DAKS-Newsletter Mai 2011 ist erschienen!

Am 5.Mai wurde die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ offiziell eröffnet. Damit ist der Startschuss gefallen: bis zur Bundestagswahl 2013 sollen 262.000 Unterschriften gesammelt werden um so ein Bürgervotum für ein Ende der derzeitigen Rüstungsexportpraxis zu geben und eine Grundgesetzänderung anzustoßen, die einen entsprechenden Paradigmenwechsel festschreibt. – Mehr dazu im aktuellen Newsletter!

Weitere Themen: ein Interview mit Jan van Aken (MdB / DIE LINKE) und eine Kritik der aktuellen Bundeswehr-Reformdebatte aus friedensethischer Perspektive.Außerdem ein Hinweis in „eigener“ Sache: der „Aachener Friedenspreis“ 2011 wird in diesem Jahr Jürgen Grässlin (RIB / DAKS) und der Informationsstelle Militarisierung (IMI) verliehen. – Auch hierzu mehr im aktuellen Newsletter.

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DAKS-Kleinwaffen-Newsletter Mai 2011, Nr. 68

1 Kampagnenstart: „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“

„Friedensgruppen fordern Rüstungsexportverbot per Grundgesetz“ (Domradio Köln), „»Aufschrei« gegen deutsche Waffenexporte“ (Neues Deutschland), „Nein zu tödlicher Ware“ (Junge Welt) – dies sind nur einige der Pressestimmen, die als Reaktion auf den Start der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ am 5.5.2011 in der Tagespresse gefunden werden konnten. Nicht weniger breit als die Berichterstattung über die Kampagne ist der Trägerkreis des Bündnisses, das vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) über die deutsche Provinz des Franziskaner-Ordens und Pax Christi bis zu IPPNW, dem RüstungsInformationsBüro und Ohne Rüstung Leben reicht.

Insofern stimmt es, wenn Christine Hoffmann (Generalsekretärin der deutschen Sektion von Pax Christi) betont, die Aktion Aufschrei würde von der „breiten Masse in der Bundesrepublik“ unterstützt. Die Auftaktveranstaltung hat aber auch bewiesen, dass die Themen Frieden und Abrüstung heute in der Lage sind, Bündnisse zu schaffen, die bis vor wenigen Jahren als undenkbar gegolten hätten.

Ein Grund für diesen Mentalitätswandel liegt sicherlich im offensichtlichen Versagen der für deutsche Rüstungsexporte politisch Verantwortlichen. Die oft zitierten, aber selten angewandten, rechtlich unverbindlichen „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ halten in ihrer Präambel fest: „Die Begrenzung und Kontrolle des Exportes von Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter soll einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt leisten.“ Die Folgen der tatsächlich praktizierten Exportpolitik können jedoch tagtäglich in den Nachrichten über die Kriegsschauplätze dieser Welt nachvollzogen werden. Die deutschen Exporte von Kriegswaffen und Rüstungsgütern haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. U-Boote und Kriegsschiffe, Kampfjets und Militärhubschrauber, Panzer und Raketenwerfer, Schnellfeuergewehre und Maschinenpistolen und ganze Rüstungsfabriken werden weltweit ausgeliefert, außerdem werden Lizenzen zur Waffenproduktion vergeben. Kaum Beachtung finden auch die nur scheinbar harmlosen Komponenten-Exporte. Zu den Empfängern zählen u. a. Diktaturen und autoritäre Regime in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Die renommierte US-amerikanische Studie Conventional Arms Transfers to Developing Nations beziffert die deutschen Rüstungstransfers im Jahr 2009 auf 2,8 Milliarden US-Dollar (das entspricht 8 Prozent des Weltrüstungshandels). Damit rangiert Deutschland hinter den USA (41 Prozent) und Russland (10,6 Prozent) weiterhin auf Platz drei. Nach Einschätzung des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI sind die deutschen Rüstungsexporte zwischen 2005 und 2009 gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2004 um 100 Prozent gestiegen.

