DAKS-Newsletter März 2013 ist erschienen!

Ende Februar fand der zweite bundesweite Aktionstag der Kampagne „Aktion Aufschrei!“ statt. Wie schon im vergangenen Jahr gab es aus diesem Anlass wieder eine spektakuläre Aktion, zentral vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. – Mehr dazu im Newsletter.

Außerdem: ein Bericht von Robert Lindner (Oxfam Deutschland e.V.) über die antstehenden ATT-Verhandlungen in New York.

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DAKS-Newsletter März 2013

Unsere Waffen töten

Kampagne gegen Rüstungsexporte stellt Pistolen-Skulptur mit entknotetem Lauf vor das Kanzleramt

Die Bundesregierung hat das Friedenssymbol der verknoteten Pistole nicht verdient, denn die Wahrheit lässt sich nicht verdrehen: Deutschland ist weltweit der drittgrößte Waffenhändler

Berlin, 26.02.2013 – Die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ hat heute Morgen in Berlin der Bundesregierung für ihre zweifelhaften Verdienste im Rüstungsexport die Skulptur „Unsere Waffen töten“ verliehen. Sie stellt eine entknotete Replik des berühmten Friedenssymbols der verknoteten Pistole dar. 2005 hatte der schwedische Künstler Reuterswärd die „Non-Violence“-Skulptur der Bundesregierung als Anerkennung für ihre Nichtbeteiligung am Irakkrieg geschenkt.

„Eine Pistole, deren Lauf verknotet ist, steht im Bundeskanzlergarten. Non-Violence steht darunter, Gewaltlosigkeit. Eine schöne Utopie, aber leider nicht die Realität. Eine unverknotete Pistole verleihen wir dieser Bundesregierung. ’Unsere Waffen töten’ steht darunter, denn Gewalt geht von Deutschland aus, um des lieben Geldes willen“, erklärte der Franziskaner Bruder Jürgen Neitzert bei der Enthüllung der Skulptur. Er ergänzte: „Alle Bundesregierungen haben am Waffenexport teilgenommen.“

„Die Bundesregierung hat das berühmte Friedenssymbol nicht verdient! Denn die Wahrheit lässt sich nicht verdrehen: Bundesregierungen aller Couleur haben seit dem Ende des Kalten Krieges behauptet, deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sei menschenrechtsorientiert und von Werten geleitet. Im Namen der Menschenrechte haben diese Regierungen Waffenexporte genehmigt, bis die Bundesrepublik zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt aufgestiegen war.

Unter der Flagge der Menschenrechte nahm die Bundeswehr an Auslandseinsätzen teil, bis in Deutschland wieder offen von Krieg und Gefallenen gesprochen wurde. Um der Menschenrechte willen meint die derzeitige Bundesregierung, auch autoritäre Regime durch Rüstungsexporte und Ausbildungshilfen „ertüchtigen“, – ja so nennt es Angela Merkel – „ertüchtigen“ zu müssen, damit sie gemeinsam mit uns oder gar für uns eine uns genehme Weltordnung aufrecht erhalten“ kritisierte Christine Hoffmann, die pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“

Monty Schädel, der politische Geschäftsführer der DFG-VK betonte: „Es ist eine menschenfeindliche Politik, die die Bundesregierung und die Rüstungskonzerne bis hin zu den Gewerkschaften betreiben, wenn sie zur Rechtfertigung von Waffenproduktion und Waffenlieferungen die Bewahrung des eigenen Wohlstands heranziehen. Wer Waffen baut und liefert, ist egoistisch und mitschuldig an millionenfachem Mord, Krieg und Zerstörung. Der Waffenhandel muss beendet werden.“

Arms Trade Treaty: in New York nichts Neues?

von Robert Lindner (Oxfam Deutschland e.V.)

Es klingt seltsam bekannt: Bei den Vereinten Nationen in New York soll demnächst die „letzte VN-Konferenz zum Arms Trade Treaty“ (so die aktuelle ATT-Resolution) stattfinden; das seit Jahren vergeblich verhandelte Waffenhandels-Kontrollabkommen soll also endlich unter Dach und Fach gebracht werden. So ähnlich klang das bereits im vergangenen Sommer, als viele Regierungsvertreter sich zunächst überzeugt zeigten, zu einem Abschluss zu kommen. Am Ende stellte es sich jedoch als aussichtslos heraus, den geforderten Konsens zu erzielen – zu groß waren die Differenzen darüber, welche Bedingungen ein wirkungsvolles Kontrollabkommen erfüllen müsste. (Siehe dazu Berichte in Ausgaben Nr. 84, 09/2012 und Nr. 87, 12/2012.)

