DAKS-Newsletter März 2014 ist erschienen!

Ende Februar fand der dritte bundesweite Aktionstag der Kampagne „Aktion Aufschrei!“ statt. Wie schon im vergangenen Jahr gab es aus diesem Anlass wieder eine Aktion, zentral vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. – Mehr dazu im Newsletter.Zum Weiterempfehlen: Wenn Sie den Kleinwaffen-Newsletter abonnieren wollen (als kostenlose E-Mail), senden Sie uns einfach eine Mail mit dem Stichwort „Kleinwaffen-Newsletter“

DAKS-Newsletter März 2014

Aktion Aufschrei fordert Bundesregierung auf: „Grenzen öffnen für Menschen. Grenzen schließenfür Waffen.“

„Grenzen öffnen für Menschen. Grenzen schließen für Waffen“: Mit Panzerattrappen, Chorgesang und Transparenten demonstrierten Repräsentantinnen und Vertreter der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ am 25. Februar in Berlin vor dem Reichstag für die Forderung nach einem grundsätzlichen Verbot von Rüstungsexporten in Artikel 26,2 des Grundgesetzes. 95.000 Unterschriften für eine entsprechende Klarstellung im Grundgesetz wurden bereits am Vortag (25.02.) an Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn übergeben.

Die drei Sprecher der Kampagne kritisierten die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung bzw. machten auf die Fragwürdigkeit einer Politik aufmerksam, die es einerseits ablehnt (Kriegs-)Flüchtlinge aufzunehmen und andererseits Kriegswaffen in alle Welt exportiert.

Paul Russmann, Sprecher der „Aktion Aufschrei“ und Geschäftsführer der Aktion Ohne Rüstung Leben machte deutlich:

„Während die Bundesregierung mit dem Export von Grenzzäunen zum Beispiel nach Saudi-Arabien und Algerien aktiv dazu beiträgt, das Menschen hilflos auf der Strecke bleiben, machen die von Deutschland gelieferten so genannten Kleinwaffen vor Grenzen keinen Halt und tauchen überall dort auf, wo sich Krisen und Kriege anbahnen.“

Jürgen Grässlin, ebenfalls Sprecher der Kampagne und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) hielt eine Rede, die wir im Folgenden dokumentieren. Christine Hoffmann, pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der „Aktion Aufschrei“ äußerte sich bereits vor einiger Zeit innerhalb des Netzwerkes 1914-2014 zum Thema Waffenhandel. Auch diese Äußerungen dokumentieren wir im Folgenden.

Grenzen öffnen für Menschen, Grenzen schließen für Waffen!

Rede von Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei –Stoppt den Waffenhandel!“ und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) anlässlich des Aktionstags der Kampagneam 26. Februar 2014 auf der Reichstagswiese

[…] Vor nicht einmal einem halben Jahr, am 3. Oktober 2013, ertranken vor der Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa 367 Menschen. Vergeblich hatten sie versucht, von Afrika kommend mit einem Boot Europa zu erreichen. Die schockierenden Bilder wurden über Fernsehsender in unsere Wohnzimmer transportiert. Für einen kurzen Zeitraum wurde medial berichtet und von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen, was sich Tag für Tag und – mehr noch – Nacht für Nacht im Mittelmeer und an anderen Außengrenzen Europas abspielt, auch in Südost- und Osteuropa.

Menschen fliehen aus ihren Heimatländern allen voran in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten. Menschen fliehen vor der Waffengewalt der Kriege und Bürgerkriege. Menschen fliehen vor politischer Verfolgung, vor Unterdrückung und Folter, aber auch vor Armut und Hunger. Abertausende von Flüchtlingen versuchen Europa zu erreichen, einen Kontinent, in dem aus ihrer Sicht Frieden und Wohlstand herrscht.

Eine Vorstellung, die nicht immer, aber meistens zutrifft. Denn trotz eigener Probleme stellt Europa eine Art Wohlstandsinsel in einer Welt dar, die auch Anfang des 21. Jahrhunderts geprägt ist von kriegerischen Auseinandersetzungen. Laut Untersuchungen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) tobten im Jahr 2013 dreißig Kriege, immerhin vier Kriege und bewaffnete Konflikte weniger als im Jahr zuvor – ein kleiner Lichtblick.