In seiner Laudatio zur kürzlich erfolgten Verleihung des Göttinger Friedenspreises 2011 an Ohne Rüstung Leben (ORL) und die GKKE (vgl. DAKS-Newsletter 03/2011) erklärte Andreas Zumach: „Die Lieferung von Waffen und Ausrüstung zur Kriegsführung sowie zur innerstaatlichen Unterdrückung an diktatorische Regimes im Nahen/Mittleren Osten und Nordafrika ebenso wie an Diktaturen und in Spannungsgebiete in anderen Weltregionen ist nach meiner Überzeugung der größte permanente Skandal deutscher Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik. Nicht nur, weil diese deutschen Exporte verantwortlich sind für den Tod, die lebenslange Verstümmelung, gewaltsame Unterdrückung oder Folter von hunderttausenden Menschen in aller Welt. Sondern auch, weil die Ausgaben der Empfängerländer der deutschen Waffen und Unterdrückungsinstrumente den Staatshaushalten dieser Länder kostbare Ressourcen entziehen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung.“

In einem gemeinsamen Beitrag für die Zeitschrift „ZivilCourage“ (Heft 2/2011) erklären Christine Hoffmann (Pax Christi), Paul Russmann (ORL) und Jürgen Grässlin (DFG-VK) unter der Überschrift „Gemeinsam gegen den Export von Terror und Gewalt made in Germany!“, worum es in der Kampagne gehen soll. Ziel ist „eine Klarstellung des Grundgesetzartikels 26“, der in seinem neu zu fassenden Absatz 2 dann so lauten soll: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz. Kriegswaffen und Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.“ Ein Schritt zum Ziel dieser Grundgesetzklarstellung: die Sammlung von 262.000 Unterschriften bis zur Bundestagswahl 2013.

In seiner derzeitigen Form bestimmt Art. 26 (2) GG lediglich: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz“. Obwohl in diesem Absatz nicht ausdrücklich von Rüstungsexporten gesprochen wird, bildet diese Stelle dennoch die Grundlage für die deutsche Rüstungsexportgesetzgebung. Die Kampagne „Aktion Aufschrei!“ hofft mit der klarstellenden Ergänzung und dem Verweis auf ein noch zu schreibendes „Rüstungsexportgesetz“ die derzeit faktisch bestehende Konkurrenz zwischen Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und Außenwirtschaftsgesetz (AWG) zu beenden. Beide Gesetzeswerke regeln derzeit Teilbereiche des Waffenexports – das KWKG im Hinblick auf alle „kompletten“ Kriegswaffen, das AWG im Hinblick auf Waffen-Komponenten und Dual-Use-Güter. Das Außenwirtschaftsgesetz soll seiner Intention nach Exporte ermöglichen, während das Kriegswaffenkontrollgesetz stärker auf die Kontrolle der Warenströme achtet. Wenn Deutschland heute einen Marktanteil von 8% am Weltrüstungshandel innehat, so liegt dies auch an der aus dieser Konkurrenz resultierenden, unüberbrückbaren Spannung zwischen beiden Gesetzeswerken, die eine effektive Kontrolle des Waffenhandels unmöglich macht.

So scheint es, als hätten die Initiatoren, Träger und Unterstützer der „Aktion Aufschrei!“ zwar eine abstrakte Forderung in den Raum gestellt, dabei aber den Finger in die Wunde der deutschen Rüstungsexportkontrollgesetzgebung gelegt: Im internationalen Vergleich mag das deutsche System der Rüstungsexportkontrolle verhältnismäßig strenge Regeln setzen, diese Regeln lassen sich auf Grund der internen Konkurrenz der verschiedenen, zur Anwendung kommenden Gesetzeswerke nicht durchsetzen.

Es ist nicht nur zu hoffen, dass die 262.000 Unterschriften, die die Kampagne sammeln möchte, nicht nur lange vor der nächsten Bundestagswahl gesammelt sein werden, sondern auch, dass mit der Reform der deutschen Rüstungsexportgesetzgebung zügig begonnen wird.

