an die derzeit dort herrschenden Klassen. Damit verbunden ist ein absolutes Desinteresse an der Situation der Zivilgesellschaft in diesen Ländern. – Wie ja auch an der Erklärung Westerwelles zum deutschen Abstimmungsverhalten ablesbar ist. Seit Jahrzehnten empfangen die Potentaten in der arabischen Welt westliche Rüstungstechnologie. Allein die Waffenlieferungen nach Libyen nahmen dabei, seit im Jahr 2004 das EU-Waffenembargo aufgehoben wurde, teils dramatische Ausmaße an.

JahrWaffentyp (soweit bekannt)Wert in Euro
2009Kommunikationsausrüstung, Störsender und Teile für Kommunikationsausrüstung (A0011 / 81,4 %)53.154.423
2008Kommunikationsausrüstung und Teile für Kommuni­kationsausrüstung (A0011 / 58,7%); Gefechtsfeldüberwachungsradar und Teile für Gefechtsfeldüberwachungsradar (A0005 / 28,2%)4.182.317
2007Hubschrauber und Teile für Hubschrauber (A0010 / 66,2%); Detektionsausrüstung, Dekontaminationsausrüstung, ABC-Schutzbekleidung und Teile für Detektionsausrüstung und Dekontami­nationsausrüstung (A0007 / 32,6%)23.844.875
2006Kommunikationsausrüstung und Teile (A0011 / 58,8%); Splitterschutzanzüge (A0013 / 39,3%)1.995.385
2005Geländewagen (A0006)305.311

Unberücksichtigt bleiben hierbei ungenehmigte Waffenlieferungen nach Libyen, die unter Umgehung der deutschen Rüstungsexportkontrollgesetzgebung trotzdem erfolgreich ausgeführt wurden. Bekannt sind Lieferungen von G3-Sturmgewehren aus griechischer Lizenzproduktion, die in den 1980er Jahren stattfanden (vgl. DAKS-Newsletter 4/2006). Bekannt ist aber auch, dass G36-Sturmgewehre – ähnlich wie schon nach Georgien (vgl. DAKS-Newsletter 8/2008) – ihren Weg nach Libyen gefunden zu haben scheinen (vgl. DAKS-Newsletter 03/2011). Möglich, aber nicht belegt scheint, dass Munition des zur brasilianischen Companhia Brasileira de Cartuchos (CBC) gehörenden, deutschen Unternehmens MEN über oder aus Brasilien nach Libyen exportiert worden sein könnte. Belegt sind mehrfache Munitionslieferungen von CBC an das Gaddafi-Regime (vgl. DAKS-Newsletter 7/2010).

Wenn diese Waffen nun gegen die Bevölkerungen eingesetzt werden, wie in Bahrain, im Jemen und eben in Libyen, dann muss sich gerade Deutschland, der weltweit drittgrößte Waffenexporteur, fragen lassen, welche Verantwortung es dafür trägt und wie es darauf reagieren möchte. Eine Position der Neutralität ist hierbei grundsätzlich nicht mehr möglich. Wenn sich Deutschland aber engagiert, so muss die vorrangige Frage lauten: für Wen und Wem zum Nutzen.

Es muss kaum hinzugefügt werden, dass die von der NATO-Koalition geübte Praxis, die Gaddafi-Gegner mit Waffen auszurüsten – und nun auch mit Militärberatern zu unterstützen – rational plausibel ist. Genauso steht aber außer Frage, dass die scheinbare Notwendigkeit solcher Lieferungen, die einen Bruch des geltenden UN-Waffenembargos darstellen, erst durch deutsche und generell „westliche“ Waffenlieferungen geschaffen wurde. Das gleiche gilt für die Entsendung von Militärberatern. Bereits in den Jahren 2005 und 2006 haben ehemalige und aktive Angehörige des Sondereinsatzkommandos der nordrhein-westfälischen Polizei im Auftrag der „Bdb Protection GmbH“ etwa 120 libysche Sicherheitskräfte im Anti-Terrorkampf ausgebildet (vgl. DAKS-Newsletter 10/2010). Wenn nun die Gaddafi-Gegner entsprechend geschult werden, so erwächst die Notwendigkeit, dies zu tun, erst aus den geleisteten Militärhilfen.