Mit dem Tod der 367 Menschen vor Lampedusa und dem weit verbreiteten Entsetzen konnte man für einen kurzen Augenblick darauf hoffen, dass sich am Schicksal von Flüchtlingen etwas ändern würde. Dass Europa seine Grenzen endlich öffnen und die eigenen Werte von Humanität und Mitmenschlichkeit, Solidarität und der Wahrung der Menschenrechte endlich ernst nehmen würde.

Doch in Wahrheit schottet sich Europa mehr denn je ab. Unser Kontinent bildet für Flüchtlinge eine unerreichbare Festung. Maßgeblich mitverantwortlich dafür ist die europäische Grenzagentur FRONTEX.

Die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL kritisiert zu Recht, „dass mit den FRONTEX-Einsätzen im Mittelmeer und vor der westafrikanischen Küste das Flüchtlingsvölkerrecht verletzt wird. FRONTEX-Schiffe drängen regelmäßig Flüchtlingsboote zurück in Staaten, in denen sie keinen asylrechtlichen Schutz finden können. In Staaten wie Libyen droht ihnen die Kettenabschiebung, unmenschliche Haft oder Misshandlungen.“ Dabei steht das Beispiel Libyen pars pro toto als eines von vielen. Lasst mich an dieser Stelle den Forderungen von Pro Asyl Nachdruck verleihen: Die menschenrechtswidrigen FRONTEX-Einsätze müssen gestoppt und der gefahrenfreie Zugang nach Europa geschaffen werden!

Weit verbreitet ist die Ansicht, dass wir Europäer und auch wir Deutschen mit dem Schicksal von Flüchtlingen nichts zu tun hätten. Bedauerlich sei es, wenn es Menschen schlecht gehe, wenn sie fliehen müssen. Führende Politiker wollen eine Mitverantwortung Deutschlands nicht eingestehen.

Die Sachlage ist eine andere: Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Ganz legal, also mit Genehmigung der Bundesregierung, wurden und werden Kriegswaffen und Rüstungsgüter an kriegführende und an menschenrechtsverletzende Staaten, selbst an Diktaturen geliefert.

Der aktuelle Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) 2013 nennt Ägypten, Algerien, Indien, Indonesien, Irak, Israel, Kolumbien, Libyen, Marokko, Oman, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Vietnam, in denen die Menschenrechtslage schlecht oder sehr schlecht ist.

Laut GKKE wurden die allermeisten Kriegswaffen im Jahr 2012 für Saudi-Arabien genehmigt: Waffentransfers im Wert von 1,237 Mrd. Euro – trotz der desaströsen Menschenrechtslage im Land, trotz Fatwa und Scharia, trotz öffentlicher Verstümmelungen und Exekutionen politisch Andersdenkender oder Andersgläubiger, beispielweise von Christinnen und Christen.

Im Wissen um die dramatischen Folgen dieser deutschen Rüstungsexporte fordert die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“: Rüstungsexporte müssen grundsätzlich verboten werden!

Besonders dramatisch ist der Export so genannter „Kleinwaffen“. Sie sind die tödlichsten aller Waffengattungen, allein mit Gewehren werden zwei Drittel aller Opfer in Kriegen und Bürgerkriegen getötet: bei Schusswechseln, bei Massakern, bei Exekutionen. Deutschland ist weltweit die Nummer zwei der Kleinwaffenexporteure. Wenn Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen, dann oft vor dem Einsatz eben dieser Kleinwaffen – Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Maschinen- und Scharfschützengewehren – in den Händen von Regierungstruppen, Guerilla- oder Terroreinheiten.