Verhärtete Fronten

Nichts deutet derzeit darauf hin, dass die vom 18. bis 28. März angesetzte Folgekonferenz erfolgreicher verlaufen könnte. Wie im vergangenen Jahr lassen auch diesmal die Verfahrensregeln eine Entscheidung nur im Konsens zu. Zu den entscheidenden Fragen – unter anderem zur vollen Einbeziehung von Munition, zur Kontrolle auch von Defensivwaffen, Sicherheitstechnik, Bauteilen und Technologie, zur unmissverständlichen Verankerung der Kriterien zu Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts, zur zwingenden Prüfung der Auswirkungen von Rüstungstransfers auch auf geschlechtsbezogene Gewalt, Armut und Korruption sowie zur Frage der öffentlichen Berichterstattung aller Unterzeichnerstaaten über die von ihnen erteilten Transfergenehmigungen – bestehen zwischen einer großen Mehrheit der Regierungen (darunter viele afrikanische, lateinamerikanische, europäische und pazifische Staaten) und einer kleinen, aber einflussreichen Minderheit (u.a. USA, Russland, Pakistan, Ägypten, Indien, Iran, Kuba und Nordkorea) nach wie vor zum Teil gravierende Meinungsunterschiede.

Restriktivität vor Universalität

Das internationale Kampagnenbündnis „Control Arms“ warnt die Staatengemeinschaft davor, jetzt ein schwaches Abkommen zu beschließen, das vielleicht zwar allseits akzeptiert wäre, Menschen in weltweiten Krisengebieten aber praktisch keinen verbesserten Schutz vor unverantwortlichen Waffengeschäften bieten würde. Vorgänge wie zum Beispiel die aktuellen russischen Waffenlieferungen nach Syrien müssen deshalb künftig unmissverständlich verboten sein.

Mehr Informationen im Internet:

NRO-Kampagnenbündnis „Control Arms“: www.controlarms.org

Aktuelle Berichte und Kommentare von den Verhandlungen in New York:

„Control Arms Blog“: http://controlarmsblog.posterous.com/

„Arms Trade Treaty Monitor Blog“: http://attmonitor.blogspot.de/

Twitter: Live-Tweets unter #armstreaty

Hintergrundberichte und Dokumente zum ATT-Prozess:

„Reaching Critical Will“: http://reachingcriticalwill.org/disarmament-fora/att

Medienberichte: Steigende Rüstungszahlen und die moralische Verantwortung

In Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) findet alle zwei Jahre die IDEX statt (International Defence Exhibition and Conference), dieses Mal mit einem Besucher des Deutschen Bundestages, genauer der Fraktion DIE LINKE. Jan van Aken lieferte ein passendes Fazit der Militärmesse: „Die Leichen sieht man hier nicht!“ Doch genau die würden ja durch die beworbenen Waffen erzeugt. Also keine ehrliche Sache, so eine Rüstungsmesse. Ehrlich aber, dass sie in einer Region stattfindet, die zurzeit enorm aufrüstet: Die Waffeneinkäufe Saudi-Arabiens bewegen sich im Milliardenbereich. Da ist es kein Wunder, wenn die Rüstungsfirmen sich präsentieren wollen, Rheinmetall, KMW, EADS und eben auch Heckler & Koch. Dass die Firma eine Produktionslinie für G36-Gewehre in dem undemokratisch regierten und kriegerisch aktiven Land (militärische Niederschlagung der Proteste in Bahrain!) aufbaut, wird zu oft übergangen. Auf der IDEX darf HK aber problemlos für seine Gewehre, Maschinenpistolen, Granatmaschinengewehre und andere „Kleinwaffen“ werben – immerhin scheint es ja Beweise zu geben, dass sie im Kampf funktionieren. Die ARD berichtete darüber.