Lässt man die Entscheidungen der Bundesregierung im Hinblick auf den Krieg in Libyen Revue passieren, so werden – wie schon in der Erklärung Westerwelles – gewisse Grundentscheidungen deutlich, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Verantwortung, die Deutschland für die Möglichkeit der Eskalation des libyschen Bürgerkriegs trägt, in der konkreten Politikgestaltung wirklich berücksichtigt werden.

So beschloss die Regierung getreu der Prämisse, sich mit keinen Soldaten am Kampfgeschehen zu beteiligen, die unter NATO-Kommando im Mittelmeer eingesetzten Besatzungen der AWACS-Flugzeuge abzuziehen. Eine Luftraum-Überwachung Libyens war unter diesen Umständen nicht mehr möglich. Da das aber natürlich nicht geht, beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition am 25. März, AWACS-Flugzeuge der Bundeswehr nach Afghanistan zu verlegen, wodurch die derzeit dort eingesetzten Maschinen der NATO-Alliierten nach Libyen verlegt werden konnten. Die Bundesregierung hat auf diese Weise – unterstützt vom Bundestag – den Luftkrieg in Libyen ermöglicht und, ohne dass dies in irgendeiner Weise thematisiert worden wäre, den umstrittenen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ausgeweitet. Außenminister Westerwelle betonte, laut Informationen von Reuters im Verlauf der Bundestagsdebatte: „Wir beteiligen uns nicht mit Soldaten an einem Kampfeinsatz in Libyen.“ Diese Aussage ist nur dann zutreffend, wenn man einen sehr eingeschränkten Begriff von „Beteiligung“ anwendet.

Mitte April begann die Debatte, ob die EU eine Aktion zur militärischen Absicherung der von der UN geleisteten Humanitären Hilfe vorbereiten und durchführen soll, obwohl die UN-Resolution 1973 den Einsatz von Bodentruppen ausdrücklich verbietet. Westerwelle teilte, wie das Handelsblatt berichtet, im Rahmen eines Treffens der Außenminister am 11. April in Luxemburg mit: „Verwundeten, Kriegsopfern zu helfen, dazu sind wir bereit.“ Und das eben auch mit Soldaten zur militärischen Sicherung von Hilfsgüter-Korridoren, Evakuierung oder Versorgung von Verletzten und Flüchtlingen. Wie oben erwähnt, ist Humanitäre Hilfe so lange nicht „neutral“, wie sie nicht allen Hilfsbedürftigen zur Verfügung gestellt wird. Die militärische Durchsetzung von Hilfskorridoren in noch umkämpften Städten und Gebieten ist alles andere als neutral. Es stellt ein direktes und parteiisches Eingreifen in den Bürgerkrieg dar. Wenn Oxfam vor einer entsprechenden Militärintervention warnt, so kann man sich dem nur anschließen. Wenn die Bundesregierung signalisiert, ein solches Engagement grundsätzlich – auch mit Soldaten – zu unterstützen, dann karikiert sie damit ihre eigene Politik und führt ihr Abstimmungsverhalten im Rahmen der UN ad absurdum.

Nicht weniger schizophren ist es, wenn Deutschland Humanitäre Hilfe gerade auch für Flüchtlinge an der lybisch-ägyptischen Grenze mit zuletzt insgesamt 7 Millionen Euro finanziert, aber es gleichzeitig ablehnt, Kriegsflüchtlinge aufzunehmen, die es geschafft haben, die mit deutschen Waffen geschützte EU-Grenze zu erreichen.

Außenminister Westerwelle trägt als Ressortchef die Verantwortung für diese Politik. Vielleicht sollte er, ähnlich wie Ex-Verteidigungsminister Guttenberg, über einen Rücktritt nachdenken.

4. Generelles Exportverbot für Heckler & Koch-Waffen?

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat beantragt, Heckler & Koch bis zum Abschluss sämtlicher derzeit anhängiger Strafverfahren keine Genehmigungen mehr zum Export von Waffen zu erteilen. Begründet wird der Antrag damit, dass es derzeit völlig ungeklärt sei, wie Waffen des Unternehmens – ohne entsprechende Exportgenehmigung durch die Bundesregierung – in Krisengebiete gelangt sind. Etwa nach Georgien, aber auch an das US-Sicherheitsunternehmen Blackwater.