An vorderster Front wird gekämpft mit Gewehren der Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch, vielfach in den Händen der Kombattanten aller Konfliktparteien. Allein vom Sturmgewehr G3 von H&K befinden sich schätzungsweise 15 Millionen Exemplare weltweit im Einsatz. Das neue Sturmgewehr G36 erobert derzeit legal und illegal die Krisen- und Kriegsgebiete in aller Welt. Dies geschieht durch Direktexporte, Umwegexporte über Drittstaaten sowie durch Lizenzvergaben, also die Vergabe von Nachbaurechten in mindestens 15 Ländern weltweit. Zu den Empfängerländern von H&K-Lizenzen zählen zahlreiche menschenrechtsverletzende Staaten wie der Iran, Saudi-Arabien, Pakistan, Mexiko und die Türkei.

Kein Wunder also, dass in den vergangenen drei Jahrzehnten Tausende von Kurdinnen und Kurden ihr Heimatland im Südosten der Türkei verlassen mussten und viele von ihnen zu ihren Verwandten nach Deutschland geflohen sind – vielfach nicht wissend, dass sie damit in genau dem Land Schutz suchen, das die Eskalation der Waffengewalt durch grenzenlose Rüstungsexporte erst ermöglicht hat.

[…] Wer Kleinwaffenexporte in Staaten wie diese genehmigt, macht sich mitschuldig am Massenmorden mit Kleinwaffen, allen voran G3- und G36-Gewehren! Und er macht sich mitschuldig an der Tatsache, dass Menschen zur Flucht gezwungen werden.

Im Wissen um die Tatsachen fordert die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“: Der Export aller Kleinwaffen und aller Lizenzvergaben muss sofort verboten werden!

Lasst mich an dieser Stelle noch eine positive Vorgehensweise unsererseits erwähnen: Im April 2010 habe ich Strafanzeige gestellt gegen Heckler & Koch wegen illegaler G36-Gewehrexporte an Mexiko. Diese Strafanzeige habe ich in der vergangenen Woche um zwei wichtige Aspekte erweitert.

Wir in der Aufschrei-Kampagne haben mittlerweile zwei Strafanzeigen gestellt, gleichsam über den Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer: gegen H&K wegen des Verdachts illegaler G36-Exporte nach Libyen. Und – ganz aktuell – gegen Carl Walther in Ulm wegen des Verdachts illegaler P-99-Pistolenexporte nach Kolumbien. Wir sind nicht länger gewillt, die Machenschaften der Rüstungsindustrie ohne juristische Gegenwehr hinzunehmen.

Deutsche Kriegswaffen wurden bzw. werden nicht nur im türkisch-kurdischen Bürgerkrieg, im kolumbianischen Bürgerkrieg sowie im mexikanischen Drogenkrieg eingesetzt – sondern auch in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan und in Libyen.

Wir protestieren heute nicht an einem x-beliebigen Ort. Wir protestieren vor dem Reichstag, in Sichtweite des Bundeskanzleramts. Im Bundeskanzleramt bewilligt der geheim tagende Bundessicherheitsrat unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel Kriegswaffenexporte an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten.

Mit ihrer Genehmigung des Exports von Kriegswaffen in Krisen- und Kriegsgebieten machten und machen sich Bundesregierungen mitschuldig am Morden – und im Fall der Kleinwaffen – am Massenmorden mit deutschen Kriegswaffen. Und Deutschland macht sich mitschuldig an der Schaffung der Fluchtgründe für Tausende, wenn nicht Millionen von Menschen.

Waffenexporte produzieren Flüchtlinge. Aus diesem Grund fordern wir seitens der Aufschrei-Kampagne von der Bundesregierung: Öffnen Sie die Grenzen für Flüchtlinge – und schließen Sie endlich die Grenzen für Waffen!