Außerdem auf der Internetseite von Jan van Aken erhältlich: Aktuelle Antworten der Bundesregierung (in Person des Parlamentarischen Staatssekretärs Hans-Joachim Otto) auf die Fragen, in welcher Höhe im Jahr 2012 Genehmigungen für Rüstungsexporte an die Staaten des Golfkooperationsrates (Region Saudi-Arabien) und an die so genannten Maghreb-Staaten (Region Nordafrika) erteilt wurden. Leider werden hier nur Zahlen genannt. Aber bereits die Geldmenge von 1.237.288.814 Euro für Saudi-Arabien lässt Schlimmes befürchten. ARD und ZDF berichteten kurz.

Währenddessen meldet SIPRI, hier in einem Artikel des SPIEGEL, dass die Rüstungsindustrie wegen der „Sparprogramme“ (An wem wird gespart und woran nicht? Siehe griechische Waffenkäufe in Deutschland trotz einer Krise durch Sozialkürzungen!) leicht sinkende Umsätze verzeichne (etwa 5 Prozent). Doch im Artikel wird dann gleich widerlegt: Der langfristige Trend gehe nach oben, denn seit 2002 hätten sich die Umsätze verdoppelt. Man muss sich um den dritten Platz unter den Kriegsprofiteuren, den Deutschland einnimmt, also noch lange keine Sorgen machen, leider. – Die originale Pressemeldung findet sich bei SIPRI.

In einem Artikel der ARD werden kurz die deutschen Konzerne erwähnt, die „aufgeholt hätten“ und sowieso höchstens auf dem 26. Platz weltweit stünden (Rheinmetall). Als ob das beim moralischen Schaden hilft, Krieg und Konflikte ermöglicht zu haben und dies weiterhin zu tun!

Michael Sommer, DGB-Chef, hatte derweil die deutschen Gewerkschaftsführer und den Bundesverteidigungsminister zu einem Treffen eingeladen, um danach festzustellen: Das Verhältnis zum Militär sei nicht mehr belastet und der „Geist der 70er Jahre erfolgreich überwunden“, sprich die Haltung vieler Arbeiter und anderer Teile der Gesellschaft, sich gegen Angriffskriege wie Vietnam zu stellen. Nun soll mit diesen wirtschaftsschädlichen Denkweisen Schluss sein, fordert Sommer durch seine Aussagen, und lässt den deutschen Kriegsminister unwidersprochen die Bundeswehr als „Teil der Friedensbewegung“ schönreden. Mirko Knoche berichtete für die junge welt über dieses weiterhin heikle Thema.

Solche Propaganda und auch der Streit innerhalb der Gewerkschaft sind nicht neu, bekommen aber in Zeiten aktiver deutscher Kriegsbeteiligung ein ganz neues Gewicht! Wie weit geht die Solidarität der Menschen, die von Kriegsgütern leben, mit denjenigen, die in anderen Teilen der Welt damit getötet werden? Spontan denkt man an die Rüstungsregion Oberndorf, den Bodensee mit seinen vielen Waffenfirmen, Kriegsforschung an Universitäten und Kampfdrohnenplanungen der Bundesregierung. Und vieles mehr… Vor Ort gibt es sicher viele Möglichkeiten, sich gegen Rüstungsexport einzusetzen!

Ein interessanter Artikel zum Thema Rüstung und RüstungsarbeiterInnen von Arno Neuber ist vor kurzem in den Marxistischen Blättern erschienen (Heft 6, 2012).

Jürgen Grässlins „Schwarzbuch Waffenhandel“ erscheint im Mai

Das 368 Seiten starke Taschenbuch „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“ wird am 13. Mai 2013 im Heyne-Verlag erscheinen (Preis: 14,99 Euro, ISBN: 978-3-453-60237-3). Jürgen Grässlin geht darin auf die Rüstungsgeschäfte deutscher Firmen ein und gibt den „Tätern in der Rüstungsindustrie und in der Politik Name und Gesicht und den Opfern eine Stimme“, so der Autor. „Die hemmungslosen Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete und die dahinter stehende Lobbypolitik“ stellt er in den Mittelpunkt des Buches. Angesichts der Debatten im Bundestagswahlkampf ist dies ein nötiges und hilfreiches Buch, laut Verlagstext „ein Augenöffner“. Denn, so Grässlin: „Angesichts der Opferzahlen ist kein anderer Bereich der Außen-, Wirtschafts- und Militärpolitik tödlicher.“