Ein Bericht über die erste Pressekonferenz am 6. Mai 2011 in Berlin und weitere Informationen zur Kampagne finden sich auf ihrer offiziellen Internetseite: http://www.aufschrei-waffenhandel.de/

2. Aachener Friedenspreis 2011

Der Aachener Friedenspreis wird seit 1988 verliehen. Jährlich werden mit ihm Menschen geehrt, die „von ‚unten her‘ dazu beigetragen haben, der Verständigung der Völker und der Menschen untereinander zu dienen sowie Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen.“ Die PreisträgerInnen werden dafür geehrt, dass „sie Frieden gestiftet haben durch Gerechtigkeitssinn, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft (auch Feinden gegenüber); durch Gewaltlosigkeit, Zivilcourage, Tatkraft, Sachlichkeit und Herz.“

In diesem Jahr erhalten den mit 1000 Euro dotierten Preis Jürgen Grässlin (als Einzelperson) und die Informationsstelle Militarisierung (IMI). Nachdem „Ohne Rüstung Leben“ (ORL) und die „Fachgruppe Rüstungsexport“ der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) im Jahr 2011 bereits den Göttinger Friedenspreis erhalten haben, ist dies schon die zweite Preisverleihung an rüstungsexportkritische Initiativen in diesem Jahr. – Und DAKS feiert in beiden Fällen mit. Schließlich ist Jürgen Grässlin einer der DAKS-Sprecher und „Ohne Rüstung Leben“ Gründungsmitglied und Trägerorganisation des Aktionsnetzes.

Die Preisverleihung findet am Internationalen Friedenstag, am 1. September 2011, in Aachen statt.

3. ZivilCourage benennt wichtigste Waffenproduzenten in Deutschland

Im Folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus einem Artikel von Stephan Möhrle, der im Heft 2/2011 der DFG-VK-Zeitschrift „ZivilCourage“ erschienen ist.

Die Händler des Todes – Die wichtigsten deutschen Rüstungsfirmen

von Stephan Möhrle (RIB, DFG-VK Baden-Württemberg)

Deutsche Waffenproduzenten rüsten hemmungslos Staaten in aller Welt mit Waffen und Rüsutngsgütern aus, selbst wenn dort Konflikte gewaltsam ausgetragen oder Menschenrechte massiv verletzt werden. Als Händler des Todes profitieren sie von den derzeit mehr als 30 kriegerischen Auseinandersetzungen. Aus Imagegründen haben sich viele rüstungsproduzierende und -exportierende Unternehmen so genannte „Ethic Codes“ gegeben, de facto aber spielen Moral und Ethik beim weltweiten Waffenhandel keine Rolle.

Die Kampagen „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ organisiert und unterstützt gewaltfreie Aktionen vor rüstungsproduzierenden und -exportierenden Unternehmen. Sie ruft zur Unterstützung rüstungskritischer Aktionärsverbände auf und beteiligt sich in den Hauptversammlungen mit Gegenanträgen und Redebeiträgen und kreativen Aktionsformen.

Diehl

Rechtsform: Stiftung & Co. KG.

Unternehmenssitz: Nürnberg

Unternehmenshomepage: http://www.diehl.de

Wichtige Werke, Zweigstellen oder Beteiligungsgesellschaften: Nürnberg, Heilbronn, Hamburg, Remscheid, Freisen, Röthenbach, Rostock, Hamburg, Franfurt a.M., Überlingen, Laupheim, Wangen, Nonnweiler-Bierfeld, Nonnweiler-Mariahütte, Bonn, Koblenz, Ansbach, Berlin, Trosdorf, Velbert, Schrobenhausen, Ottobrunn, Hemer, Zehdenick

Bilanzzahlen: Der Jahresumsatz belief sich 2009 auf 2,205 Milliarden Euro.

Beschäftigte: 12.210 (2009)

Kurzkommentar: Die Diehl-Stiftung & Co. KG befindet sich seit der Unternehmensgründung im Jahr 1902 vollständig im Familienbesitz. Heute sind die mehr als 40 selbstständigen Unternehmenseinheiten und Joint-Ventures nach ihren Aktivitäten in fünf Teilkonzerne aufgeteilt: Defence (31,4% Umsatzanteil), Metall (24,1%), Aerosystems (23,4%), Controls (12,5%) und Metering (8%).