Waffenlobby stoppen – das Ziel ist mehr als hundert Jahre alt

Deutsche Rüstungsexporte – 1914-2014

von Christine Hoffmann, pax-christi-Generalsekretärin und Sprecherin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“

Im Jahr 2014 gibt es zu der Notwendigkeit, den politischen Druck gegen die steigenden Rüstungsexporte aus Deutschland als weltweit drittgrößtem Waffenhändler zu erhöhen, auch noch den historischen Kontext. Vor und im 1. Weltkrieg haben deutsche Rüstungsschmieden bereits Strategien angewandt, mit denen wir uns auch heute noch konfrontiert sehen: Gegner werden beide beliefert – aus Deutschland zum Beispiel Anfang des Jahrhunderts Preußen und England, heute Israel und Saudi Arabien, Griechenland und die Türkei. Lizenzen zum Nachbau deutscher Waffentechnologie wurden ins Ausland verkauft, es wurde Bakschisch gezahlt und das Wettrüsten wurde angeheizt, indem ein Land gegen das andere ausgespielt wurde.

In ihrem Buch „Waffenschmiede Deutschland“ schildern Perdelwitz und Fischer konkret das Beispiel der „Vaterländischen Anstalt“ Krupp. Krupp lieferte die Granaten nach England, durch die Tausende Soldaten aus Deutschland in Schützengräben zu Tode kamen. Das Geschäft war perfide: An das englische Konsortium Vickers & Maxim wurde für einen Shilling und drei Pence je Granate die Lizenz verkauft. „Nach Ende des Krieges wurde abgerechnet. Die britische Lizenzzahlung entsprach nach Berechnungen des Krupp-Biographen Bert Engelmann drei englischen Pfund für jeden im britischen Frontabschnitt gefallenen deutschen Soldaten.“

Nach dem ersten Weltkrieg war die Empörung über das Vorgehen der Rüstungsfirmen groß. Auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson wurde in die Satzung des Völkerbundes ein Paragraph aufgenommen, der besagte, „dass gegen die Herstellung von Waffen und Gerät durch Privatunternehmen schwere Bedenken bestehen.“ Andrew Feinstein berichtet in seinem 800 Seiten starken Buch „Waffenhandel – Das globale Geschäft mit dem Tod“, dass beim Friedensschluss unter allen Delegierten die Überzeugung verbreitet war, „dass man dem Profitdenken der großen und mächtigen Waffenfabrikanten ein Ende bereiten müsse, wenn man den Frieden in der Welt bewahren wolle“.

1921 legte ein Unterausschuss der Völkerbundsmitglieder einen Bericht vor, der einer vernichtenden Anklage der Rüstungsfirmen gleichkam. Der Rüstungsindustrie wurde vorgeworfen, dass sie Kriegspsychosen erzeuge, ihre Heimatländer überrede, Kriegspolitik zu betreiben, Staatsbeamte im In- und Ausland zu bestechen versuche, falsche Berichte über die militärischen Programme verschiedener Länder verbreitet habe, um zu Rüstungsausgaben anzustacheln. Die Rüstungsfirmen würden danach trachten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, internationale Rüstungskartelle bilden und internationale Rüstungskonzerne gründen, was den Preis der an Regierungen verkauften Rüstungsgüter erhöhe.

Der Bericht bewirkte jedoch in den folgenden Jahren keine Änderung der Praxis. Zwischen den Kriegen traten Vertreter der Waffenlobby auf und agitierten gegen den Frieden. Selbst auf Konferenzen wie der Genfer Abrüstungskonferenz 1927 schürten Waffenlobbyisten Ängste und sabotierten so internationale Abrüstungsverträge. Der Zorn auf die Rüstungsschmieden, weil sie gegnerische Länder beliefert hatten, wich in den frühen 30er Jahren dem Entsetzen über die aggressive deutsche Nazi-Politik. Krupp stellte inzwischen Hitler seine Fabriken zur Herstellung von Waffen zur Verfügung. Feinstein beschreibt die weitere Entwicklung so: „Die unmittelbare Bedrohung, die sie begleitende Kriegspropaganda und die neuerliche Verherrlichung des Militärs setzten der Kritik an den Waffenfabrikanten ein Ende.“

Die Jahre 1914 – 2014 in den Blick zu nehmen, bedeutet, uns mit hundert Jahren zwischen Krieg und Frieden auseinanderzusetzen. Aufzuzeigen, wer, wann, welche Strategien gegen Frieden und für neue Kriege angewendet hat und das in Beziehung zu setzen zu dem, wie Deutschland heute Terror und Gewalt mit Kriegswaffen, sonstigen Rüstungsgütern und Dual-Use-Produkten exportiert, ist für mich eine Form, aus der Geschichte für die Zukunft zu lernen. Für mich ist klar: Wir bleiben dran: Frieden schaffen statt Waffen!