Ab dem zweiten Quartal 2013 sollen Buchlesungen stattfinden. Der Autor bittet, Anfragen zu Leseveranstaltungen an j.graesslin@gmx.de zu richten. Weitere Informationen gibt es unter www.juergengraesslin.com

Otfried Nassauer untersucht den Wirtschaftsfaktor Rüstungsindustrie

In der NDR-Reihe „Streitkräfte und Strategien“ gab es Anfang Februar eine Sendung, in der BITS-Leiter Otfried Nassauer über die deutsche Rüstungsindustrie und ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft berichtete. Er befasst sich in dem Beitrag mit dem Titel „Deutsche Rüstungsindustrie – Überschätzter Wirtschaftsfaktor?“ mit der WiFOR-Studie, die der BDSV (Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie) in Auftrag gegeben hatte (siehe auch DAKS-Newsletter Februar 2013). Nassauer weist darauf hin, dass im Gegensatz zu den früheren Jahrzehnten des „Kalten Krieges“ heute bei vielen Rüstungsfirmen 70 bis 80 Prozent des Umsatzes durch Exporte erwirtschaftet würden. Dies ginge nur, wenn man immer wieder Tabus breche. Hier will der Verband Lobbyarbeit leisten. (Man kann sich vorstellen, dass dies auch bedeutet, auf Gesetze, Richtlinien und Gehnehmigungspraxis praktischen, finanzkräftigen Einfluss zu nehmen.) Nassauer gibt einen O-Ton von G. W. Adamowitsch, dem Hauptgeschäftsführer des BDSV, wieder, der angibt, etwa 98.000 Menschen seien direkt in der „deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ angestellt, plus ca. 220.000 weitere im gesamten Geschäftsbereich. Davon allerdings gehe, um frühere Zahlen richtig zu verstehen, der Großteil auf den Bereich der so genannten Sicherheitsindustrie, in den aber auch Kriegsmaterial eingeordnet wird. Diese neue Einteilung sieht Nassauer als Paradigmenwechsel an, der die Kategorien aufweicht und die Menge der tatsächlichen wehrtechnischen Güter (also Waffen) geringer erscheinen lassen soll. Insgesamt überzeugt ihn die Studie nicht, er sieht deutliche, auch schwere methodologische Mängel. Nachlesen kann man die Sendung beim BITS oder beim NDR, zu hören ist sie auch beim NDR.

Small Arms Survey: Informationspapier zu „Schnellfeuergewehren“

In der Reihe „Research Notes“ hat das Forschungsprojekt Small Arms Survey (Genf) im Januar ein Informationspapier über die so genannten assault rifles (im Deutschen weiterhin mit dem NS-Propagandabegriff „Sturmgewehr“ bezeichnet) herausgegeben. Der Autor James Bevan gibt (unter Mitarbeit von Christelle Rigual) in dem zweiseitigen pdf-Dokument grundlegende Informationen zu dieser Waffengattung und weist auf weitere Literatur zu diesem Thema hin. Das G36 von Heckler & Koch wird hier als eine der letzten Entwicklungen in diesem Bereich genannt, die verstärkt Polymere (kohlefaserverstärkte Kunststoffe) verwenden. Wichtig für die Exportstrategie von HK könnte der Hinweis sein, dass die US-Streitkräfte – und mit ihnen wohl viele andere Nationen und bewaffnete Gruppen – aufgrund der Langlebigkeit von Handfeuerwaffen bis weit ins 21. Jahrhundert keine grundlegenden Modellwechsel vornehmen, sondern die bereits vorhandenen Modelle der M16-Reihe lediglich weiterentwickeln werden. Auch werden, so Bevan, viele Staaten bei den bereits vorhandenen Munitionsgrößen bleiben (für „westliche“ Armeen also 5.56 NATO oder 7.62 NATO), zum einen aus ökonomischen Gründen, zum anderen, um im Einsatz Truppen verschiedener Staaten mit Munition versorgen zu können. Auch hier wird sich ein Hersteller wie Heckler & Koch sicher anpassen, wie mit dem HK416 und HK417 ja bereits geschehen.

