DAKS-Newsletter Juli 2013 ist erschienen!

Der neue Newsletter enthält zwei recht grundlegende Hintergrund-Texte:

Transparenz ist eine Worthülse unter der man Konsens herstellen kann. Der Small Arms Survey zeigt mit verschiedenen Studien, dass Transparenz im Bereich der Rüstungskontrolle Grenzen kennt. Für die Diskussion über eine mögliche Legitimität von Rüstungsexporten entwickelt Otfried Nassauer (BITS) eine Handreichung die Marksteine setzt und so Orientierung ermöglicht.

Konkreter wird es im Hinblick auf die Bundeswehr: der Abzug aus Afghanistan, die Neubeschaffung eines MG5 und der Skandal um das Scharfschützengewehr G27 bilden die Themen die behandelt werden.

Mit einem Nicht-Thema wollen wir uns dann in die Sommerpause verabschieden. Die Frage die im Raum steht: was passiert eigentlich gerade in der Zentralafrikanischen Republik? – Eine Antwort haben wir nicht gefunden, denn Berichte gibt es kaum. Wir haben uns jedoch an einer kurzen Situationsbeschreibung versucht.

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DAKS-Newsletter Juli 2013

Small Arms Survey zeigt die Grenzen von „Transparenz“

Mehr Transparenz! – Das ist eine Forderung, die von Politikern alle Couleur erhoben wird, wenn sie danach befragt werden, wie die Rüstungsexportkontrolle verbessert werden soll. So zuletzt anlässlich einer Podiumsdiskussion geschehen, die von der „Aktion Aufschrei!“ in Lindau organisiert wurde.

Mehr Transparenz, das ist auch die Vision, die der UN Arms Trade Treaty propagiert. Sein Ziel ist es, den Handel mit Waffen nachvollziehbar zu machen. So soll die transnationale Kontrolle der Warenströme vor allem auch dadurch hergestellt werden, dass die je nationalen Kontrollsysteme ihre Daten über gehandelte Waffen nicht einfach nur erheben, sondern mit den anderen Staaten der Staatengemeinschaft austauschen. Dazu ist es notwendig, dass jedes Land „effektive und transparente nationale Kontrollsysteme“ etabliert (Art. 5 Ziff. 5). Dazu gehört, dass im Vorfeld eines Waffenexports die Exportnation alle hilfreichen Informationen an die Importnation – und eventuelle Transitstaaten – übermittelt, sofern sie darum gebeten wird (Art. 7 Ziff. 6). In gleicher Weise sollen Importnationen alle Informationen sammeln und zur Verfügung stellen (Art. 8 Ziff. 1). Die Vermittlung von Waffen wird dadurch reguliert, dass in diesem Geschäftsfeld tätige Personen sich registrieren und auf diese Weise autorisieren müssen (Art. 10). Das Mittel der Wahl, um ein Verschwinden von Waffen (Diversion) zu verhindern, ist die zusätzliche Dokumentation der Geschäfte bzw. das Erstellen von Bescheinigungen und Erklärungen, die den Endverbleib der Waffen garantieren (Art. 11 Ziff. 2). Wichtig ist aber natürlich, dass auch in diesem Fall alle notwendigen Informationen geteilt werden (Art. 11 Ziff. 5). Positiv ist jedoch, dass nicht nur daran gedacht wurde, dass Informationen geteilt werden sollen, sondern dass auch festgeschrieben wurde, die vorhandenen Informationen zu archivieren. Und das für einen Zeitraum von immerhin zehn Jahren (Art. 12).

Mehr Transparenz ist also ein Thema in der Diskussion zum Thema Rüstungsexport. Eine Handreichung und einen Beitrag zur weiterführenden Debatte hat nun der Small Arms Survey mit verschiedenen Publikationen zum Thema „Marking, Record Keeping, Tracing“ vorgelegt. Darin enthalten ist eine Untersuchung über verschiedene Methoden der Markierung von Kleinwaffen. Vorgelegt wird aber auch eine Art Bewertung der derzeit geübten Praxis der Markierung von Kleinwaffen, basierend auf einem mehrjährigen Kleinwaffen-Markierungsprogramm in der Region der Großen Seen. Auch über dieses Projekt als solches liegt eine ausführliche Studie vor. Ergänzt werden diese Reflexionen über eine Fallstudie über die Verbreitung von Kleinwaffen-Munition in Libyen. Insbesondere diese letzte Publikation ist äußerst lesenswert, da sie nicht nur einzelne Kleinwaffen-Munitionslieferungen an das Gaddafi-Regime dokumentiert, sondern auch einen Eindruck von der Langlebigkeit der „Produkte“ gibt. – Die älteste in den Depots gefundene Munition stammt aus Italien und datiert ins Jahr 1936. Da Libyen zum damaligen Zeitpunkt italienische Kolonie war, gelangte diese Munition jedoch streng genommen nicht auf dem Weg eines Waffenexports in das Land.