Zur Lockerung der Kriegsmaterialverordnung durch den Schweizer Nationalrat

Schweizer Kriegsmaterialexporte an Staaten, die Kriege führen und foltern, trotz klarem Verbot seit 2008

von Heinrich Frei, Zürich

Kriegsmaterial der Rüstungskonzerne der Schweiz sollen neu an Saudi-Arabien und Pakistan geliefert werden dürfen, entschied der Nationalrat. In der Schweiz sind hauptsächlich ausländische Rüstungskonzerne tätig, unter anderem Rheinmetall (Kanonen und Munition) und der US-Rüstungsgigant General Dynamics (Mowag-Panzerwagen). Zu erinnern ist: Auch in den letzten Jahren wurde Kriegsmaterial von der Schweiz nach Saudi-Arabien und Pakistan geliefert, trotz der Kriegsmaterialverordnung, die dies klar verbieten würde.

Die Zahlen für Saudi-Arabien: 2013 für 21,9 Millionen Franken, 2012 für 24,8 Mio. Fr, 2011 für 20,6 Mio. Fr., 2010 für 132,6 Mio. Fr. Kriegsmaterial.

Die Zahlen für Pakistan: 2013 für 769.846 Fr., 2012 für 960.679 Fr., 2011 für 6,6 Mio. Fr., 2010 für 14 Mio. Fr. Kriegsmaterial. (Zahlen laut SECO)

Sowohl in Saudi-Arabien und in Pakistan wurden die Menschenrechte mit den Füssen getreten und beide Länder waren in Kriege verwickelt. Die Saudis intervenierten in Bahrain 2011 sogar militärisch, auch mit Mowag-Panzerwagen aus Kreuzlingen des US-Rüstungskonzerns General Dynamics. Saudi-Arabien unterstützt heute massgeblich die Aufständischen im syrischen Bürgerkrieg.

Die Kriegsmaterialverordnung der Schweiz, die seit 2008 in Kraft ist, wurde bisher nicht eingehalten. Diese Verordnung untersagt klar und deutlich Kriegsmaterialexporte an Staaten, die in einen „bewaffneten Konflikt verwickelt sind“, und auch an Länder, welche „die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen“. Trotzdem gingen die Kriegsmaterialausfuhren im letzten Jahr wieder zur Hauptsache an Nato-Staaten, die in Afghanistan immer noch Krieg führen und die auch im Irak, in Libyen und auf dem Balkan Kriege geführt hatten. Diese Kriege haben namentlich im Irak hunderttausende und in Afghanistan und in Libyen zehntausende Tote gefordert.

Der Schweizer Waffenkunde USA tötet mit Drohnen heute noch laufend Verdächtige in Afghanistan, Pakistan, dem Jemen und in Somalia. Vor allem sind es Zivilisten, nicht Terroristen, die bei diesen aussergerichtlichen Hinrichtungen der Vereinigten Staaten umkommen. Der Krieg der USA in Afrika, auch in Somalia, wird von der US-Armee vom Africa Command in Stuttgart aus geleitet. Trotz dieses Drohnenkrieges bewilligten die Bundesrätinnen und Bundesräte in Bern an die USA 2013 Kriegsmaterialexporte im Werte von 43,8 Millionen Franken. Die Hinrichtungen der USA in Somalia mit Drohnen, ohne Prozesse, erfolgen offensichtlich mit dem stillen Einverständnis der deutschen Regierung, obwohl in Deutschland die Todesstrafe längst abgeschafft wurde. Deutschland ist der grösste Käufer von Rüstungsgütern der Schweiz. 2013 bezog Deutschland für 123,5 Millionen Franken Kriegsmaterial aus der Schweiz.