Dass die russische Produktionsfirma der Kalaschnikow-Gewehre derzeit wieder stark über Existenzprobleme klagt, hilft dabei wenig, denn ist das Know-how einmal exportiert, ist die weitere Fertigung und der Verkauf unkontrollierbar. Gerade deswegen ist der Aufbau von G36-Fertigungskapazitäten in Spanien und neuerdings in Saudi-Arabien so skandalös (genauso wie die türkische Produktion von HK416-ähnlichen Gewehrtypen). Da nützt es auch nichts, dass die HK-Firmenvertreter heucheln, wichtige Teile würden weiterhin in Deutschland gefertigt. Die Bundesregierung hält sich in diesem wichtigen Punkt nicht an ihre eigene Vorgabe, keine Produktionslinien im Ausland mehr aufzubauen. Obwohl sie wissen muss, dass sie den Reexport nicht unterbinden kann – die G36-Exemplare, die in Libyen oder Georgien gefunden wurden, beweisen dies. (Falls diese Waffen nicht doch direkt von HK Oberndorf – also illegal – geliefert wurden. Bewiesen oder widerlegt ist hierbei nichts, die Firma steht weiterhin unter Verdacht, deutsches Recht gebrochen zu haben. Die Staatsanwaltschaft ist in der Pflicht zu ermitteln.)

Worauf mensch sich gefasst machen kann: Deutsche Handfeuerwaffen (womöglich G36, MP5 oder gar türkische HK416-Modelle) in der Hand der Gegner des syrischen Regimes. Die junge welt und die ZEIT berichteten bereits über derartige Dinge. Auch dann wird wieder die Frage gestellt werden, woher die Waffen kamen. Doch eigentlich braucht es keinen weiteren seltsamen Fund von G36 oder ähnlichen Waffen in Kriegsgebieten, denn die bereits jetzt ausstehende Klärung (und sie wird wohl, wie im Fall von Mexiko, noch lange ausstehen – so lange, bis sie ausgesessen ist?) macht mehr als deutlich, dass das deutsche System zur Kontrolle des Rüstungsexports nicht funktioniert bzw. eigentlich nicht existiert. Von daher ist die einzig richtige Forderung (wie bei allen lebensgefährlichen Gütern): Rüstungsexporte gehören verboten – allen voran Kleinwaffen, an denen zwei Drittel der Opfer bewaffneter Gewalt sterben!

Und: Ein Aspekt, der vom Small Arms Survey überhaupt nicht erwogen wird, sind die sozialen Folgen der Verbreitung von Kleinwaffen. Folgen, die in vielen Fällen weder legalistisch noch moralisch gerechtfertigt werden können. Erschwerend zu dieser Realsituation kommt hinzu, dass die Opfer dieser Waffen meist in Gesellschaften leben, die bereits seit Jahrzehnten unter Gewaltstrukturen zu leiden haben: Es ist also nötig, über den technischen Aspekt hinaus die soziale Perspektive auf das Thema zu betonen – wie etwa durch die Rundreise Emanuel Matondos über die deutschen Waffenexporte ins südliche Afrika oder durch den von IPPNW geplanten Kongress „Zielscheibe Mensch“. Sonst bleiben die Opfer ohne Stimme und die Waffenhandwerker können ihre „Produkte“ weiterhin als moralisch integer verkaufen – und dabei Profit machen.

Deutsche Welle thematisiert Leben von Kindersoldaten

In einem dw-Beitrag vom 12. Februar 2013 berichtet Christina Ruta unter der Überschrift „Menschenrechte: Wenn Kinder in den Krieg ziehen…“ über die Situation von Kindersoldaten in Uganda und über die meist schwierige soziale Wiedereingliederung von traumatisierten Kindern. Der Artikel zitiert Ninja Charbonneau, Pressesprecherin von UNICEF, die sich auf den vor kurzem erschienen „Schattenbericht 2013“ bezieht, wenn sie sagt: „Ein Defizit sehen wir darin, dass ehemaligen Kindersoldaten, die in Deutschland als Flüchtlinge ankommen, nicht ausreichend geholfen wird, und dass ihre Angst vor Rekrutierung beispielsweise nicht als Asylgrund anerkannt wird.“

Der Bericht wird vom „Deutschen Bündnis Kindersoldaten“, in dem zwölf namhafte Hilfsorganisationen zusammengeschlossen sind, herausgegeben. Darin muss ein weiteres Mal die Politik der Bundesregierung in Sachen Kindersoldaten kritisiert werden. Diese halte sich zudem bei ihrer eigenen Armee nicht an die internationalen Richtlinien, wenn sie 17-Jährige rekrutiere und in Schulen beschönigende Werbung für die Bundeswehr betreibe.