In diesem Sinn sind die Publikationen des Small Arms Survey vor allem auch deshalb bedenkenswert, weil sie auf die Grenzen von Transparenz hinweisen. Wenn Kleinwaffen-Munition auch nach 77 Jahren noch soweit funktionsfähig ist, dass sie in Depots nachgewiesen werden kann, dann stellt dies das System von Rüstungskontrolle, das auf Endverbleibserklärungen und Transparenz setzt, als solches in Frage.

Zur ethischen Debatte über Rüstungsexporte

von Otfried Nassauer (BITS)

Rüstungsexportkritikern wird gelegentlich die Frage gestellt, welche Rüstungsexporte sie denn für legitim halten. Die deutsche Politik sei doch bereits viel restriktiver als die anderer Länder. Auf den ersten Blick eine harmlose Frage mit vielen möglichen Antworten. In andere NATO-Länder? An die Partner in der EU? An friedliebende Nationen mit hohen Menschenrechtsstandards? Mit diesen Antworten würde sich der Fragesteller vermutlich zufrieden geben. Er würde allerdings diskutieren wollen, ob nicht noch weitere legitime Empfänger deutscher Rüstungsgüter existieren. „Wo liegt die Grenze zwischen ethisch legitimen und illegitimen Rüstungsexporten?“ So lautet seine eigentliche Frage.

Dass diese Ausgangsfrage einseitig und ein bisschen hinterhältig ist, merkt nur, wer sich fragt, ob die ethische richtige Antwort nicht „keine“ lauten müsste. Wer so antwortet, muss damit rechnen, von seinem Gegenüber als realitätsfremder Idealist gebrandmarkt zu werden, der keine tagespolitisch taugliche Antwort zu geben vermag. Oder er muss masochistisch genug veranlagt sein, um sich auf ein Frage- und Antwortspiel einzulassen, das an die typischen Kriegsdienstverweigerungsverhandlungen der 60er oder 70er Jahre erinnert: „Wie? Sie wollen aus ethischen Gründen nicht töten? Niemals? Was machen Sie denn, wenn Ihre Freundin im Wald vergewaltigt werden soll? Würden Sie sie nicht mit der Waffe verteidigen, die sie zufällig dabeihaben? – „Wie? Sie lehnen alle Rüstungsexporte ab? Soll Deutschland sich etwa weigern, selbst Partnerstaaten zu helfen, damit diese sich verteidigen und ein funktionierendes staatliches Gewaltmonopol garantieren können?“

Die Fragestellung kehrt die Beweislast um. Nicht der, der das ethisch Fragwürdige tun und Waffen exportieren oder sogar an solchen Exporten verdienen will, muss seine Position ethisch begründen, sondern der, der ein solches Handeln ablehnt. Schon dadurch wird die Diskussion und deren Ergebnis präjudiziert.

Das gilt nicht nur für die Diskussion über Rüstungsexporte. Auch wenn über die Legitimität von Interventionen, also Angriffskriegen, diskutiert wird, gibt es solche Fragen: „Wann halten Sie denn ein offensives militärisches Eingreifen für legitim?“ Antwortet man mit der UN-Charta „nie“, so ist man erneut der weltfremde Idealist oder muss sich immer häufiger mit dem Argument der Schutzverantwortung auseinandersetzen, der Responsibility to Protect (R2P). „Menschen, die unter einem die Menschenrechte verletzenden Regime leiden, müssen doch durch die internationale Gemeinschaft geschützt werden – im Extremfall auch mit militärischen Mittel. Sei es, dass man die Opposition bewaffnet oder sei es, dass man militärisch eingreifen muss. Nichts zu tun, verbietet sich doch aus ethischen Gründen.“

Ob Rüstungsexporte, Interventionen oder Kriegsdienstverweigerung – in allen drei Fällen beginnt die Frage nach der ethischen Zulässigkeit meist bei einer aktuellen „tagespolitischen“ Problemstellung und setzt deren konkretes situatives Umfeld voraus. Es geht also um die ethische Rechtfertigung dessen, was der Fragesteller für richtig hält und tun will. Nicht um die Frage, ob das, was er tun will, ethisch überhaupt vertretbar ist.