Was stört die Kirche eigentlich an Rüstungsexporten?

Läst man den Aktionstag zum 26.2. Revue passieren, so fällt auf, dass hier nicht irgendjemand den Stopp deutscher Rüstungsexporte fordert, sondern dass es unter den Unterstützern viele kirchlich organisierte Christen zu geben scheint. Es treten auf: der BDKJ, aber auch das Diözesankomitee der Katholiken im Bistum Münster, die Diözesanräte der Bistümer Aachen, Augsburg, Würzburg, Freiburg, Essen, Rottenburg-Stuttgart und die Diözesanversammlung des Bistums Limburg, die Katholikenräte in den Bistümern Mainz und Trier, sowie der Katholikenrat Krefeld/Meerbusch. Und die Liste könnte fortgesetzt werden. Diese Situation ist insofern erstaunlich, als dass es doch sozialethisch nicht ganz klar ist, was so problematisch an Rüstungsexporten ist, da Waffenhandel in theologischer Hinsicht eigentlich nicht das Thema ist – sondern Friede. Warum Rüstungsexport heute doch ein Thema auch für die, in diesem Fall katholische Kirche ist, zeigt ein Blick in die kirchliche Tradition und das heißt auf die Lehre vom Gerechten Krieg, wie sie von Thomas von Aquin formuliert wurde.

Wenn Thomas in der Summa Theologiae seine Theorie entwickelt, dann tut er dies nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einem spezifischen Kontext: Nachdem Thomas im 1. Teil seines Werkes die Grundlagen gelegt und dargestellt hat, inwiefern Theologie eine Wissenschaft ist, Gott existiert und der Mensch als Ebenbild Gottes betrachtet werden muss oder kann, stellt er im 2. Teil die moralischen Grundlagen dar, auf denen sein Weltbild ruht. Hier geht er ebenfalls hierarchisch vor und spricht zunächst von der Grundlage aller Moral, der Liebe, über die Freude und den Frieden. Dann spricht er über die Werke der Liebe, sprich Barmherzigkeit, Wohltätigkeit, das Almosengeben und die brüderliche Zurechtweisung – beides als Taten der Nächstenliebe dargestellt. Nachdem er dies getan hat, wendet er sich der Welt der Sünde zu. Hier beginnt er, wieder grundlegend, mit dem Hass gegen Gott, als Quelle aller Sünde. Es folgt die geistige Trägheit, der Mangel an Empathie also, der das Gefühl der Nächstenliebe unterdrückt, der Neid, die Zwietracht als ein Gegensatz zum Frieden, der Zank und die Kräfte, die dem Frieden entgegenwirken. Dann spricht er über den Krieg.

In anderen Worten, Thomas von Aquin geht davon aus, dass Krieg Sünde ist, weil er eine Missachtung der von Gott gewollten Schöpfungsordnung darstellt. So betrachtet stellt auch die Teilnahme an einem „Gerechten Krieg“, den Thomas im Folgenden beschreibt, keinen Akt der Tugend dar. Krieg ist eine Sünde, die nur dann toleriert werden kann, wenn der Frieden und also die Schöpfungsordnung schon verletzt ist. Krieg dient im Krieg der Wiederherstellung des Friedens. Krieg ist nichts, was zum Frieden hinzutritt, sondern das, was ihm entgegengesetzt ist.

Den Teilnehmern des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965) ist dieser Umstand vor Augen geführt worden, als noch während der 1. Sitzungsperiode des Konzils, die Welt in der Kuba-Krise (1962) an den Rand eines Atomkrieges geführt wurde. In der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“, die 1965, also drei Jahre später, vom Konzil verabschiedet wurde, finden sich Spuren dieses Schocks. Dort wird zunächst die Position, die Thomas entwickelt hat, bekräftigt und darauf hingewiesen, dass man „einer Regierung das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung nicht absprechen“ kann. Zumindest dann nicht, wenn „wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind“ (Gaudium et Spes Ziff. 79). Dann heißt es dort aber auch: „Mit der Fortentwicklung wissenschaftlicher Waffen wachsen der Schrecken und die Verwerflichkeit des Krieges ins Unermeßliche. Die Anwendung solcher Waffen im Krieg vermag ungeheure und unkontrollierbare Zerstörungen auszulösen, die die Grenzen einer gerechten Verteidigung weit überschreiten.“ (Gaudium et Spes Ziff. 80) Und: „All dies zwingt uns, die Frage des Krieges mit einer ganz neuen inneren Einstellung zu prüfen.“