Eine direkte Stellungnahme von Heckler & Koch zu diesem Antrag ist bisher nicht erfolgt, allerdings hat das Unternehmen eine Stellungnahme zu „Spekulationen über Waffenlieferungen nach Libyen“ veröffentlicht. Das Unternehmen teilt darin mit, dass interne Untersuchungen ergeben haben, dass es zu keinem Zeitpunkt Waffen-Lieferungen der „Heckler & Koch GmbH oder ihr verbundene Unternehmen oder Organisationen“ nach Libyen gegeben habe. Im Hinblick auf das Auftauchen von Bildbeweisen zur Präsenz von Heckler & Koch-Sturmgewehren des Typs G36 in Libyen teilt das Unternehmen mit: „Für das Auftauchen von Bildern eines Gaddafi Söldners/Sohnes mit einem G36 bleiben die beiden Möglichkeiten, dass es sich entweder um eine G36-Nachbildung als Soft-Air-Waffe oder tatsächlich um eine Echtwaffe handelt, die unrechtmäßig über einen Heckler & Koch nicht bekannten Weg beschafft wurde.“

Abgesehen davon, dass die These, ein Gaddafi-Sohn würde es vorziehen, eine Softair-Waffe zu tragen, solange diese nur ein G36 imitiert, sehr amüsant ist, sind die grundsätzlichen Auslassungen von HK sehr zu begrüßen. Das Problem ist nur, das niemand jemals behauptet hat, entsprechende Waffen seien auf direktem Weg nach Georgien oder Libyen gelangt. Aber dass sie dorthin gelangt sind, ist das Problem und zeigt, dass die geltende Rüstungsexportpraxis überprüft werden muss, da der Endverbleib der Waffen offensichtlich nicht garantiert werden kann. Nicht vom Hersteller, nicht vom Käufer und nicht durch die Bundesregierung. Unter diesen Umständen einfach weiter zu exportieren, ist jedoch keine Lösung.

5. Otfried Nassauer im HR-Interview: Waffenfirmen leben vom Export

Der Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), Otfried Nassauer, gab dem Hessischen Rundfunk am 22. Februar ein Interview zum Thema deutscher Rüstungsexport. Dabei ging es auch um Waffenlieferungen an das Regime in Libyen oder andere nordafrikanische bzw. arabische Staaten. Nassauer wies darauf hin, wie extrem langlebig Handfeuerwaffen sind und dass den früheren Bundesregierungen die Weitsicht gefehlt habe, was die Belieferung „autokratischer Herrscher“ eines Tages bedeuten könne. Er sprach aber auch die aktuellen Exporte und Technologietransfers an, etwa den Aufbau einer Fabrik für G36-Gewehre in Saudi-Arabien. Auf die Frage, warum diesen Ländern Waffen geliefert worden seien, antwortete Nassauer, dass diese Staaten die Versorgung Europas mit Öl sicherstellen und auch durch den Kauf von Industrieprodukten den hiesigen Wohlstand sichern würden. Dafür gäbe es dann im Gegenzug Waffen – immer wieder auch abgesichert durch staatliche Hermes-Bürgschaften.

Die Hördatei gibt es bei www.bits.de oder beim HR (Hessischer Rundfunk).

6. Zuverlässige Entsorgung abgelegter Waffen

von Peter Lock (Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Friedensforschung)