Die Kinderhilfsorganisation terre des hommes weist darauf hin, dass der Einsatz von Kindern an der Waffe ohne leichte, „kinderleicht“ zu bedienende Waffen nicht möglich wäre. Die Hilfe für die betroffenen Kinder seitens der Bundesregierung muss also auch mit einem Umschwenken in Sachen Kleinwaffen-Export einhergehen. Auch darauf geht der Schattenbericht ein.

Winnenden: Warten auf ein Grundsatz-Urteil

Auch vier Jahre nach dem Amoklauf kehrt in Winnenden keine Ruhe ein. Wie mit der Erinnerung an das Verbrechen umgegangen werden soll, bleibt genauso unklar, wie die Frage, wer alles Verantwortung und Schuld an der Bluttat trägt. Selbstverständlich gilt dies insbesondere auch für die Schuldfrage in rein juristischer Hinsicht.

Unmittelbar nachdem bekannt geworden war, dass sich der Amokschütze Tim K. die Waffen für seine Tat verschaffen konnte, weil sein Vater diese als Sportschütze legal besaß, war klar, dass es zu einem langwierigen juristischen Tauziehen kommen würde. Dabei bleibt die Frage, ob die Tat wirklich hätte verhindert werden können, wenn die Waffen „ordnungsgemäß“ verschlossen aufbewahrt worden wären, natürlich rein spekulativ. Ziel des Verfahrens gegen den Vater des Amokschützen ist deshalb auch nicht die Aufarbeitung des Geschehens, sondern die Frage, ob er eine Mitschuld am Geschehen trägt. – Es ist unerquicklich, wenn die Eltern von Toten die Eltern eines Toten verklagen. Welchen Trost kann man aus einem Schuldspruch schöpfen? Zumal wenn dies bedeutet, einen anderen Trauernden zu verurteilen?

Der Prozess wird seit knapp drei Jahren geführt. Und erst sehr langsam kommt ein Ende in Sicht. Das erste Verfahren endete mit einem Schuldspruch und der Verhängung einer Bewährungsstrafe gegen den Vater. Da das Urteil wegen Verfahrensfehlern jedoch nicht in Kraft trat, wurde der Prozess erneut aufgerollt. Anfang Februar 2013 wurde das Urteil gesprochen. Erneut ein Schuldspruch. Erneut eine Bewährungsstrafe. Aber ein unwesentlich geringeres Strafmaß. All das ist unerquicklich. Und dennoch gibt es Hoffnung, das am Ende nun doch noch etwas Positives aus dem ganzen Prozess resultiert. Denn nachdem der Angeklagte angekündigt hat, gegen das Urteil des Landgerichts Berufung einzulegen, zeichnet sich nun ab, dass es mittelfristig wohl ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes geben wird. Geklärt würde damit grundsätzlich die Frage – jenseits des verhandelten konkreten Einzelfalls – ob jemand eine Mitschuld an Verbrechen trägt, die mit Hilfe von Waffen verübt wurden, die er (grob) fahrlässig in Verkehr gebracht hat. So könnte man zumindest die Frage formulieren, die juristisch betrachtet im Raum steht. Ein Grundsatz-Urteil in dieser Sache wäre mehr als willkommen, würde damit (im Falle eines Schuldspruchs) doch die Möglichkeit eröffnet, etwa auch deutsche Waffenexporte in Staaten, die bekanntermaßen die Menschenrechte ihrer Bürger verletzen, juristisch bewerten zu lassen. Die juristische Frage, die in einem solchen, rein fiktiven Folgeverfahren im Raum stünde und erörtert werden müsste, wäre, ob jemand der bereitwillig Waffen verkauft, eine juristische Verantwortung trägt, wenn diese missbräuchlich verwendet werden. Oder auch anders gewendet: Verletzt jemand, der bereit ist Waffen an von diktatorischen Regimen regierte Staaten zu liefern, nicht automatisch grob fahrlässig seine Aufsichtspflicht?