Das umgekehrte Vorgehen ist angebracht: Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob und unter welchen Bedingungen Töten, ein Krieg oder Rüstungsexporte überhaupt legitim sein können und dann kann gefragt werden, ob dies für ein konkretes Vorhaben eine Legitimation darstellen kann.

MG5: Haushaltsausschuss beschließt Beschaffung

In nicht-öffentlicher Sitzung hat der Haushaltsausschuss des Bundestages am 26. Juni 2013 getagt und dabei auch über die Freigabe von Mitteln für die geplante Anschaffung (vgl. DAKS-Newsletter 06/2013) des Maschinengewehrs MG5 beraten. – Ein Wunder ist leider nicht passiert.

Beschlossen wurde, 65 Testwaffen zu kaufen und diese Waffen einer letzten Felderprobung zu unterziehen. Die Gesamtmittel, die hierfür bereitgestellt werden, belaufen sich auf 2,76 Millionen Euro. Schon jetzt soll – so der Beschluss des Ausschusses – ein „aufschiebend bedingter Rahmenvertrag“ mit Heckler & Koch geschlossen werden, der die ersten Details über die künftige Lieferung regelt. Nach erfolgreich abgeschlossener Erprobung soll dann eine erste Charge von 7.114 Waffen im Wert von 118,4 Millionen Euro angeschafft werden. Mittelfristig ist jedoch – je nach vorhandenem Bedarf – noch eine zweite Charge im Gespräch, die weitere 5619 Waffen beinhalten soll.

Die Bundeswehr „kehrt zurück“ – aber nicht mit allen Waffen!

Die Berichterstattung über die logistischen Herausforderungen des Bundeswehr-Abzugs aus Afghanistan ist äußerst homogen. Im Folgenden sei ein ARD-Bericht von Sabine Rau, Christian Thiels und Jürgen Osterhage mit dem Titel „Rückkehr aus dem Krieg“ zum Anlass genommen, um diesen journalistischen Konsens kritisch zu hinterfragen.

Die erste Beobachtung: Es wird viel gejammert (als ob man es nicht in dem Moment weiß, dass man all das wieder heimbringen muss, wenn man es dorthin verschifft!). Die zuständige Organisatorin, Oberstleutnant Gabriele Voyé, hat jede Menge zu tun. Ihre Aussage klingt so: „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir das, was wir reingebracht haben, auch wieder mit zurücknehmen, insbesondere dann, wenn es sich um Dinge, Materialien handelt, die im weitesten Sinne der Umwelt schaden, den Menschen schaden oder Ähnliches.“ (Minute 16:40) – Doch was ist mit den Waffen, mit denen die Bundeswehr lokale Sicherheitskräfte ausgerüstet hat? G3-Gewehre sind ja schon als Waffenlieferung bekannt (siehe DAKS-NL Juli 2010), aber wie sieht es mit anderen Schusswaffen (vorrangig von Heckler & Koch) aus, mit MP5-Maschinenpistolen, G36- und HK417-Gewehren und ähnlichen Waffen? Aufklärung tut hier dringend not! Man denke nur an die fahrlässige Art, wie etwa US-Truppen (aber sicher auch andere Armeen) im Irak Waffen verschenkt oder einfach „verloren“ haben (siehe DAKS-NL März 2009).

Wenn es bei diesem „Abzug“ keine Aufmerksamkeit auf die wahren Massenvernichtungswaffen gibt, dann können wir davon ausgehen, dass Waffen zurückbleiben und dass es die Leute von der Bundeswehr nicht belastet. Doch die Anwesenheit von Waffen in einem Krisengebiet belastet die Menschen dort – und zwar im Extremfall tödlich oder im weit häufigeren Fall durch eine unsichere Gesellschaft –, weil keine Kontrolle stattfindet. Für wen wird der Polizeirekrut seine Waffe abfeuern, in der Zukunft, wenn die ausländischen SoldatInnen nicht mehr da sind? (beziehungsweise nur wenige „Ausbilder“ und geheime Sonderkommandos) Die Schusswaffen, ob es G3 sind oder etwas Moderneres, halten mehrere Jahrzehnte; Munition hat entweder die deutsche Regierung mitgeliefert oder sie kommt aus den nahen (Lizenz-)Fabriken in Pakistan, das wird also kein „Problem“ sein.

Die Bundeswehr säubert ihre Panzer mit Ameisensäure, damit keine Tierseuchen in die EU gebracht werden, doch die wahre Seuche – Kleinwaffen – lässt sie in Afghanistan. Sie ist also aufgerufen, hier den öffentlich geführten Gegenbeweis zu erbringen. Oder sie erweist sich ein weiteres Mal als (intransparenter) Rüstungsexporteur.