Militärische Produkte: Artillerieraketen, Aufklärungs- und Warnsysteme, Infrarot und Multimode-Suchkörper. Kampfwertsteigerung und Umrüstung von Ketten und Radfahrzeugen, Lenkflugkörper, Munition, Selbstschutzsysteme, Systeminstandsetzung, Systemketten und Laufwerke einschließlich Triebkränze, Laufstütz- und Umlenkrollen, Trainingssysteme und Zünder

Militärischer Anteil: 31,4%

Waffenexporte gemäß Sockholm International Peace Research Institute (SIPRI): Platz 63 (2009), Platz 65 (2008)

Umfang der Waffenverkäufe laut SIPRI: 1,0 Milliarden Euro (2009), 940 Millionen Euro (2008)

Heckler & Koch

Rechtsform: GmbH

Unternehmenssitz: Oberndorf am Neckar

Unternehmenshomepage: http://www.hecklerkoch.de

Bilanzzahlen: Der Umsatz stieg 2010 gegenüber dem Vorjahr um knapp sechs Prozent auf 247,2 Millionen Euro. Der Gewinn wurde von 17 Millionen (2009) auf 30,4 Millionen Euro (2010) gesteigert (Financial Times Deutschland vom 5.4.2011).

Wichtige Werke, Zweigstellen oder Beteiligungsgesellschaften: Stammsitz in Oberndorf am Neckar, zudem Nottingham (GB), Paris und Ashburn (USA)

Militärische Produkte: Gewehre: HK G3, HK 32, HK 33, HK G36, HK41/HK 91, HK G41, HK 42/HK 93, HK 53, HK XM 8, HK 416, HK 417, HK XM 29, M27 IAR; Maschinengewehre: HK LMG 36, HK MG 4, HK 11, HK 13, HK 21, HK 23, HK 121; Pistolen: HK 4, HK VP70, HK P9S, HK SP89, HK P7, HK USP, HK P8, HK P10, HK P12, HK MK23, HK P11, HK P2000, HK P30, HK UCP; Maschinenpistolen: HK 53, HK MP5, HK MP7, HK UMP; Scharfschützengewehre: HK PSG1, HK MSG90, HK G3 SG1, HK 33 SG1, HK SL9SD; Sonderwaffen: HK69, HK GMW, HK P2A1, AG36.

Kurzkommentar: Die Heckler & Koch GmbH (H&K) ist ein als GmbH organisiertes deutsches Unternehmen der Rüstungsindustrie mt Sitz im Oberndorfer Stadtteil Lindenhof in Baden-Württemberg. Die Firma wurde in der Nachkriegszeit von ehemaligen Mitarbeitern der Mauserwerke gegründet und ist international bekannt für die Produktion von Handfeuerwaffen. In der Gegenwart ist Heckler & Koch der bedeutendste Hersteller von Infanterie-Waffen in Deutschland und gehört bezüglich Umsatz weltweit zu den fünf größten Produzenten von Gewehren und Pistolen. Nach eigenen Angaben ist H&K Europas führender Hersteller von Gewehren und Pistolen.

Gemessen an den Opferzahlen von mehr als 1,5 Millionen Toten ist Heckler & Koch laut Aussage des Rüstungskritikers Jürgen Grässlin „Europas tödlichstes Unternehmen“. Grässlin hat über seinen Rechtsanwalt Holger Rothbauer Strafanzeige gegen H&K gestellt wegen des Verdachts illegaler Gewehrlieferungen nach Mexiko. Die Staatsanwaltschaft hat eine Hausdurchsuchung vorgenommen und ermittelt (siehe: www.juergengraesslin.com › HK)

Militärischer Anteil: 100%

Rheinmetall

Rechtsform: Aktiengesellschaft (AG)

Unternehmenssitz: Düsseldorf

Unternehmenshomepage: www.rheinmetall.de

Bilanzzahlen: Das Geschäftsjahr 2009 (2008) brachte einen Gesamtumsatz von 3,420 (3,869) Milliarden Euro. Im Jahr 2009 wurde ein Verlust von 52 Millionen Euro verzeichnet.

Beschäftigte: 19.766 (2009) und 21.020 (2008)

Wichtige Werke, Zweigstellen oder Beteiligungsgesellschaften: Oberndorf (ehemals Mauser), Aschau am Inn, Berlin, Bonn, Bremen, Düsseldorf, Gera, Gersthofen, Hamburg, Heilbronn, Ismaning, Kassel, Kiel, Koblenz, Krefeld, München, Neuenburg (ehemals Buck), Nürnberg, Rheinbach, Röthenbach, Rostock, Fronau, Silberhütte/Harz, Stockach, Trittau, Unterlüß

Kurzkommentar: Die Rheinmetall AG mit Sitz in Düsseldorf ist ein Automobilzulieferer und Rüstungskonzern. Rheinmetall ist das achtgrößte europäische Rüstungsunternehmen gemessen am Umsatz. Das Unternehmen ist im Börsensegment M-DAX gelistet.