Diese neue innere Einstellung wurde bereits in der Enzyklika Pacem in Terris (1963) praktiziert, als Papst Johannes XXIII zu dem Schluss gelangte: „Deshalb fordern Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde dringend, dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden.“ (Pacem in Terris Ziff. 60) Der Vorstellung, dass Frieden durch (militärische) Stärke erreicht werden könnte, wird damit eine Absage erteilt. Noch deutlicher formuliert es dann jedoch das Konzil, wenn es festhält: „Wie immer man auch zu dieser Methode der Abschreckung stehen mag – die Menschen sollten überzeugt sein, daß der Rüstungswettlauf, zu dem nicht wenige Nationen ihre Zuflucht nehmen, kein sicherer Weg ist, den Frieden zu sichern, und daß das daraus sich ergebende sogenannte Gleichgewicht kein sicherer und wirklicher Friede ist. Statt daß dieser die Ursachen des Krieges beseitigt, drohen diese dadurch sogar eher weiter zuzunehmen.“ (Gaudium et Spes Ziff. 81) Im Kontext des Kalten Krieges enthielten diese Sätze eine deutliche politische Botschaft. Heute, nach dem Ende der Blockkonfrontation, sind sie jedoch noch immer gültig.

Was hat das alles mit Rüstungsexporten zu tun? – Die traditionelle Lehre vom Gerechten Krieg baut durchaus auf der Vorstellung auf, dass der Frieden durch (militärische) Stärke gesichert werden kann, weshalb es als legitim angesehen wird, für den Krieg zu üben und z. B. Turniere abzuhalten. Da man auch schon für Turniere jedoch Waffen benötigt, ist es notwendig und erlaubt, diese auch im Frieden herzustellen und mit ihnen zu handeln. Während des Kalten Krieges leistete das Wettrüsten jedoch keinen Beitrag zum Frieden, sondern trug lediglich dazu bei, den Zustand des Nicht-Friedens zu stabilisieren, dabei aber die Ursachen des Krieges zu verschärfen. Unter diesen Umständen ist Waffenhandel jedoch problematisch. Und das gilt auch heute, nach dem Ende der Blockkonfrontation.

Im asiatisch-pazifischen Raum droht ein Rüstungswettlauf. Im Nahen- und Mittleren Osten ist er längst im Gange. Für Südamerika wird von SIPRI vor der Gefahr eines Rüstungswettlaufes gewarnt. Aus Deutschland werden Waffen nach Südkorea geliefert, nach Taiwan, nach Japan, auf die Arabische Halbinsel und an fast alle südamerikanischen Staaten. Mit einer Politik, die dem Leitbild eines Gerechten Friedens zu dienen versucht, hat dies zunächst wenig zu tun. Eher scheint es, als würden gegenwärtige machtpolitische und wirtschaftliche Erwägungen über ethische Bedenken gestellt werden.

Wenn christliche Gruppen und Bewegungen deshalb heute eine Begrenzung deutscher Rüstungsexporte fordern, so steht dies in der Tradition der Lehre von einem Gerechten Krieg, der zu einem Gerechten Frieden führen soll. Diese Tradition wird jedoch unter den Bedingungen der gegenwärtigen Zeichen der Zeit gelesen und interpretiert, woraus sich dann die Forderung nach einem grundsätzlichen Verbot von Rüstungsexporten ergibt.