Heckler & Koch weist Kritik am Scharfschützengewehr G27 zurück

Heckler & Koch hat in einer Presseerklärung zu den gegen das G27-Gewehr erhobenen Vorwürfen Stellung genommen. Das Rüstungsunternehmen stellt darin klar, dass ihm „keinerlei Defekte oder Ausfälle des Gewehres G27 im Rahmen von Kampfhandlungen der Bundeswehr bekannt“ sind. Zu einem Ausfall der Waffe im Gefecht sei es also zu keinem Zeitpunkt gekommen.

Der Vorgang ist insofern bemerkenswert, als dass zu keinem Zeitpunkt der Vorwurf im Raum stand, es sei im Rahmen von Kampfhandlungen zu Problemen mit dem G27 gekommen. Die von Bild und Welt kolportierten Vorwürfe besagen, dass aus den Reihen des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr auf technische Probleme hingewiesen wurde, die dazu führten, dass dem G27 die „Genehmigung zur Nutzung“ von Seiten der Bundeswehr entzogen wurde. Ein Versagen der Waffe im Rahmen von Kampfhandlungen, wurde zu keinem Zeitpunkt diskutiert. Zwei Vorwürfe stehen dagegen im Raum:

  1. Nachdem die Probleme gemeldet wurden, hat es 14 Monate gedauert, bevor es zu einer erneuten Zulassung des Gewehrs im Truppengebrauch kam. Zwischen 16. März 2011 und 14. Mai 2012 durfte das G27 nicht verwendet werden. Wer dafür verantwortlich ist, dass die Wieder-Zulassung so lange dauerte – Heckler & Koch oder die Verwaltungsinstanzen der Bundeswehr – wurde nicht disuktiert.
  2. Der Beamte des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB), der das G27-Projekt betreute und die technische Überarbeitung der Waffen einforderte, wurde abberufen und in das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) „strafversetzt“. Gegen diese Abberufung klagte er – und bekam Recht. Das Verwaltungsgericht Koblenz verwies in seiner Urteilsbegründung (Az. 2K 964/12.KO) darauf, dass auf Grund der „Äußerung seines Teamleiters, er dürfe das Vorhaben ‚Scharfschützengewehr kurze Reichweite‘ auf Wunsch des Geschäftsführers der Firma B*** nicht mehr weiter bearbeiten […] erhebliche Zweifel“ bestünden, „ob die Umsetzung des Klägers einer von Dritten unabhängigen Personalpolitik des BWB entsprach“.

In diesen beiden Vorwürfen besteht der „Skandal“. Mit der Waffe, dem G27-Gewehr, hat all dies herzlich wenig zu tun. Die in der Presseerklärung von Heckler & Koch vertretene These, die Berichterstattung in der Presse sei Teil einer „mittlerweile seit über drei Jahren andauernden und gezielten Kampagne, die offensichtlich dazu dienen soll, die Reputation des Unternehmens als Technologieführer und zuverlässiger Partner der Streitkräfte zu beschädigen“, überzeugt deshalb nicht. In der Kritik steht nicht die behauptete Technologieführerschaft, sondern die offenbar recht langen Dienstwege zwischen BWB und Industrie. Vor allem aber die von Seiten der Geschäftsführung von Heckler & Koch her erfolgte Einmischung in die Personalpolitik einer staatlichen Behörde.

Nicht im Blick der Öffentlichkeit: Zentralafrikanische Republik

Die Situation in der Zentralafrikanischen Republik bleibt weiterhin völlig undurchschaubar. Vor 100 Tagen marschierten die Kämpfer des Milizen-Bündnisses Seleka in der Hauptstadt Bangui ein, stürzten den Präsidenten François Bozizé und setzten eine Übergangsregierung ein. Diese bestand in weiten Teilen aus den verschiedenen Führern der in Seleka zusammengeschlossenen Milizen. Bereits Mitte Juni 2013 hatte die internationale Staatengemeinschaft gefordert, die Regierung zu entmilitarisieren und den Anteil der Zivilisten im Ministerrang zu erhöhen. – Ohne Erfolg. Nun, so scheint es, ist die Seleka-Koalition als solche zerbrochen. Nachdem es, wie die TAZ berichtete, in Bangui erneut zu Gefechten mit zahlreichen Toten gekommen ist, wurde Mohamed Moussa Dhaffane, Miliz-Kommandeur und bisheriger Minister für Wasser und Wälder, abgesetzt und verhaftet. Sein Bruder, Hamed Dhaffane, soll daraufhin gedroht haben, Bangui werde in Flammen aufgehen. – Auch er wurde verhaftet. – Dhaffanes Miliz hat, nach Informationen der TAZ, derweil begonnen, Straßensperren zu errichten.