Militärische Produkte: Tokeh (Taktisches Luftlandefahrzeug), Serval (Fahrzeug für Spezialkräfte), Gavial (Geschütztes Verbindungsfahrzeug für Luftlandekräfte), Caracal (Geschütztes Fahrzeug), Yak/Duro 3 (Geschütztes Mehrzweckfahrzeug), Condor 1 und 2, Luftlandepanzer Wiesel 1 und 2, Bv206 Sonderwagen 4 / TM 170, Fuchs 1 und 2, GTK Boxer, Gefas Wisent, Schützenpanzer Marder 1A3/1A5, Puma (in Kooperation mit KMW), Leopard 1 und 2, Bergepanzer 2, Bergepanzer 3 Büffel, Pionierpanzer 3 Kodiak, Pionierpanzer 2 Dachs, Brückenlegepanzer Biber, Minenräumpanzer Keiler, MMSR, 155mm-Geschütz der Feldhaubitze FH 155-1, Panzerhaubitze 2000, Panzerhaubitze M109 (L52-Geschütz), 120mm-Glattrohrkanone des Leopard 2, Sondergerät SG113, Maschinenkanone Rh503, Maschinengewehr MG3, Nächstbereichschutzsystem Mantis

Waffenexporte gemäß SIPRI-Ranking: Platz 32 (2009), Platz 29 (2008)

Umfang der Waffenverkäufe laut SIPRI: 2,64 Milliarden Euro (2009), 2,66 Milliarden Euro (2008)

Die ordentliche Jahreshauptversammlung der Rheinmetall AG fand am 10. Mai 2011 im Maritim-Hotel Berlin statt.

4. Im Interview: der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (DIE LINKE)

Die Fragen stellte Fabian Sieber.

1. Seit mehreren Jahren tauchen immer wieder deutsche Waffen in Krisengebieten auf und niemand weiß, wie sie dort hingekommen sind. Im Jahr 2008 waren es G36-Schnellfeuergewehre von Heckler & Koch in Georgien, 2010 in Mexiko und 2011 in Libyen. Für all diese Exporte hat die Bundesregierung niemals eine Exportgenehmigung erteilt. Wie ist so etwas möglich? Was soll dagegen getan werden? Wie ist der Stand der Ermittlungen?

Diese Fälle zeigen, dass in Deutschland die Kontrolle von Waffenexporten absolut unzureichend ist. Natürlich gibt es einen Haufen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, Hunderte von Beamten bearbeiten jährlich Zehntausende Exportanträge – am Ende wird aber fast alles fast überall hin exportiert. Und wenn die Waffen erst einmal das Land verlassen haben, drückt die Bundesregierung beide Augen fest zu. Es wird nicht überprüft, ob die Waffen auch wirklich da bleiben, wohin sie geliefert wurden. Es reicht für den Importeur, einmal eine Endverbleibserklärung abzugeben, und dann hört er nie wieder was von den deutschen Behörden. Deshalb sage ich immer, dass in Deutschland jede Frittenbude besser kontrolliert wird als der Waffenhandel – denn bei der Frittenbude tauchen natürlich regelmäßig Kontrolleure auf. Die Amerikaner haben übrigens eine solche Post-Export-Kontrolle die fahren im Zweifelsfall auch mal in das betreffende Land und zählen durch, ob die Waffen noch da sind.

Im Fall Mexiko ermittelt die Staatsanwaltschaft noch immer. Die bislang veröffentlichten Indizien legen doch sehr nahe, dass Heckler & Koch bewusst die Waffen auch in die mexikanischen Unruheprovinzen geliefert hat, obwohl diese ausdrücklich von der Genehmigung ausgenommen waren. Auch die Bundesregierung hat reagiert und genehmigt erst einmal keine Waffenexporte von Heckler & Koch nach Mexiko mehr – aus unserer Sicht ein völlig unzureichender und unlogischer Schritt. Sie anerkennt damit, dass Heckler & Koch möglicherweise nicht zuverlässig ist – aber dann müssten sie konsequenterweise alle Exporte der Firma stoppen. Das hat DIE LINKE Anfang des Jahres auch im Bundestag beantragt.