Hinzuweisen ist auf zwei weitere Aspekte. 1.) Die christlichen Gruppen und Bewegungen, die in Deutschland eine (Selbst-)Beschränkung des Waffenhandels fordern, stehen mit dieser Forderung nicht allein. Ganz ähnlich lautende Positionen werden etwa auch in der Schweiz von der Katholischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) formuliert. Anlässlich der derzeit diskutierten Liberalisierung der Schweizer Rüstungsexportrichtlinien hat sich das Sozialinstitut der KAB mit einer ethischen Stellungnahme in der politischen Diskussion zu Wort gemeldet. Und auch hier wird eine allgemeine Zurückhaltung bei Rüstungsexporten gefordert.

2.) Eine Begrenzung von Rüstungsexporten ist wichtig, benennt aber nur eine Seite des Problems. Eine strengere Rüstungsexportpolitik und die Forderung nach Abrüstung gehören jedoch notwendig zusammen.

Antipersonen-Minen als Gefahr in der Gegenwart und in der Zukunft

Während weiterhin nicht sicher ist, wie sich die Konfrontation auf der Krim und in der Ukraine entwickelt, vermutet CNN, dass die Grenze zwischen der Halbinsel Krim und dem Rest der Ukraine vermint wird. Russland gehört zu einem der bedeutendsten Produzenten von Antipersonenminen, auch von anderen Minentypen. Zirka 15 Jahre nach dem Ottawa-Vertrag zu Antipersonenminen, der allerdings von der Russischen Föderation nicht anerkannt wurde, scheint es möglich, dass dieser Staat wieder Minen verlegt.

Landmine.de weist auf einen Fernsehbeitrag von 3sat vom 28. Februar hin, in dem über Minen berichtet wird, die sich im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet befinden. Obwohl meist behauptet wird, dass die Minenanlagen der DDR beseitigt wurden, haben die Vertreter des „Grünen Bandes“ weiterhin die wichtige Aufgabe, auf die Reste der ursprünglich einmal 1,2 Millionen Minen in diesem Gebiet hinzuweisen. So sollen laut einer Studie des Thüringischen Umweltministeriums 33.000 Antipersonenminen im ehemaligen Grenzgebiet dieses Bundeslandes liegen. Dass es hierbei zu gefährlichen Situationen kommt, ist angesichts der Tatsache, dass man einmal verlegte Minen nicht wirklich kontrollieren kann, eigentlich nur zu erwarten: In Thüringen werden Wege mit Warnhinweisen versehen und Ähnliches. Doch nicht alle Personen oder Tiere wollen oder können auf den minengeräumten Wegen bleiben. Und: Minen bleiben nicht am Standort, sie werden durch Wasser, Erosion und andere Umweltveränderungen verschoben und können in angeblich gesicherte Gebiete gelangen. Es stellt sich zudem die Frage, wie es in den anderen Bundesländern aussieht.

3sat berichtet auch über eine unverständliche Situation: In Thüringen wurde Land verpachtet, ohne dass die Pächter und all ihre MitarbeiterInnen rechtzeitig über die immer noch drohende Gefahr durch die Kriegswaffen aufgeklärt wurden. Gleichzeitig, so heißt es in dem Bericht, dürfen Behördenmitarbeiter des Landes die betroffenen Gebiete nicht betreten, etwa, um die landwirtschaftlichen Arbeiten zu überwachen.

Bei alldem muss bedacht werden: Deutschland ist ein reiches Land, das sich um solche Probleme kümmern kann (und sollte), andere Länder dagegen „haben“ erstens mehr Minen im Boden und zweitens viel weniger Geld, um diese gefährlichen „Altlasten“ zu beseitigen! Oder aber die bewaffneten Konflikte sind noch nicht beendet. Hier ist die Situation also dramatisch.

Abgesehen von der Pflicht der Politik, die minenverseuchten Gebiete weltweit räumen zu lassen, muss die Lehre für die Zukunft sein: Weil Waffen auch nach Friedensschluss aktiv und tödlich bleiben, Kleinwaffen ebenso wie die verschiedenen Minentypen, dürfen sie nicht produziert und keinesfalls eingesetzt oder gar exportiert werden!

Translate »