Appelle an die internationale Staatengemeinschaft richtet derzeit vor allem der Bischof des Erzbistums Bangui, Dieudonné Nzapalainga, der sich zurzeit in Europa aufhält. Gegenüber dem französischen Sender RFI erklärte er: „La Centrafrique est un pays qui se meurt petit à petit.“ Die Situation im Land habe sich demnach durch den Sieg der Rebellen-Koalition nicht stabilisiert, stattdessen sei der Staat in seinen Grundgefügen erschüttert, da die Seleka-Koalition im Gefolge ihres militärischen Sieges begonnen habe, die Verwaltung des Landes umzubesetzen und militärische Führer in zivile Ämter einzusetzen. Die Situation der rund 250.000 Flüchtlinge, die vor den Kämpfen geflohen sind, hat sich seit dem Regimewechsel nicht verbessert.

Gegenüber Radio Vatikan erläuterte Valerie Kaye (Caritas International), dass Schulen, Krankenhäuser und Banken nach wie vor nicht arbeiten könnten. Erschwert wird die Einschätzung der Situation dadurch, dass es kaum Berichte über die Lage außerhalb der Hauptstadt Bangui gibt. Sollten sich die Beschreibungen jedoch übertragen lassen, dann ist klar, dass die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik eine humanitäre Katastrophe durchleben.

Unter diesen Umständen sollten Berichte über religiös indizierte Gewalt gegen christliche und katholische Einrichtungen nicht überbewertet werden. Wenn, wie der Bischof von Bangassou, Juan-José Aguirre Muñoz, berichtet, im Gefolge des Putsches Plünderer gegen „Christen und insbesondere gegen die katholische Kirche sehr hart vorgegangen sind“, dann fügt sich das in die katastrophische Gesamtsituation ein. Daraus abzuleiten, die katholische Kirche sei ein „bevorzugtes Ziel von Übergriffen im Bürgerkrieg“, wie es Radio Vatikan in einem Beitrag getan hat, greift demnach zu kurz und trägt nicht zur Entspannung des Konflikts bei.

In gleicher Weise greift es zu kurz, auf eine Intervention von außen zu warten oder zu hoffen. Schon jetzt zeigen verschiedene Staaten eine teils recht aktive militärische Präsenz. So stockte die ehemalige Kolonialmacht Frankreich kurz vor der endgültigen Einnahme Banguis das dort stationierte Truppenkontingent auf. Im Land stationiert sind damit nun rund 550 Soldaten, die den Schutz der französischen Staatsangehörigen sicherstellen und helfen sollen, den internationalen Flughafen, die Botschaften in Bangui und die zentralen Versorgungseinrichtungen der Hauptstadt zu sichern.

Während die französischen Soldaten nicht versuchten, die Einnahme Banguis zu verhindern, engagierten sich mindestens 200 Soldaten Südafrikas aktiv in den Kämpfen. Mehrere Soldaten starben und nach dem Regimewechsel mussten die verbliebenen Truppen überstürzt abgezogen werden. Sie wurden in die Demokratische Republik Kongo verlegt. Angesichts des aktiven Engagements der südafrikanischen Truppen wertet die TAZ den Abzug des Kontingents als eine Flucht der besiegten Truppen. Die Darstellung ist sicherlich überspitzt. Dennoch ist sie hilfreich, da sie das Augenmerk auf die erheblichen wirtschaftlichen Interessen Südafrikas in der zentralafrikanischen Rohstoff-Industrie lenkt. Der Abbau der Uran-, Gold-, Diamant- und Ölvorkommen soll wiederholt Gegenstand von Verhandlungen zwischen südafrikanischen Firmen und Repräsentanten des gestürzten Regimes gewesen sein. Auch hierüber berichtete die TAZ. Solange die ausländischen Truppen nicht unbeteiligte Dritte, sondern Partei sind, scheint ihre Präsenz im Land wenig hilfreich.

In dieser Situation erscheint ein Konzept, wie es das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) propagiert, Hilfe all jenen zukommen zu lassen, die Hilfe benötigen, unabhängig von ihrer (Konflikt-)Parteizugehörigkeit, als eine Option – nicht um die politische Sitaution zu stabiliseren oder gar zu befrieden, sondern um die akute Notsituation zu lindern.

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