2. Welche Verantwortung tragen eigentlich die Hersteller von Kriegswaffen für ihre Produkte?

Wer eine tödliche Waffe herstellt, trägt aus meiner Sicht auch für alle damit begangenen Tötungen eine Mitverantwortung – vielleicht nicht juristisch, aber auf jeden Fall moralisch. Denn diese Waffe wurde zu dem einzigen Zweck hergestellt, damit tödliche Schüsse abzugeben. Deshalb kann man es nicht mit Verkehrsunfällen vergleichen – Autofirmen sind in der Regel nicht für Verkehrstote mit verantwortlich, weil sie die Autos nicht dafür herstellen, Fußgänger totzufahren. Und es ist ein hilfloser Versuch, sich mit dem Spruch aus der Verantwortung zu stehlen, dass nicht die Waffen töten, sondern der Mensch am Abzug.

3. Von deutscher Seite gibt es in der Regel keine Genehmigungsvorbehalte gegen Waffenexporte in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Staaten, da davon ausgegangen wird, dass diese den Endverbleib der importierten Waffen garantieren können. Nun ist hinlänglich bekannt, dass sich die mexikanischen Drogenkartelle über den liberalen Waffenmarkt der USA mit Waffen und Munition versorgen, dass also der Endverbleib der in die USA exportierten Kleinwaffen alles andere als sichergestellt ist. Wie soll mit dieser Situation umgegangen werden?

Ich bin grundsätzlich gegen den Export von Waffen und anderen Rüstungsgütern. Aber auch diejenigen, die sich ein derart weitreichendes Verbot nicht vorstellen können, sollten doch mindestens einem Exportstopp für Kleinwaffen zustimmen können. Denn ein bedeutender Teil dieser Waffen landet über kurz oder lang in den Kriegsgebieten dieser Welt, mal legal und mal illegal, aber immer tödlich. Die Kleinwaffen gelten zu Recht als die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts. Von einem solchen Verbot sollten die NATO-Länder genau so betroffen sein wie andere Staaten.

4. Ein breites Bündnis von Organisationen der Friedensbewegung plant unter dem Namen „Aktion Aufschrei“ eine Kampagne, mit der eine Grundgesetz-Änderung zum grundsätzlichen Verbot von Kriegswaffen erreicht werden soll. Wie stehen Sie zu dieser Vision?

Wie gesagt, ich bin auch für ein grundsätzliches Exportverbot. Ob dafür eine Grundgesetzänderung vorgenommen werden sollte, ist für mich eine offene Frage. Einerseits halte ich das für einen starken Weg, der so schnell nicht rückgängig gemacht werden kann. Andererseits gibt es in letzter Zeit derart viele Forderungen nach Grundgesetzänderungen in den verschiedensten thematischen Bereichen, dass ich mich manchmal frage, ob wir da nicht einen Schritt zu weit gehen und das Grundsätzliche des Grundgesetzes etwas aus den Augen verlieren.

5. Es ist seit langem bekannt, dass der deutsche Kleinwaffenhersteller Heckler & Koch überschuldet ist. Nun mehren sich die Anzeichen, dass die geplante Refinanzierung und Umschuldung noch schwieriger werden könnte, als abzusehen war. Was wird oder was sollte geschehen, sollte Heckler & Koch in der zweiten Jahreshälfte Insolvenz anmelden müssen?

Das wäre eine gute Nachricht für all die Menschen, die in Konfliktgebieten leben und jeden Tag damit rechnen müssen, mit einer Heckler & Koch-Waffe getötet zu werden. Von mir aus könnte die Firma ganz dicht machen. Die meisten der dort Beschäftigten sind hochqualifiziert und werden wahrscheinlich problemlos auch anderswo in der Nähe eine gute Arbeit finden. Allerdings gibt es ein Problem: Wer sagt, dass die Bundeswehr erst mittelfristig ganz abgeschafft und bis dahin zu einer reinen Verteidigungsarmee umgebaut wird, sagt damit auch „Ja“ zu einer gewissen, eingeschränkten Waffenproduktion in Deutschland. Auch eine Verteidigungsarmee kann nicht nur mit Wattebäuschchen werfen. Deshalb wäre eine Verstaatlichung von Heckler & Koch vielleicht keine schlechte Idee. Das Unternehmen würde dann ausschließlich für den Bedarf der Bundeswehr produzieren und müsste auch nicht mehr exportieren, um wirtschaftlich zu überleben.