Es gibt in Deutschland wenig Anreize, Waffen, die nicht mehr benötigt werden, zuverlässig zu entsorgen und damit das latente Risiko auszuschließen, dass derartige Waffen in falsche Hände gelangen. Der Prozentsatz an Schusswaffen in Deutschland, die vorgehalten werden, obwohl die Besitzer keine wirkliche Verwendung (mehr) dafür haben, liegt mit Sicherheit deutlich im zweistelligen Bereich. Es kommt hinzu, dass zumindest in der Vergangenheit die gesellschaftliche Praxis der Regelungsdichte des Waffengesetzes bei Erbfällen nicht entsprochen hat. Inwieweit die laufende Schaffung eines einheitlichen Waffenregisters nach Vorgaben der EU dazu führen wird, den privaten Besitz an Schusswaffen sorgfältiger und umfänglicher zu erfassen, lässt sich noch nicht beurteilen. Die verschiedenen Amnestien in der Vergangenheit haben nur bescheidene Waffenmengen der Entsorgung zugeführt. Es liegt im Interesse der öffentlichen Sicherheit, jede nicht (mehr) benötigte Schusswaffe sicher stillzulegen und zuverlässig zu entsorgen. Hierfür müssen wirkmächtige Anreize geschaffen werden.

Der Besitz von Schusswaffen gehört aus guten Gründen in Deutschland nicht zu den bürgerlichen Grundrechten. Es handelt sich vielmehr um ein auf Zeit vergebenes Privileg, das nach Abwägung der Eignung der Person und möglichen Risiken für die Sicherheit mit Auflagen u. a. hinsichtlich der Verwahrung erteilt wird. Daher ist es geboten, dass die Aufwendungen, die notwendig sind, um überschüssige Waffen zuverlässig zu entsorgen, vom Kollektiv der Verursacher, d. h. den legalen Waffenbesitzern getragen werden.

Nicht zuletzt angesichts der Erfahrungen bei der prämienbegünstigten Verschrottung alter Autos, die zahlreich nur zum Schein durchgeführt wurde, müsste die zuverlässige Entsorgung von Schusswaffen als hoheitliche Aufgabe organisiert werden. Unterschiedlich wirkungsmächtige Verfahren zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Entsorgung sind denkbar.

Eine Minimallösung wäre die Übernahme von Regelungen bei anderen langlebigen Gebrauchsgütern, bei denen der Hersteller bzw. Verkäufer verpflichtet wird, die Produkte nach ihrer Nutzungsphase zurückzunehmen und dem Recycling zuzuführen. Dabei werden die anfallenden Kosten eingepreist und mit dem Verkauf abgegolten. Ein solches Verfahren bietet jedoch nur einen geringen Anreiz, überzahlige Waffen tatsächlich dem Recycling zu überantworten. Alternativ oder ergänzend könnte man Waffenscheine und Waffenbesitzkarten proportional zu Zahl und Dauer des Waffenbesitzes spürbar mit Gebühren belasten, damit Waffenbesitzer periodisch eine Güterabwagung treffen zwischen den laufenden Kosten und dem Interesse, Waffen vorzuhalten.

Da Gewährleistung öffentlicher Sicherheit zu den zentralen Aufgaben des Staates gehört, ist es unbedingt zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber Waffenbesitz an Auflagen bindet, die die Risiken missbräuchlicher Verwendung verringern. Die Kriminalstatistik zeugt davon, dass sehr häufig die Täter nicht die legalen Besitzer der Tatwaffe sind. Daher müssen alle Möglichkeiten erwogen werden, die das Vagabundieren von Schusswaffen aus legalem Besitz in illegale Verfügung verhindern.

Eine wirkungsvolle Maßnahme, die darauf zielt, überschüssige Waffen aus dem Verkehr zu ziehen und zu entsorgen, wäre die Erhebung eines Pfandes, das bei Kauf einer Waffe von einer hoheitlichen Behörde erhoben wird. Ein solches Pfand würde jede Waffe unabhängig vom zivilrechtlichen Eigentum zu einer waffenrechtlichen Leihgabe machen, die der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen auf Zeit gewährt. Das überragende Interesse des Staates als Garant öffentlicher Sicherheit rechtfertigt in jedem Falle einen solchen Eingriff in das besondere zivilrechtliche Eigentum Schusswaffe. Die Höhe eines solchen Pfandes müsste sich am geschätzten Schwarzmarktpreis einer vergleichbaren Waffe orientieren, um später einen attraktiven Anreiz zu bieten, überschüssige Waffen gegen Erstattung des Pfandes zu entsorgen. In diesem Zusammenhang wäre ebenfalls ernsthaft zu erwägen, illegale Waffen generell straffrei gegen Zahlung eines ebenfalls Anreize bietenden Betrages einzuziehen. Denn oberstes Ziel staatlichen Handelns in diesem Bereich muss die öffentliche Sicherheit sein, weniger die Verfolgung möglicher Gesetzesverstöße.