Angesichts dieser Gesamtlage wäre ein höchstrichterliches Urteil tatsächlich höchst willkommen. Klar ist aber auch, dass auch dieses den Opfern des Amoklaufs von Winnenden nicht mehr helfen wird.

Was bisher geschah
11.03.09Amoklauf in Winnenden
16.09.10Beginn des Prozesses gegen den Vater des Amokschützen
10.02.11Das Landgericht Stuttgart veruteilt den Vater zu einer Bewährungsstrafe.
22.03.12BGH hebt das Stuttgarter Urteil wegen Verfahrensfehlern auf.
14.11.12zweites Verfahren beginnt
01.02.13Das Landgericht Stuttgart verurteilt den Vater zu einer Bewährungsstrafe.

Computerunterstützte Zielsysteme: Jetzt auch für die Bundeswehr

„Jeder Schuss ein Treffer“ – in einem Kurzbericht über die neueste Generation von Zielfernrohren der US-amerikanischen Firma Horus Vision (vgl. DAKS-Newsletter 07/2012) wurde diese Redewendung als Vision vieler Militärs identifiziert, auf die engagierte Ingenieure technische „Lösungen“ zu finden versuchen. Im Fall von Horus Vision bestand das Neue darin, die von einem präzisen Entfernungsmessgerät ermittelte Schussdistanz in ein Computer-Programm zur Flugbahnberechnung einzuspeisen und auf diese Weise errechnen zu lassen, wohin der Schütze zielen muss. Bei Horus Vision sind für diese Operation noch drei Geräte notwendig. Ein Entfernungsmessgerät, ein Computer und ein Zielfernrohr.

Die technische Entwicklung geht aber natürlich weiter und so sind inzwischen Zielsysteme auf dem Markt erhältlich, die diese drei Geräte in einem einzigen System integrieren. Und: Die Bundeswehr wird sie einführen.

In Kooperation mit der australischen Rüstungsfirma NIOA entwickelte Rheinmetall ein Feuer-Leit-Visier (FeLVis) für den Abschuss z. B. von Granaten aus Granatgeräten wie dem AG36 von Heckler & Koch oder auch von Panzerfäusten und Ähnlichem. Interessant an diesem System ist, dass von ihm neben den reinen Entfernungs- auch meteorologische Daten (Windgeschwindigkeit etc.) gesammelt und in die Flugbahnberechnung integriert werden.

Ein vergleichbares System, aber in diesem Fall nicht nur für den Abschuss von Granaten, sondern auch für kleinkalibrige Munition, etwa im Kaliber 12,7 mm NATO, stellt das ebenfalls von Rheinmetall beworbene „Vingmate Fire Control System“ (Vingmate FCS) dar.

Bei der Bundeswehr allerdings konnte sich Rheinmetall mit diesen Entwicklungen bisher nicht durchsetzen, denn diese entschloss sich zum Erwerb einer sehr ähnlich aufgebauten Konkurrenzentwicklung des belgischen Waffenherstellers FN Herstal, dem „Fire Control System“ in der Modellvariante „1.5M“. Leer ging Rheinmetall dennoch nicht aus, denn wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung bekannt gab, konnte es immerhin eine Ausschreibung über 700 „Lafettenadaptierte Zielsysteme“ (LAZ) für sich verbuchen. Auch diese Zielsysteme integrieren verschiedene Sensoren und ermöglichen dadurch eine Flugbahnberechnung von Geschossen. – Entwickelt wurden diese Geräte jedoch nicht so sehr für den Einsatz bei Kleinen und Leichten Waffen, sondern eher bei Leichten und Mittleren Waffen, wie sie auf den verschiedenen Panzermodellen (Puma, Boxer etc.) der Bundeswehr zum Einsatz kommen. Vier Jahre soll es dauern, bis alle Systeme ausgeliefert worden sind. Der angegebene Wert beläuft sich auf 55 Millionen Euro.

„Jeder Schuss ein Treffer“: Auch die Bundeswehr wird dieser Vision damit näher kommen.

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