Vielen Dank für das Interview!

Weitere Informationen und Hinweise über die aktuelle Arbeit von Jan van Aken finden sich auf der Internetseite http://www.jan-van-aken.de/

5. Bundeswehr-Reform: Ein Debakel

Zweifel begleiten die Bundeswehr seit ihrer offiziellen Gründung im Jahr 1956. Ist diese „integrierte“ Armee überhaupt eine Armee im strengen Sinn, oder nicht doch eher ein einfacher NATO-Befehlsempfänger ohne eigenen operativen Spielraum? Sind die aufgestellten Einheiten wirklich einsatzfähig oder nur „bedingt abwehrbereit“? Und nicht zuletzt: Sind die deutschen Truppenverbände personell stark genug und verfügen sie über genügend moderne Waffen, um ihren Auftrag zu erfüllen? Früher konnten solche Fragen, wenn man sie nicht nur stellte, sondern auch zu beantworten versuchte, zu Problemen führen. Die Spiegel-Affäre zeigt es. Heute dagegen scheint es, dass die größten Bundeswehr-Kritiker im Verteidigungsministerium sitzen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière sieht, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, die Bundeswehr personell überbesetzt, mit veralteten Waffen, in unzeitgemäßen Organisations-Strukturen und geführt von einem Offizierskorps in dem es „zu viele Stäbe und zu viele Generalstäbe“, kurz: „zu viel Aufsicht für zu wenig Arbeit“ gibt.

Es ist nachvollziehbar, wenn der Opposition angesichts von so viel Selbstkritik nur noch wenig Substantielles zu sagen übrigbleibt. Wenn Cem Özdemir als Bundesvorsitzender von Bündnis ’90/Die Grünen die angekündigten Ziele der Bundeswehr-Reform jedoch begrüßt – insbesondere die Aufstockung der für Auslandseinsätze vorgesehene Kräfte – dann ist das nicht mehr nachvollziehbar. Fast scheint es, als sei die Bereitschaft der deutschen Politik, Organisation, Struktur, Aufgabenbereich, „Fähigkeitsprofil“ und Einsatzmodalitäten der Bundeswehr politisch zu gestalten, eher gering zu sein. Ruft man sich in Erinnerung, welche Debatten um die Bundeswehr in den vergangenen Jahren geführt wurden, so fällt grundsätzlich eine latente Gestaltungsunwilligkeit der verantwortlichen deutschen Politiker auf.

Das geplante neue Militärtransportflugzeug A400M muss demnach nicht deshalb beschafft werden, weil es benötigt wird, sondern weil es den Bündnispartnern vertraglich zugesichert worden ist. „Intelligente“ Streumunition kann nicht aus den Beständen der Bundeswehr ausgemustert werden – selbst dann, wenn sie nicht eingesetzt werden soll – , weil dies die Interoperabilität gefährden würde. Wenn sich die Regierung entschließt, sich nicht an einem NATO-Einsatz zu beteiligen, also deutsche Soldaten nach Libyen zu entsenden, dann geht dies nur, wenn im Gegenzug AWACS-Flugzeuge an den nicht weniger umstrittenen Kriegsschauplatz Afghanistan geschickt werden. Mit den nun vorgestellten Reformzielen soll der Gestaltungs- und Kontrollspielraum noch weiter eingeschränkt werden. Schließlich sollen, geht es nach dem Willen des Verteidigungsministers, künftig auch dann deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden, wenn deutsche Interessen (wirtschaftlich? sicherheitspolitisch? kulturell?) bei dem Einsatz nicht berührt werden. Wenn dies die zukünftige Linie sein soll, worüber soll das Parlament dann überhaupt noch abstimmen, wenn ein Antrag zur Entsendung der Bundeswehr zur Abstimmung vorgelegt wird? Offensichtlich wird es dann irrelevant sein, ein Für und Wider abzuwägen, da es ja keine positiven Gründe für eine weltweite Entsendung deutscher Soldaten mehr geben muss.