Ein solches gesetzlich vorgeschriebenes Pfand würde den Erwerb von Schusswaffen erheblich verteuern. Es hätte aber zugleich den gesellschaftlich gewünschten Effekt, die Kauflust bei Schusswaffenbesitzern mittels eines Marktmechanismus zu dämpfen. Im Moment des Kaufes wirkt ein solches Pfand wie eine demeritionale Steuer, aber im Unterschied zu einer Steuer wird das Pfand am Ende des Lebenszyklus der Waffe wieder erstattet.

Die Verwaltung des Pfandes müsste treuhänderisch durch eine hoheitliche Behörde erfolgen. Da die Lebenszyklen von Schusswaffen sehr lang sein können, würde sich Kapital ansammeln und die Möglichkeit eröffnen, grundsätzlich Waffen unabhängig von ihrem rechtlichen Status mit dem Ziel zu erwerben, sie zuverlässig zu entsorgen. Im Interesse öffentlicher Sicherheit wäre dies allemal.

Dieser und weitere Texte des Verfassers zum Thema Kleinwaffenkontrolle finden sich unter www.Peter-Lock.de; Kritik und Anregungen erreichen ihn unter Peter.Lock@t-online.de

7. Lizenzlexikon Heckler & Koch: HK416/HK417

Der Abbruch des OICW-Projekts im Jahr 2005 hat leider nicht das Ende der Entwicklungsbemühungen des US-Militärs im Kleinwaffenbereich bedeutet. Die mittlerweile erfolgte Einführung des u.a. durch Heckler & Koch entwickelten XM25-Granatwerfers (vgl. auch DAKS-Newsletter 10/2009) markiert in diesem Zusammenhang einen Wendepunkt. Wesentlich „konventioneller“ – aber deshalb nicht weniger problematisch – sind demgegenüber die Anstrengungen, die gemacht wurden, um die Standard-Schnellfeuergewehre M16 und M4 zu ersetzen. Statt splitteroptimierter Granaten, deren Detonations-Zeitpunkt individuell programmiert werden kann, soll im Hinblick auf das „neue“ Schnellfeuergewehr – zumindest als Zwischenlösung – zunächst noch einmal eine hülsenbasierte Kleinwaffenmunition in einem der etablierten NATO-Kaliber zum Einsatz kommen. Und die Kosten der Modernisierung sollen möglichst gering sein.

Als Antwort auf diesen Forderungskatalog hat Heckler & Koch die Waffen HK416 und HK417 entwickelt. Ein Vorzug dieser Waffen im Kaliber 5,56 NATO bzw. 7,62 NATO ist, dass sie nicht nur den bisher verwendeten Modellen M16 und M4 in der Bedienung sehr ähnlich sind, sondern sogar wesentliche Teile von diesen integrieren können. Soll heißen: Die US-Armee muss, sofern sie das „Minimum Upgrade Package“ von HK in Anspruch nimmt, keine neue Waffen kaufen, sondern kann ein Waffen-Recycling betreiben, bei dem noch funktionstüchtige Teile der alten Waffen in den neuen Waffen wiederverwendet werden. Mit dem HK417 legt Heckler & Koch zudem wieder ein Waffenmodell vor, dass nicht Munition im Kaliber 5,56 NATO, sondern – wie ehemals das G3 – im Kaliber 7,62 NATO verwendet. Die Entwicklung stellt eine Reaktion auf den Vorwurf aus Militärkreisen dar, dass auch vom G36 verwendete Kaliber 5,56 NATO sei zu wenig tödlich bzw. zu schwach, als dass es auch über größere Distanzen eingesetzt werden könnte (vgl. DAKS-Newsletter 10/2009). Mit dem HK417 sollen wieder Kämpfe über eine Entfernung von mehr als 500m hinweg möglich sein. Aus diesem Grund hat auch die Bundeswehr mittlerweile das HK417 eingeführt. Als G27 wird es derzeit in Afghanistan verwendet, wo es die bisher noch verwendeten G3-Schnellfeuergewehre ablöst.