Angesichts des Niveaus der derzeit geführten Reformdebatte gilt es, einige grundlegende Fakten in Erinnerung zu rufen:

  • Natürlich ist die Bundeswehr personell überbesetzt. Aber die Schuld für diese Situation liegt nicht in der Armee selbst, sondern bei der Politik, die nach dem Ende des Ost-West-Konflikts einerseits eine Wehrpflichtarmee zur Landesverteidigung „gegen wen auch immer“ bewahren wollte und gleichzeitig diese Wehrpflichtarmee zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee „transformieren“ wollte. So musste einerseits der Personalbestand aufrechterhalten bleiben, der für die Ausbildung der Wehrpflichtigen verwendet werden konnte und andererseits die Interventionstruppen.
  • Die Organisations-Strukturen der Bundeswehr bilden diese doppelte Aufgabenstellung strukturell ab. Die so genannte „Streitkräftebasis“ war bisher für die Wehrpflichtigen verantwortlich, die Division Spezielle Operationen und die Division Luftbewegliche Operationen kommt in den Auslandseinsätzen zum Einsatz. Diese Struktur ist komplex, aber sie als ineffizient zu kritisieren ist unaufrichtig, da sie aus dem Willen der gleichen Politiker entstanden ist, die eine Interventionsarmee aufbauen und an der Wehrpflicht festhalten wollten.
  • Natürlich gibt es im Rahmen dieser Organisations-Strukturen „zu viele Stäbe und zu viele Generalstäbe“. Aber wenn eine Wehrpflichtigenarmee im Konfliktfall eine „Aufwuchsfähigkeit“ besitzen soll, so ist sie in „Friedenszeiten“ (wenn man die Abwesenheit von Krieg wirklich so nennen möchte) auf ein überproportional großes Offizierskorps angewiesen. Die entsprechenden Soldaten dafür zu kritisieren, dass sie zu wenige Aufgaben zu erfüllen haben, ist schlicht Humbug, da die Situation strukturell bedingt – und so gewollt ist.
  • Wenn Angehörige der Bundeswehr die Ausrüstung kritisieren, die ihnen zur Verfügung steht, so ist dies vor allem als Selbstkritik zu bewerten. Die Bundeswehr entscheidet selbst, welche Eigenschaften die von ihr verwendeten Waffen erfüllen sollen. Insofern verfügt sie in ihren Arsenalen nicht über veraltete oder unzweckmäßige Waffen, sondern über exakt die Waffen, deren Entwicklung sie in Auftrag gegeben hat. Natürlich sind das nicht selten komplexe Waffensysteme, die aus multinationalen Rüstungskooperationsprojekten stammen. Natürlich hat es von der Vertragsunterzeichnung (1986) bis zur Indienststellung (2006) exakt 20 Jahre gedauert, bis der Jäger 90 / Eurofighter / Typhoon eingesetzt wurde. Dies ist jedoch kein Zufall, sondern eine direkte Konsequenz aus den politischen Veränderungen, die sich in dieser Zeit ereignet haben, was – auf Wunsch der wechselnden Verteidigungsminister – zu Änderungen am ursprünglich konzipierten Projekt geführt hat.
  • Die Bundeswehr ist nicht strukturell unterfinanziert. Wenn sich das Verteidigungsministerium entschließt, „veraltete“ Waffensysteme einzuführen und zu kaufen, weil dies gegenüber den „Bündnispartnern“ vereinbart wurde und die entsprechenden Verträge nicht geändert werden sollen, dann rechtfertigt das nicht eine Erhöhung des Verteigungshaushaltes. – Eher sollte über eine Kürzung nachgedacht werden, um auf diese Weise das Ministerium daran zu hindern, Waffen, die die Bundeswehr selbst nicht mehr will, kaufen zu müssen.

Aus friedensethischer Perspektive bleibt festzuhalten, dass eine Reform der Bundeswehr derzeit überhaupt nicht angebracht ist, da – bevor entsprechende Weichenstellungen vorgenommen werden – die überfällige, ausführliche und ergebnisoffene Debatte darüber geführt werden muss, welche Aufgaben die Bundeswehr künftig wahrnehmen soll. Solange dies nicht geklärt ist, ist es völlig überflüssig, eine wie auch immer geartete „Reform“ anzustoßen.

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