Der Ansatz ist damit äußerst kosteneffektiv und verspricht – zumindest kurzfristig – für Heckler & Koch wirtschaftlich sehr erfolgreich zu werden. Seit 2005 auf dem Markt, werden die Waffen bis jetzt zwar vor allem bei militärischen und polizeilichen Spezialeinheiten verwendet, dies wird sich jedoch bald ändern. Norwegen hat in diesem Fall den Anfang gemacht und 2007 die Einführung des HK416 als neue Standardinfanterie Waffe beschlossen. Im Jahr 2008 gab dann die Türkei die Einführung des von MKEK produzierten Schnellfeuergewehrs „Mehmetcik“ bekannt (vgl. DAKS-Newsletter 02/2008). Ähnlich wie im Fall des mexikanischen Gewehrs FX-05, das eine Kopie des G36 darstellt (vgl. DAKS-Newsletter 02/2011), scheint auch in diesem Fall das von HK entwickelte Design kopiert worden zu sein. Eine Lizenzvergabe im herkömmlichen Sinn hat dabei nicht stattgefunden, ob es andere, nicht-offizielle Absprachen zwischen HK und MKEK gegeben hat, ist nicht bekannt, scheint aber angesichts der langen Geschäftsbeziehungen zwischen HK und dem türkischen Verteidigungsministerium nicht ausgeschlossen.

Malaysische Sicherheitskräfte nutzen seit Jahrzehnten HK-Waffen. 2010 wurden nun 180 HK416-Gewehre gekauft. Sie werden von den Einheiten der Spezialkräfte getestet. Geplant ist wahrscheinlich, diesen Gewehrtyp später als neue Standardwaffe einzuführen (vgl. DAKS-Newsletter 05/2010). „Gute“ Chancen bestehen auch für eine Ausrüstung des Marine Corps mit dieser Waffe. US-amerikanische Spezialeinheiten setzen bereits seit 2004 einzelne HK416-Exemplare ein und sind aktuell am HK416 in einer Variante als leichtes Maschinengewehr interessiert. Wenn es zu einer Entscheidung für die HK-Waffe käme, könnten es um eine Waffenlieferung von knapp über 4000 HK416 gehen – wohlgemerkt an einen Staat, der sein Militär weltweit in Kriegen und Krisengebieten einsetzt (vgl. DAKS-Newsletter 05/2010).

Als Durchbruch auf dem französischen Militärmarkt könnte sich für Heckler & Koch die ebenfalls im Jahr 2008 erfolgte Entscheidung erweisen, das HK416 bei den französischen Luftstreitkräften einzuführen. Das von der Manufacture d’Armes de St. Etienne (MAS) produzierten FAMAS-Sturmgewehr scheint damit vor seiner Ablösung zu stehen – und nachdem die französischen Marinespezialkräfte mit dem G36 ebenfalls eine Waffe von HK eingeführt haben, scheinen damit zwei Referenzen gewonnen, auf die bei künftigen Ausschreibungen verwiesen werden kann.

Interessant sind die Vorgänge um angebliche wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, über die Der Tagesspiegel berichtete. Dem Bericht zufolge sollen bereits erste Lieferungen (nachgerüsteter) G3-Gewehre an die Bundeswehr erfolgt worden sein, während offiziell noch mit anderen Anbietern als HK gesprochen wurde. Dies zeigt, dass die Zeit der ältesten Waffe von HK leider noch lange nicht vorbei ist – wie auch die vielen heutigen G3-Opfer in Afrika, Asien oder Lateinamerika belegen könnten, wenn sie denn von der deutschen Regierung gehört würden.

Wie von anderen HK-Waffen gibt es auch vom HK416 verschiedene Varianten. So präsentierte das Unternehmen im Herbst letzten Jahres stolz das HK416C (analog zum G36C), das besonders für den Häuserkampf geeignet sein soll. Und auch eine sogenannte Zivilversion des HK416 mit dem Namen MR223 ist in den USA und Deutschland seit einigen Jahren zu haben.

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